Ein Fotograf und sein Gebirge "Die Alpen sind ein Juwel"
07.12.2011, 09:38 Uhr
Rudolf Rother in Aktion
Fast 40 Jahre besteigt Rudolf Rother an den meisten Wochenenden des Jahres eine Vielzahl der höchsten und attraktivsten Gipfel der Alpen. Immer mit dabei: seine Kamera. Mit ihr schafft er unverwechselbaren Panoramen. Es sind Impressionen von zeitloser Schönheit, Weite und Erhabenheit - die sich so selten finden.
n-tv.de: Herr Rother, Sie wurden 1927 geboren und haben fast 40 Jahre Alpen-Panoramen fotografiert. Wann haben Sie sich in die Berge verliebt? Gibt es einen bestimmten Zeitpunkt oder ein Ereignis?
Rudolf Rother: Schwer zu fixieren! Nicht direkt. Als Kind "musste" ich immer mit meinem Vater auf die heimischen Berge. Da hatte ich damals nicht immer Lust zu. Als Bub mit zehn, zwölf Jahren waren die Bergtouren natürlich auch furchtbar anstrengend. Im Krieg wurde ich dann zu den Gebirgsjägern eingezogen, die haben mir die Freude an den Bergen gänzlich genommen. Nach dem Krieg habe ich dann über das Skifahren die Liebe zu den Bergen wieder gewonnen. Skifahren bedeutete damals nicht mit Skiern, sondern mit Skifellen unterwegs zu sein. Wer damals gut Skifahren konnte, kam auch bei der Damenwelt gut an und konnte ihr imponieren. (lacht)
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Alpen im Panoramaformat zu fotografieren?
Zwei Anlässe gab es da: Ich war im Beruf alpiner Verleger und habe Publikationen wie alpine Führer des deutschen, österreichischen und Südtiroler Alpenvereins verlegt. Die sind nicht mehr mit den heutigen Reiseführern vergleichbar. Es fehlten dazu oft Bilder und Anstiegsskizzen beispielsweise. Da habe ich mir eine Linhof-Kamera gekauft und die Bilder dann selbst gemacht, wo heimische Fotografen nicht am Werk waren. Zudem war ich auch oft im Gebirge und habe die Wanderer und Bergsteiger an Aussichtspunkten - in der Regel Gipfelpunkte - erlebt und ihre Gespräche mitbekommen: "Siehst du den Gipfel, da war ich schon." "Ja, das ist der und der Berg …" Und der andere: "Nein, da irrst du dich, das ist der und der Berg …" Die Dialoge ähnelten sich. Die wollten alle wissen, wie die Berge heißen. Das waren die Anlässe, die Gipfel zu fotografieren. Anfangs noch schwarz-weiß, später in Farbe.
Wann war das etwa?
In den 1960ern hat es angefangen. Bis dorthin haben mir Touren in Fels und Eis und im Winter mit den Skiern Zufriedenheit beschert. Mitte der 1960er Jahre hatte ich dann das nötige Handwerkszeug und bin auf die Gipfel zum Fotografieren "marschiert". Die Bilder erschienen dann auch in einer Zeitschrift, die ich damals herausgegeben habe - die "Bergwelt" -, mit jeweils einem Panorama. Wenn du die Seiten aufgeschlagen hast, hatte so ein Panoramabild fast einen Meter Breite. Das Interesse daran war sehr groß, habe ich gemerkt.
Und was ist so faszinierend an den Alpen, dem höchsten innereuropäischen Gebirge?
Dass sie die Menschheit noch nicht ganz kaputt gemacht haben. Dass dort noch viel Natur zu sehen ist: die Hirsche röhren, die Vögel pfeifen. Man kann herrlich allein sein und selbst wenn man Menschen trifft, haben sie meist die gleiche Gesinnung wie man selbst: Sie lieben die Natur. Für mich selbst sind die Alpen wie ein Gesundbrunnen.
Wie viele Alpenpanoramen haben Sie insgesamt aufgenommen? Was schätzen Sie?
Das ist schwierig zu sagen. Ich habe zwar eine Auflistung, aber da sind auch miserable Aufnahmen dabei - wenn der Nebel gekommen oder schlechtes Wetter hereingebrochen ist. Die würde man normalerweise wegwerfen, was ich aber nicht getan habe. Alles in allem, würde ich sagen, komme ich leicht über tausend Panoramen. Und etwa 500 Standpunkte.
