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"Lieber Herr Hitler!" Fanpost an den Führer

1925 passten die Briefe, die Adolf Hitler erhielt, noch in einen Aktenordner, 1934 gingen mindestens zwölftausend Briefe ein, 1945 gratulierten noch etwa 100 Menschen dem Führer zum Geburtstag. Der Historiker Hendrik Eberle hat die Hitler-Post umfassend gesichtet, nachdem er Tausende von Briefen an Hitler in Moskauer Archiven entdeckt hatte.

In die russische Hauptstadt war das, was das deutsche Volk an Hitler schrieb, wahrscheinlich von Mitarbeitern der "Trophäen-Kommission" gebracht worden. Diese speziell gebildeten sowjetischen Sondereinheiten trugen seit 1953 zusammen, was sie für wertvoll oder verwertbar erachteten. Die Ordner mit der Bevölkerungspost wurden dann einem für die Benutzung gesperrten Spezialarchiv überlassen. Daraus stammt das Material, das Eberle in seinem Buch mit dem Titel "Briefe an Hitler" erstmals veröffentlicht.

Die Briefe, von Eberle historisch eingeordnet, geben einen einzigartigen Einblick in die Beziehung der Deutschen zu Hitler. Zunächst wenden sich vor allem die Nazis der ersten Stunde an ihn, mit Verehrungsbriefen, eigens verfassten Gedichten, manchmal mit Ratschlägen, gelegentlich sogar mit der Bitte um Geld. Später schreibt das ganz Volk dem Führer, die Verehrung der Deutschen kennt kaum eine Grenze.

Die kritischen Stimmen, wie in einem Schreiben der Zeugen Jehovas oder in wenigen Briefen des Hindenburg-Vizes Erich von Ludendorff, sind gerade in den Jahren unmittelbar nach der Machtergreifung eindeutig Dokumente mit Seltenheitscharakter. Erst mit dem Fortgang des Zweiten Weltkrieges mischen sich häufiger sorgenvolle Töne in die beinahe religiös-messianische Verehrung für Adolf Hitler.

Eberle hat die Briefe chronologisch geordnet und thematisch sortiert. Erwachsene Briefeschreiber erscheinen mit vollem Namen und vollständiger Adresse, die zahlreichen Kinderbriefe sind hingegen anonymisiert. Deutlich wird nicht nur, dass Hitler Bittbriefe, Gebete, Treueschwüre und Liebesbriefe erhielt, sondern auch der Umgang der Reichskanzlei mit der Post. Nicht alle Briefe wurden Hitler vorgelegt, vieles wurde schematisch beantwortet, Absendern, an deren Geisteszustand man zweifeln konnte, wurde beispielsweise nicht beantwortet, alle Anfragen für Hitler-Produkte abschlägig beschieden. Der politische Apparat des Dritten Reichs nutzte die Post auch als Barometer für die Stimmung im Volk.

Viele dieser Erkenntnisse sind nicht neu, doch selten hat man den Menschen des Dritten Reichs so aufs Maul oder vielmehr auf die Feder schauen können. Als authentische Zeitdokumente sind die Briefe an Hitler allemal lesenswert.

Henrik Eberle (Hg.): "Briefe an Hitler. Ein Volk schreibt seinem Führer." Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2007; 480 S., 19,95 Euro

Quelle: ntv.de

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