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"Scratch My Back” – Konzert und CD Gabriel Goes Classic

Sich selbst zu übertreffen, ist nur Wenigen vergönnt. Peter Gabriel gehört dazu. Sein aktuelles Album "Scratch My Back” assoziiert auf den ersten Blick Ungewöhnliches.

Das neue sinfonische Album von Peter Gabriel ließ bereits erahnen, dass der 60-Jährige kein normales Popkonzert geben würde.

Das neue sinfonische Album von Peter Gabriel ließ bereits erahnen, dass der 60-Jährige kein normales Popkonzert geben würde.

Die englische Redewendung "You scratch my back and I'll scratch yours" meint "Eine Hand wäscht die andere". Vielleicht meint Peter Gabriel es so: Viele Hände waschen meine Hände, die der Mitglieder des "London Scratch Orchestra" unter der Stabführung von Louisa Fuller nämlich. Ein klanggewaltiges Sinfonieorchester, das mehr ist als nur Hintergrund für die Sangeseskapaden eines Weltstars.

Gabriel, ein bekanntermaßen begnadeter Komponist, covert Stücke berühmter und auch weniger berühmter Kollegen. Doch statt die Songs nachzuspielen, macht der einstige Frontmann von Genesis etwas völlig Neues daraus. Ohne die herkömmlichen Instrumente der Populärmusik. Keine Gitarre, kein Keyboard, kein Schlagzeug. Mit dem "Scratch Orchestra" eben. Dessen Sound steht so für sich selbst, dass man nicht nur beim Hören der Scheibe gern bereit ist, für ein paar Minuten auf den Stimmenrauch von Gabriel zu verzichten.

Mit großem Orchester in Berlin

Gabriel covert auf "Scratch My Back" bekannte Musikstücke und formt sie zu ganz eigenständigen Kunstwerken.

Gabriel covert auf "Scratch My Back" bekannte Musikstücke und formt sie zu ganz eigenständigen Kunstwerken.

Beim gestrigen Konzert in der Berliner "O2 World" verschwand Gabriel bei längeren Instrumentalpassagen immer wieder von der Bühne, um den Musikern, diesmal vom New Blood Orchestra unter Leitung von Ben Foster, ihren mehr als verdienten Freiraum einzuräumen. Erstaunlich gering die Unterschiede zwischen dem Orchester auf der CD und in dem fast bis auf den letzten Platz ausverkauften Konzertsaal. Gabriel & Co. im ersten Teil linear den Inhalt der CD dar. Es gab intensiven Beifall, der aber eher Bewunderung ausdrückte. Vielen war der Sound des neuen Gabriel noch nicht vertraut.

Charakteristisch für die Scheibe ist, dass man die Originale nicht, wie bei Neil Youngs, recht spät, wie bei Paul Simons "Boy In The Bubble" oder fast gar nicht, wie bei David Bowies "Heroes, wiedererkennt. Wozu ins Konzert, wenn man die Scheibe im Autoradio hören kann? Zunächst, weil auch die beste Stereoanlage nicht an den Klang des Musikdoms an der Spree erreicht. Und dann, weil einem Gabriels Videos entgehen, die sich intensiv wabernd über das Bühnenbild ergießen. Nicht immer meisterhaft, aber manchmal sogar schelmisch, wenn sich bei "The Book Of Love" von den Magnetic Fields während der Textzeile vom Hochzeitsring ein Strichmännchen mit Peter-Kopf der verhüllten Braut nähert, die dann … auch … einen Peter-Kopf entblößt. Vielleicht steckt ja auch bisschen Selbstverliebtheit in dem Gleichnis.

Mehr als guter, alter Wein in neuen Schläuchen

Teil zwei des Konzerts hätte auch die zweite CD von "Scratch My Back" sein können. Gabriel kramte in seinem umfangreichen Archiv und bot Tracks aus seiner Solokarriere dar. Und siehe da: Schon bei den ersten Streicher- oder Pianoklänge eines Stücks brach jedes Mal lauter Applaus los. Die Fans erkannten "Digging In The Dirt" oder "Downside Up" nach wenigen Sekunden, und doch war es mehr als nur guter, alter Wein in neuen Schläuchen. Es waren eigenständige, klassische Interpretationen von Popkompositionen. Schade, dass Gabriel den Rufen nach "Sledgehammer" nicht entsprach. Von diesem, einem seiner größten Hits, gab’s nur ein paar ironische Orchesterakkorde. Dafür stieg er bei "Solsbury Hill" zu neuen Höhen auf. Und die Zugaben "In Your Eyes", "Don’t Give Up" und "The Nest That Sailed The Sky" bildeten den eigentlichen Höhepunkt des Abends. Sie könnte auch den eigentlichen Höhepunkt einer neuen CD mit orchestralen Versionen von Gabriel-Kompositionen bilden.

Peter Gabriel: "Scratch My Back”, CD, Realworld Virgin

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Quelle: ntv.de

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