Gibt es ein Lieblingspanorama?

Das Kitzsteinhorn in einem Ausschnitt einer Panoramaaufnahme
(Foto: Ridolf Rother / Edition Panorama)
Ja, das Kitzsteinhorn im Salzburger Land. Man hat dort einen herrlichen Rundumblick und kann bis zu 100 Kilometer weit ins Land schauen. 1969 oder 1970 im Januar war ich dort oben und habe ein 360-Grad-Panorama fotografieren können.
Worauf muss man bei einer solchen Panoramaaufnahme achten?
Das Wichtigste ist das Spiel von Licht und Schatten: Erst wenn man viel Licht und Schatten in das Bild bringt, wird der Berg für den Betrachter informativ - und attraktiv. Eine Wand, wo die Sonne nur prall draufscheint, da sieht man keine Erhebung, da sieht man gar nichts.
Wie schwer ist die Ausrüstung, die sie dann mit auf die Gipfel "schleppen"?
12 bis 14 Kilogramm hat die schon: Kamera, Objektive, Stativ, Filter … das wiegt schon einiges. Manchmal noch die Biwak-Ausrüstung, wenn der Aufnahmestandpunkt am frühen Morgen oder am späten Nachmittag notwendig war.
Und wie lange braucht man - im Schnitt - für eine Aufnahme?
Das Bild an sich geht sehr schnell, alles in allem rund eine Minute. Was Zeit kostet, ist die Vorbereitung: Kamera aufstellen, justieren, Filter montieren und dann das Warten auf den richtigen Lichteinfall. Da können dann schon einmal ein paar Stunden draufgehen.
Was sind die größten Unwägbarkeiten dabei?
Das Wetter spielt natürlich eine wichtige Rolle. Im Gebirge wechselt es ja häufig und sehr schnell. Aber: Man hört beispielsweise von Freunden oder anderen Kletterern: "Dieser Gipfel ist klasse. Das Panorama muss man gesehen haben, am besten am Morgen." Das merkt man sich und plant schon ein bisschen im Voraus. Ich hatte auch einen Meteorologen, der mich dann bereits vor meinen Touren angerufen und mir Tipps gegeben hat: "An dem und dem Tag ist die Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter sehr hoch. Fahren Sie doch mal ins Wallis."
Was bedeutet denn für den Panoramafotografen Rother "gutes Wetter"?
Wichtig ist beispielsweise eine gute Inversionswetterlage: Inversion bedeutet, wie weit die Hochdruckzone die Luft runterdrückt. Je weiter runter, umso klarer ist die Luft natürlich auf den Gipfeln. Die Fernsicht ist dann besser und so natürlich auch die Möglichkeiten fürs Fotografieren. Auch nach einem Regen ist "gutes Wetter" für Fotos: Da wird der ganze Schmutz aus der Luft "runtergewaschen". Das hält dann allerdings nicht lange an, meistens nur drei bis vier Stunden. Dann ist's schon wieder vorbei mit der guten Sicht.
Sie haben die Alpen über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten fotografiert und damit auch beobachtet. Was hat sich in diesem zur Entstehung des Gebirges doch recht kurzen Zeitraum verändert?
Gravierend ist zum einen der Rückgang der Gletscher, den ich hautnah mitverfolgen konnte. Wie weit die Gletscher von den Gipfeln heruntergekommen sind, wie sie geschmolzen sind, das ist einfach nur erschreckend. Zum anderen: die Kommerzialisierung des Gebirges. Als ich nach dem Krieg wieder mit dem Skifahren angefangen habe, gab es keine Lifte, keine Pisten. Das ist heute kaum noch vorstellbar, wo es das an jeder Ecke gibt. Dafür wurden aber teilweise ganze Wälder abgeholzt und so die Natur kaputtgemacht.
Wenn Sie in den vergangenen Jahrzehnten eine Entwicklung rückgängig machen könnten. Welche wäre das?
Die Klimaerwärmung! Das wäre das A und O. Sie ist das größte Problem und bleibt auch weiter die größte Gefahr.
Die Alpen sind ja heute vieles: Kulturlandschaft, Erholungsgebiet, Sportzentrum - alles in einem. Was sind die Alpen für Sie persönlich?
Kurz und knapp? Die Alpen sind ein Juwel für mich!
Mit Rudolf Rother sprach Thomas Badtke
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Quelle: ntv.de