Bücher

Israelische Literatur Ganz extrem normal

Von Israel zu lesen, ist auch für viele Deutsche spannend.

Von Israel zu lesen, ist auch für viele Deutsche spannend.

Eine neue Generation von israelischen Autoren erobert den deutschen Buchmarkt. Ihre Geschichten erzählen vom Alltag hinter den Nachrichten.

Abseits von den täglichen Nachrichten werden auch die literarischen Stimmen aus Israel immer lauter. Nach Amos Oz und Ephraim Kishon ist eine neue Generation von israelischen Autoren herangewachsen, die auch den deutschen Büchermarkt erobern. Ob Ron Leshem, Assaf Gavron oder Eshkol Nevo ? was diese Schriftsteller zu erzählen haben, ist hierzulande nicht nur auf den Büchertischen zu finden, sondern füllt auch ganze Lesungen, wie zuletzt auf den vom Goethe-Institut und der Heinrich-Böll-Stiftungen veranstalteten deutsch-israelischen Literaturtage. Aber woher kommt dieses Interesse?

"Zu allererst, weil wirklich gute Literatur aus Israel kommt", sagt Schriftsteller Eshkol Nevo. "Und das sage ich ganz objektiv", fügt er augenzwinkernd hinzu. Die Bücher seien sehr vielfältig, von der erotischen Literatur einer Zeruya Shalev bis zu der Beschreibung eines Soldatenlebens an der Grenze zum Libanon wie bei Ron Leshem." In der Tat decken die neuen Bücher aus Israel ein weites Spektrum ab. Bei allen Unterschieden ergeben sie jedoch wie einzelne Teile eines Puzzles zusammen ein sehr intensives Bild von Israel abseits der täglichen Nachrichtenflut.

Während Assaf Gavron in seinem Buch "Ein schönes Attentat" die extremen Anspannungen einer zivilen Gesellschaft unter permanenten Terrorgefahr fühlbar macht, erlaubt uns Ron Leshem in seinem Buch "Wenn es ein Paradies gibt" (verfilmt unter dem Namen "Beaufort") einen Blick in die Gefühlswelt von 18- bis 20-jährigen Soldaten, die vom Staat an die Grenze geschickt werden, um gegen die, abgesehen vom fortwährenden Beschuss, nahezu unsichtbar agierende Hisbollah-Miliz zu kämpfen. Bei Eshkol Nevo kommt schließlich ein Querschnitt der israelischen Bevölkerung auf engsten Raum als Nachbarn zusammen.

Trotz aller Unterschiede im Erzählstil schwebt über allen Büchern die Frage, wie sich die äußeren Bedrohungen auf das eigene Privatleben und die Befindlichkeit auswirken ? egal, in welcher Lebenssituation man sich befindet oder zu welchem politischen Lager man gehört.

Dass diese sehr israelischen Geschichten auch im Ausland so großen Anklang finden, hat die Autoren überrascht. "Ich hätte nie gedacht, dass mein Buch auch außerhalb der israelischen Grenzen jemanden interessiert", gesteht Ron Leshem am Rande der deutsch-israelischen Literaturtage. Gerade das Berliner Publikum begeistert ihn immer wieder. "Ich bin jetzt zum dritten Mal hier und es ist wie ein Traum, diese interessierten Menschen zu treffen." Bei einer Lesung in Tel Aviv nur wenige Tage später verrät Eshkol Nevo dagegen, dass für ihn die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem israelischen Publikum riesig sei. "In Deutschland ist da immer diese Distanz zum Publikum ? dieser historisch bedingte Subtext."

Das gebe es in Israel nicht, sagt er und deutet auf die Zuhörer, die ihn nach der Lesung umringen und, wie in Israel üblich, unbefangen mit dem Vornamen anreden und deutlich ihre Meinung zu dieser oder jenen Passage seines Buches kundtun. Interessant sei, dass in verschiedenen Ländern verschiedene Themen Anklang fänden, meint Assaf Gavron. Sein Buch "Ein schönes Attentat", sei in Israel kein so großer Erfolg gewesen, wie sein erstes Buch. "Mit "Ein schönes Attentat" war ich zu nahe dran an den Ängsten und Sorgen der Israelis." In Deutschland sei der innere Abstand dagegen einfach größer und vielleicht gebe auch den Wunsch, auch mal hinter die Nachrichten zu schauen.

Luchterhand Literaturverlag, Februar 2008, 352 Seiten, 19,95 Euro

Luchterhand Literaturverlag, Februar 2008, 352 Seiten, 19,95 Euro

Ein Blick auf die Bücher.

