Bücher

Familie oder Sex mit van Gogh Frauen suchen ihr Glück

Früher zierte die Autorin die Cover ihrer Bücher, heute gibt es nur noch kleine Bilder auf der Rückseite.

Früher zierte die Autorin die Cover ihrer Bücher, heute gibt es nur noch kleine Bilder auf der Rückseite.

(Foto: picture alliance / dpa)

Früher schrieb sie über Selbstbefriedigung und Drogen. Der Aufschrei wie bei Charlotte Roche blieb aus. Mit den Jahren sind Alexa Hennig von Langes Bücher erwachsener, aber nicht weniger spannend geworden. Mit "Leichte Turbulenzen" widmet von Lange sich wieder einmal dem Familienleben. Ein perfektes gibt es nicht. Oder doch?

Wenn eine Nation schockiert, fasziniert und aufgeregt über die explizite Schilderung von Selbstbefriedigung diskutiert, müsste Alexa Hennig von Lange sich eigentlich gelangweilt zurücklehnen und sagen: "Das habe ich doch schon vor Jahren geschrieben." Ein Aufschrei wie über die blieb jedoch aus, als 1997 von Langes Debütroman "Relax" erschien. Dort kamen auch viel Sex, Selbstbefriedigung und auch noch Drogen vor, was zu diesem Zeitpunkt in dieser Form so noch nicht geschildert worden war.

Doch von Lange ging es nicht um den Schockeffekt. Sie überschritt die Grenzen nicht so, wie Roche es tut. Der Roman handelt schlicht von der Liebe. Im Gegensatz zu Roche ist die explizite Sprache bei Lange nur das Mittel für eine tiefere Handlung, die bei Roche fehlt. Vielleicht ist der ausgebliebene Rummel um Langes Bücher gar nicht schlecht. Anstatt heiß diskutiert zu werden und dann schnell in Vergessenheit zu geraten, weil es dann doch an literarischer Substanz mangelt, hat von Lange seit Jahren Buch um Buch vorgelegt und sich einen sicheren Platz in der deutschen Literaturlandschaft erarbeitet.

Frauen können nur unglücklich sein

Das Buch ist im Bertelsmann Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.

Das Buch ist im Bertelsmann Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.

Nach "Risiko" widmet von Lange sich wieder einmal dem Familienleben. Ihre Bücher scheinen auch immer ein Spiegel ihrer eigenen Lebenssituation zu sein. Als sie jung und wild war, schrieb sie "Relax", ihre Magersucht verarbeitete sie im Jugendbuch "Ich hab einfach Glück" und die Perspektive der Eltern taucht in ihren Büchern erst auf, als sie selbst Mutter geworden ist.

Ivy und Nathalie sind zwei ungleiche Schwestern. Sie verkörpern in "Leichte Turbulenzen" die zwei Modelle, wie eine Frau ihr Leben leben kann. Nathalie ist die klassische gut ausgebildete Frau, die ihre Karriere an den Nagel hängt, als nach der Heirat das erste Kind kommt. Weil das auf Dauer ihren Intellekt beleidigt, wird sie unglücklich. Trotzdem versucht sie ständig, ihre Schwester ebenfalls in den Ehehafen zu treiben. Sie kann sich trotz ihres eigenen Unglücks nicht vorstellen, wie ihre Schwester dem tristen Leben ohne Mann aus dem Weg gehen soll. Ivy ist das Gegenmodell, hat einen Traumjob als Modelliererin bei Madame Tussauds in London. Mann- und kinderlos ist auch sie unzufrieden. Egal, wie die unterschiedlichen Frauen ihr Leben gestalten, sie können nicht glücklich sein.

Sex mit einer Wachsfigur

Während Nathalie Stück für Stück ihre Ehe kaputt streitet, erträumt Ivy sich aus einer kurzen Flugzeugbekanntschaft den Mann ihres Lebens. Die Vision vermischt sich mit einer Wachsfigur von Vincent van Gogh, den sie für das Museum modelliert. Ihr erdachter Gefährte begleitet sie fortan überallhin. Sie erzählt ihm von ihrer Arbeit, geht in Gedanken mit ihm spazieren und ins Bett. Doch die Fantasie kann nicht auf Dauer herhalten.

Zu Beginn fragt der Leser sich oft: Meint die das ernst? Wenn alles weibliche Glück von der gelungenen Beziehung zu einem vollkommenen Mann abzuhängen scheint, fällt es schwer zu glauben, dass dies von einer modernen jungen Frau im 21. Jahrhundert geschrieben sein soll. Doch die Autorin lässt sich nicht auf Klischees ein. Von Langes Figuren haben immer Brüche, was bisher der Vorzug aller ihrer Bücher gewesen ist. Kurz bevor die Handlung schablonenhaft wird, tun die Protagonisten etwas so Unverständliches, dass der Leser am liebsten in die Handlung springen und eingreifen will.

Wer Autorin ist, entgeht der Geschlechterfalle

Die sonst so fürsorgliche Mutter Nathalie traumatisiert ihre Tochter, indem sie sie ohne Grund ins Krankenhaus einliefern lässt. Als das Kind dann tatsächlich ernsthaft krank wird, beschäftigt sie sich lieber mit Indizien für den Ehebruch ihres Mannes, anstatt sie zum Arzt zu bringen. Ivy lässt ihren bösartigen Ex-Freund in aller Ruhe die Vergangenheit verdrehen, obwohl sie ihn in einem Satz entlarven könnte. Und der Leser möchte dem Großvater der beiden, der sich lieber mit seinen Urahnen als mit seinem Enkelkind beschäftigt, am liebsten eine Ohrfeige verpassen. Der etwas dröge Schreibstil wird durch von Langes Fähigkeit zu verwirren wettgemacht.

Angenehm ist auch, dass die Autorin überhaupt keine Überheblichkeit an den Tag legt. Von Lange präsentiert keine vollkommene Lösung für das Dilemma moderner Frauen. Höchstens indirekt ihr eigenes Konzept. Charlotte Roche und Alexa Hennig von Lange leben beide ein eher konservatives Familienmodell. Durch ihre Arbeit sind aber sie finanziell und räumlich unabhängig und können sich trotzdem um ihre Kinder kümmern. So kommt es vielleicht nicht von ungefähr, dass Nathalies Ausbruch aus dem Familienleben mit dem Plan beginnt, Kinderbuchautorin zu werden.

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Quelle: ntv.de

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