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Flut, Dürre, Krise Der Wasser-Wahnsinn

Schon der Titel von Fred Pearces Buch ist eine apokalyptische Vorstellung: "Wenn die Flüsse versiegen". Eine furchtbare Vorstellung, dass ein breiter, viele Millionen Liter Wasser führender Fluss einfach austrocknet. Bis ich das Buch von Pearce gelesen hatte, konnte ich mir gerade ein ausgetrocknetes Bächlein vorstellen, doch es ist eine der Stärken von Pearce, dass er es schafft, dem Leser jede Illusion zu nehmen.

Zunächst macht Pearce die Dimension seines Themas klar, indem er die Maßeinheiten erklärt, mit denen er hantiert. Das normale Maß für die Wassermengen auf unserer Erde ist der Kubikkilometer, also das Wasser, dass einen "Eimer" mit der Größe 1000 x 1000 x 1000 Meter füllt. 50 Kubikkilometer sind der jährliche Durchfluss des Nils.

Beispiel um Beispiel

Das Buch von Pearce ist dann eine Reise von Fluss zu Fluss und von Umweltkatastrophe zu Umweltkatastrophe. Mit jedem neuen Beispiel wuchs bei mir so etwas wie Verzweiflung über die Dummheit der Menschen. Die Auswirkungen durch den Bau eines Staudammes beschreibt Pearce am Beispiel des Logone in Kamerun, ein Fluss, der eigentlich den Tschad-See speist.

Der Damm wurde gebaut, um die Bewässerung von Reisfeldern zu ermöglichen. Doch die Reisernte fiel trotzdem kläglich aus, dafür waren die Auswirkungen für Menschen und Natur verheerend. "Fruchtbare, das ganze Jahr über grüne Weidegründe sind vernichtet, und etwa 20.000 Rinder mussten umziehen. Der Fischfang ging um 90 Prozent zurück. Auf einer Fläche von 1.500 Quadratkilometern sank der Grundwasserspiegel, so dass Brunnen und Wasserlöcher austrockneten.

Da ihre Wasserlöcher ausgetrocknet waren, kehrten die Elefanten und Löwen dem Waza-Nationalpark, einem ihrer letzten Refugien in Zentral- und Westafrika den Rücken. Die, die blieben, wurden zum größten Teil von Bauern erlegt, die sich in ihrer Not aufs Wildern verlegt hatten. Wegen der Krise im Überschwemmungsgebiet kam es unter den Bewohnern zu erbitterten Auseinandersetzungen um Wasser und Weiden. Und viele wanderten in entfernte Städte ab."

Der Fluch der Dämme

Pearce hat solche Beispiele überall auf der Welt gefunden, in Asien, in Afrika, aber auch in Amerika und den USA. Das werden große Staudämme gebaut, von denen sich Staaten wirtschaftlichen Aufschwung versprechen, weil sie Elektrizität produzieren können und Wasser zur Bewässerung haben.

Doch das Wasser in den Stauseen verdunstet, die Becken setzen sich mit Sedimenten zu, schon nach wenigen Jahren sind die Dämme nur noch Investitionsruinen. Im schlimmsten Fall bersten sie in nach schweren Regenfällen und richten furchtbare Schäden an und bringen Tausenden den Tod. Am Unterlauf der Flüsse aber fehlt es den Menschen an Wasser, die natürlichen Überschwemmungszyklen geraten aus dem Gleichgewicht, jahrhundertealte Wirtschaftsmöglichkeiten werden plötzlich unmöglich.

Dabei sind Dämme nur ein Problem, ein anderes ist der Zugriff auf jahrhundertealte Unterwasserreserven. Wenn die Flüsse versiegen, werden diese Reservoire angebohrt. Das Problem ist nur, dass kein noch so üppiger Regenguss sie wieder auffüllen wird, denn es ist altes Wasser, das da in speziellen Gesteinsformationen lagert. Werden sie aufgebraucht, sind sie einfach nur leer. Schon heute können sich Länder, die an einem Fluss liegen, kaum darüber verständigen, wer aus diesem Fluss wie viel Wasser nehmen darf. Das Land am Oberlauf sitzt am längeren Hebel, aber Konflikte ums Wasser werden immer wahrscheinlicher und schon jetzt immer häufiger. Für einige Experten ist beispielsweise die Darfur-Krise ein handfester Wasser-Krieg. Genauso problematisch sind kilometerlange Wasserleitungen, die wahnsinnig viel kosten, in denen das Wasser dann unter Umständen sogar bergauf fließt, in denen aber auch riesige Wassermengen einfach versickern oder die neue Probleme ungeahnten Ausmaßes schaffen.

Vielleicht müssen in der Wüste keine Orangen wachsen, vielleicht kann man nicht überall auf der Welt mit Baumwolle reich werden, vielleicht muss man sich vergegenwärtigen, dass man für ein Kilo Reis 2.000 bis 5.000 Liter Wasser einsetzen muss. Dieses virtuelle Wasser in einem Brot, einem T-Shirt, in löslichem Kaffee oder einem Auto ist den Menschen kaum bewusst. Möglicherweise werden wir bald ebenso selbstverständlich wie Energieeffizienzklassen auch mit virtuellen Wassermengen auf Produkten umgehen. Wasser sparen hat schon jetzt weniger mit der häuslichen Klospülung, als mit Kaufentscheidungen zu tun.

Es gibt Auswege

Aber Pearce ist kein Schwarzmaler, wo er plausible Wege aus dem Wasserdilemma gefunden hat, beschreibt er sie begeistert. Ob Tautümpel in den Hügeln von Sussex, Wärmetauschanlagen in der Wüste, Regennetze und Nebelfänger, uralte Hauszisternen oder Teichsysteme, die das Grundwasser speisen, geniale Tröpfchenbewässerungssysteme, es gibt Wege aus der Wasserfalle und überall auf der Welt finden Menschen sie. Es sind nicht unbedingt die konventionellen westlichen Lösungen der Vergangenheit, in denen Pearce die Ideen für die Zukunft sucht. Denn das Problem ist nicht der Mangel an Süßwasser, sondern das Fehlen von effizienten Nutzungsmethoden. Pearce fordert eine neue Wasserethik, die sich an "alten Methoden des Teilens und der gemeinschaftlichen Nutzung" orientiert und auch der Natur Wasser zurück gibt. Überschwemmungsgebiete und renaturierte Flüsse sind keine "Naturromantik", sondern überlebenswichtig.

"Und schließlich verlangt diese neue Ethik von uns, Möglichkeiten des Wasserspeicherns zu finden, ohne die Umwelt zu zerstören; den Flüssen ihr Wasser zurückzugeben und Seen und Feuchtgebiete wieder zu füllen, ohne dass Menschen verdursten müssen; und das Wasser zu teilen, anstatt sich darum in Kriegen zu streiten." Pearce hat ein dramatisches Buch über Wasser geschrieben und dem Leser zudem klar gemacht, dass es ein Thema ist, das weit über Umweltschutz hinaus geht. Beim Thema Wasser geht es um Politik, Wirtschaftskraft, Menschenrechte und um Macht.

Solveig Bach

Fred Pearce: "Wenn die Flüsse versiegen", Kunstmann-Verlag 2007, 390 Seiten, 24,90 Euro

Quelle: ntv.de

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