"Ein schönes Attentat"


Eitan Tanoch, genannt das Krokodil, lebt ein Tel-Aviver-Yuppie-Leben, bis er zum Phänomen wird - er überlebt in Serie drei Selbstmordattentate. Ungewollt zur Berühmtheit ernannt, findet er traumatisiert nicht mehr den Anschluss an seine Karriere. Sein Privatleben, das schon zuvor auf wackligen Beinen stand, zerfällt ganz.

Gleichzeitig verknüpft sich sein Leben mit dem Schicksal des Palästinensers Fahmi, auf den ungebeten die Wahl fällt, diesen israelischen Nationalhelden zu töten. Nach dem missglückten Attentat als menschliche "Gurke" auf der Intensivstation eines israelischen Krankenhaus gefangen, rekapituliert Fahmi in Gedanken seinen Weg dorthin.

Nach Jahren im Ausland lebt Assaf Gavron (geboren 1968) wieder in Tel Aviv. Neben seiner Arbeit als Schriftsteller bringt er mit seiner Band "Mouth-and-Food" gerade sein sechstes Album auf den Markt. Bekannt wurde Gavron auch durch die Teilnahme an dem Computer-Spiel-Projekt "Peacemaker", das den Nahost-Konflikt simuliert.

Rowohlt Berlin, Januar 2008, 352 Seiten, 19,90 Euro

Rowohlt Berlin, Januar 2008, 352 Seiten, 19,90 Euro

"Wenn es ein Paradies gibt"

In den letzten Tagen der Besatzung in den libanesischen Bergen befehligt der 21-jährige Eres eine Gruppe von 18-Jährigen. Von Israel schon fast vergessen, hat die Gruppe mit dem fortwährenden Beschuss der Hisbollah und der durch das Handlungsverbot ausgelösten Langeweile zu kämpfen. Während die Friedensbewegungen in Israel immer lauter den Abzug fordern, wachsen auch in der erst nur gezwungenermaßen zusammengeschweißten Gruppe immer mehr die Zweifel an der Mission, bis es schließlich nur noch darum geht, bis zum Abzug der Israelis von der Kreuzritterfestung "Beaufort" zu überleben - sich nicht zu "verschwenden" in den letzten Stunden eines Feldzuges, an den fast alle den Glauben verloren haben.

Der unter dem Titel "Beaufort" entstandene Film gewann auf der Berlinale 2007 den Silbernen Bären und war als israelischer Beitrag für den "Oscar" nominiert. Der Journalist Ron Leshem (geboren 1976) wurde unter anderem mit dem bedeutenden israelischen Sapir-Preis ausgezeichnet, und ist heutzutage Vize-Präsident des israelischen Fernsehsenders "Channel 2". Ron Leshem lebt in Tel Aviv.

DTV, Februar 2007, 435 Seiten, 15 Euro

DTV, Februar 2007, 435 Seiten, 15 Euro

"Vier Häuser und eine Sehnsucht"

An der Schnittstelle der Zeit vor dem Rabin-Attentat und danach müssen die unterschiedlichsten Menschen in vier Häuser auf engsten Raum als Nachbarn auskommen: das junge Studentenpaar Amir und Noa, das seine erste gemeinsame Wohnung bezieht, Sima und Moshe, im selben Alter, aber durch zwei Kinder und den fortwährenden Kampf zwischen Religiösität und modernen Judentum gefühlte zehn Jahre älter, sowie Jotam, ein Kind, das in einem Haus voller Trauer lebt, seit der ältere Bruder im Krieg umkam.

Schließlich Ssadeq ein palästinensischer Bauarbeiter, der voller Sehnsucht auf das Haus blickt, aus dem seine Familie einst vertrieben wurde. Schon in der "guten Zeit" vor dem Anschlag auf Premierminister Jizchak Rabin herrscht in dieser Siedlung eine derartige Spannung, dass ein geplatzter Boiler gleich Anschlagsängste weckt. Nach dem Attentat sickert die äußere Unsicherheit und Trauer bis in die Häuser ein und das Misstrauen über die Absichten des anderen wächst. Doch über allen steht die Sehnsucht nach einem besseren Leben.

Eshkol Nevo (geboren 1971) wuchs in Israel und Detroit auf und lebt nach einem Psychologiestudium an der Universität von Tel Aviv als Schriftsteller in dieser Stadt. "Vier Häuser und eine Sehnsucht" wurde mit dem Golden Book Prize 2005 ausgezeichnet. In diesen Tagen ist in Israel sein aktuelles Buch "World Cup Wishes" (engl. Titel) erschienen.

Quelle: ntv.de

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