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Analsex mit Schokodip "Feuchtgebiete" entdeckt

Helen ist 18 Jahre alt und hat recht außergewöhnliche Hobbys: Die minuziöse Erforschung der eigenen Körperöffnungen und ihrer sexuellen Stimulierbarkeit, grenzwertige Tests der körperlichen Bakterienanfälligkeit sowie die Analyse anderer weiblicher Körper, insbesondere ihrer Genitalien. "Muschistudium" nennt Helen das in einem Wort. Geschildert wird das in dem Romandebüt der Moderatorin Charlotte Roche "Feuchtgebiete", die damit ein bemerkenswert freizügiges, ehrliches und unprätentiöses Exemplar erotischer Literatur vorlegt.

Es geht um Intimhygiene, Körpergerüche, Analverletzungen, Analverkehr, Sterilisation, gleichgeschlechtlichen Sex mit Prostituierten und um nicht ganz ungefährliche Experimente bei der weiblichen Masturbation, für die Helen gerne auch mal Duschköpfe oder Avokadokerne einsetzt. "Aber nicht alles ist zum Nachahmen gedacht!", warnte Roche. Verpackt sind solche Gedanken in eine ungemein komische wie kluge Ich-Erzählung der 18-Jährigen, die sich und dem Leser die Zeit vertreibt, während sie im Krankenhaus liegt und sich von einer schmerzhaften Po-Rasur erholt.

Pornografisch bis kindlich

Roche, die als Moderatorin des Musiksenders "Viva" um den Jahrtausendwechsel für ihren ungewöhnlich direkten und offenen Stil berühmt wurde, bewegt sich mit ihren Schilderungen zwischen einer pornografischen "Catherine M." und einem kindlichen "Adrian Mole": Die 29-Jährige schreibt so offen und tabulos wie die französische Kunstkritikerin Catherine Millet, die 2001 mit ihrem autobiografischen Roman für Furore sorgte. Gleichzeitig ist der Roman in einer so naiven Sprache geschrieben, wie sie auch die britische Autorin Sue Townsend einst ihren frühreifen Protagonisten ("Das Intimleben des Adrian Mole, 13 3/4") sprechen ließ.

"Ich kann tatsächlich von nichts an meinem Körper die Finger lassen. Ich finde für alles eine Verwendung", heißt es in dem Roman. Helen, das laut Roche "frühreife Früchtchen", riecht und leckt an allem, was sich in den Feuchtgebieten ihres Körpers so ansammelt: Popel, Smegma, Blut. Das kann dann zuweilen auch etwas eklig werden. Doch das ist nur kohärent, denn wer so offen über die Erotik des Analsex ("mit oder ohne Schokodip") schreibt, kann vor anderen Tabus des Körperlichen nicht Halt machen.

Keine Bahnlektüre

"Ich habe versucht Worte für Details der weiblichen Sexualität zu finden, für die es noch keine Worte gibt", sagt Roche. Deshalb heißen die Schamlippen nun "Vanillekipferl" und die Klitoris "Perlenrüssel". Männer sprächen offener als Frauen über Sex und würden auf mehr Verständnis im Bezug auf die eigenen körperlichen Bedürfnisse stoßen. "Dass dagegen ein Mädchen sich selbst anfasst, ist selbst im Jahr 2008 noch immer ein Tabu", sagt Roche. Offenheit und Ehrlichkeit sind die Tugenden, die sich die Romanautorin und ihre Protagonistin nicht nur für die Sexualität, sondern auch generell wünscht.

Daneben schreibt Roche, überspitzt und humorvoll, gegen einen Hygiene- und Rasurwahn von Frauen. Parfüm übertüncht demnach die körpereigenenen Lockstoffe, während natürlicher Schweiß "geil" macht. Insgesamt stehen Roche und ihr Buch aber auch für einen neuen Feminismus, der "Pornografie nicht als Unterdrückung, sondern als Befreiung versteht." Wie, das schildert Roche auf so illustre wie freizügige Weise in "Feuchtgebiete", das daher nicht unbedingt zum "Lesen in der Bahn" geeignet ist, meint Roche selbstironisch.

Erschienen ist das Buch beim DuMont-Verlag, nachdem der anvisierte Verlag Kiepenheuer & Witsch das Manuskript abgelehnt hatte. Roche liest ihr Debüt in den nächsten zwei Monaten in rund 35 Städten, darunter in Leipzig, Frankfurt, Würzburg, Duisburg und Berlin.

Von Susanne Schmetkamp, dpa

"Feuchtgebiete" von Charlotte Roche, DuMont Verlag 2008, Köln, 14,90 Euro.

Quelle: ntv.de

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