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Pennebakers hautnahes Erlebnis Der veritable Dylan

Wer Bob Dylan noch einmal so erleben möchte, wie er dereinst frisch, fromm (?), fröhlich, frei die Bühne des Weltmusiktheaters betrat, der hat mit der vorliegenden Edelausgabe weit über zweieinhalb Stunden Gelegenheit. Kein schniefiger Griesgram, gleichwohl immer noch ein großer Performer, wie jüngst beim Konzert in Berlin.

Der 1925 in Evanston im US-Bundesstaat Illinois geborene Pennebaker ist einer der besten Vertreter des "cinma vrit", des Wahrheitskinos, wie sich jene minimalistische, auf jeglichen Effekt verzichtende, möglichst Schwarzweiß und fast ausschließlich ohne Stativ arbeitende Sekte der Kinematografie nennt. Gegründet auf die Kino-Prawda des aus dem polnischen Białystok stammenden Dziga Vertow, der nach der Oktoberrevolution in Russland zum Pionier des hastig gedrehten politischen Filmpamphlets wurde, macht Pennebaker die dreiwöchige England-Tournee des aufstrebenden Protestsängers zu einem hautnah erlebbaren Ereignis. Die fast immer wackelnde Kamera lässt den Eindruck entstehen, der Zuseher wäre Teil des Streifens, mithin dabei gewesen, als Dylan mitten in der Beatlemania fremdes Territorium eroberte. Versteht sich, dass der Film aus 1967 restauriert und digital überarbeitet wurde. Und die Prachtedition in limitierter Auflage erschienen ist.

Dylan beim Auftritt, unter anderem in Londons traditionsreicher Royal Albert Hall, wie er einen seiner Klassiker nach dem anderen intoniert. Dylan auf der Pressekonferenz, wie er eloquent spricht und politisch wirksam wird ohne viel von Politik zu sprechen. Dylan beim Gang durch die Straßen inmitten von Fans und dann wieder völlig von den Passanten unbeachtet. Dylan im Hotelzimmer, wie er mit seinem britischen Gegenstück Donovan zusammentrifft, eine der wenigen Stellen, an denen der Meister so etwas wie einen Anflug von Überheblichkeit oder ist es nur das Gefühl tatsächlicher Überlegenheit erkennen lässt. Dylan mit Alan Price, dem Pianisten, der gerade die Animals verlassen hat, Dylan mit seinem weiblichen Counterpart Joan Baez, mit der er in jener Zeit eine Liaison hatte, beide singend, dann jeder für sich den anderen bewundernd, eine Joan Baez übrigens, die einem britischen Musikjournalisten noch völlig unbekannt ist. Dylan, Dylan, Dylan.

Wer die manchmal etwas vernuschelten Monologe von Master Bob und die ohne jegliche Spezialtechnik aufgenommenen Dialoge mit seinen Gesprächspartnern nicht auf Anhieb versteht, der kann den Film in einem eigens beigefügten Buch nachlesen.

Die zweite DVD mit dem Titel "Dylan 65 Revisited" enthält unveröffentlichtes Archivmaterial, das vom Regisseur höchstpersönlich zusammengetragen wurde. Die Ankunft in London am 28. April 1965, dann Auftritte in Sheffield, Liverpool und Leicester. Namentlich die Sequenzen aus Liverpool zeigen, welch ungeheure und nicht immer gute Entwicklung die Musikindustrie genommen hat. Dylan im Gespräch mit schüchternen Fans auf der Straße, das ist heute unvorstellbar. Bodyguards allüberall, Absperrungen, Musiker, die auf die Bühne kommen, ihren Job machen und dann wieder verschwinden.

"Where have all the good times gone, hat Ray Davies von den Kinks selig einmal gefragt. Auf "Dont Look Back sind sie noch allgegenwärtig, die guten Zeiten. Insofern sollten wir genau das Gegenteil von dem machen, was der Filmtitel suggeriert. Und sei es auch nur für 152 Minuten.

PS: Den berühmten Kurzfilm zu Dylans "Subterranean Homesick Blues" gibts gleich dreimal: Zunächst in der Originalaufnahme auf der ersten DVD, dann auf DVD 2 auf dem Dach eines Hochhauses und schließlich als "Daumenkino".

Don Allan "D. A." Pennebaker: Bob Dylan: Dont Look Back 65 Tour De Luxe Edition, 2DVD und Buch, Columbia Sony BMG

Quelle: ntv.de

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