Steve Winwood Im Olymp des Rock and Roll
14.07.2010, 17:14 Uhr
(Foto: Reuters)
Mit der Spencer Davis Group, Traffic, Blind Faith und später als Solokünstler hat es Winwood in vier Jahrzehnten Karriere in den Olymp des Rock and Roll geschafft, findet Manfred Bleskin.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ein musikalischer Revolutionär ist Steve Winwood nicht. Aber "revolution" kann ja auch Drehung oder Umdrehung meinen. Der 1948 als Stephen Lawrence im englischen Wandsworth/Birmingham Geborene hat sich ein paar Mal gedreht: Vom Einfacheren zum Komplizierteren. Und sich dabei immer wieder nach seinen Wurzeln umgedreht. Insofern ist er einer der genialsten Interpreten des zeitgenössischen Rock and Roll. Winwood verstand es, mit 17 so zu singen wie Ray Charles mit 40. So richtig begann es, als Steve und sein Bruder Muff 1963 im englischen Birmingham zusammen mit dem früheren Deutschlehrer Spencer Davis aus Wales und dem Jazzschlagzeuger Pete York die Spencer Davis Group gründeten. Eigentlich hätte die Truppe Steve Winwood Band heißen müssen. Es war diese einzigartige Stimme, die den Erfolg des in der heutigen Literatur unterschätzten Projekts prägte. Wenn vom frühen Blues der Sechziger die Rede ist, wird zumeist auf die Rolling Stones, Them, die Animals, die Yardbirds und , wenn’s hochkommt, die Pretty Things verwiesen.
Die Mitglieder der Spencer Davis Group (von links oben im Uhrzeigersinn): Muff Winwood, Pete York and Steve Winwood und Spencer Davis.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Die Spencer Davis Group glänzte durch ein perfektes Spiel und sauberste Abmischung, welchen der Klangbrei der von Andrew Loog Goldham produzierten frühen Stones nicht das Wasser reichen kann. Dies ist dem außerordentlichen Gitarrenspiel des Namensgebers der Band, den virtuosen Drums des York und dem kraftvollen Bass von Steves Bruder zu verdanken. Und neben der Stimme von Master Steve auch dessen Händchen für Keyboard und Piano. CD 1 legt mit "Keep On Running", Somebody Help Me" und "Gimme Some Lovin" Zeugnis ab von den großen Hits der Spencer Davis Group. Auch "This Hammer" und "When I Come" auf CD 4 hätten es verdient, in der Top Ten der Verkaufslisten aufzutauchen; der Instrumentaltitel "Waltz For Lumumba" zeigt, dass die Band auch ohne Gesang überzeugend spielen konnte. Der 1967 erschienene Track stammte aus Winwoods Feder und dürfte selbst Jazzfreunden gefallen haben, jedoch den Unwillen der Auftraggeber des Mordes am ersten kongolesischen Präsidenten 1960 von CIA und belgischer Regierung erregt haben.
Blind Faith zerbricht an Genialität
Die Trennung Steves und Muffs von der Group erfolgte in Etappen. Beide spielten schon in der neuen Formation Traffic mit. Im Soundtrack des 67er Films "Here We Go Round The Mulberry Bush" sind beide Bands mit beiden Winwoods zu hören. Dass der Titelsong von Traffic in der vorliegenden Edition fehlt, ist deren einziger Mangel. Gleichwohl sind "Paper Sun", "Dear Mr Fantasy", "Shanghai Noodle Factory" und "John Barleycorn Must Die", um nur einige Songs zu nennen, hinreichende Beispiele für die fortdauernde Virtuosität des Steve Winwood, dem sich unter anderem der Drummer Jim Capaldi zugesellte. Traffic waren ohne Zweifel eine der wichtigsten Bands des Psychedelic Rock.
Winwood und Clapton traten im Juni 2010 beim "Crossroads Guitar Festival" in Chicago zusammen auf.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Bei der nächsten Winwood-Truppe saß Ginger Baker an der Schießbude, Eric Clapton übernahm die Leadgitarre. Beide hatten zuvor mit dem Bassisten Jack Bruce die erste Supergroup des Rock gespielt. Die 1969 gegründete Gruppe Blind Faith, war ohne Zweifel die zweite Supergroup. Leider hat’s davon nur drei Titel, von denen die kongeniale Version von Buddy Hollys "Well All Right" sicher die beste ist. Das einzige, mit dem Bandnamen getitelte, Album der Gruppe kam in den USA auf Platz 1. Blind Faith zerbrach an der Genialität seiner Mitglieder. Clapton ging den bekannten Weg.
Solo nicht ganz so erfolgreich
Winwood war - sehr zu Unrecht - eine nicht ganz so erfolgreiche Solokarriere beschieden. Trotzdem: Die vor allem auf CD 3 vertretenen Songs stehen für einen großen Sound, der nie die Ursprünge Winwoods im Rhythm and Blues verleugnet und ein klitzekleines bisschen kommerzieller war. Seine größten Solohits landete er in den funkigen Achtzigern. Die wohl schönsten Songs sind "Higher Love" und "Back In The High Life Again". Ersterer kam 1986 an die Spitze der Charts gelangte und wurde mit drei "Grammies" geehrt. "Back In The High Life Again" gelangte nur auf Platz 13.
Steve Winwood hat es in mehr als vier Jahrzehnten Karriere in den Olymp des Rock and Roll geschafft. Was zählen da - bei allem Respekt - die Chartnotierungen?
PS: Bliebe nur noch anzumerken, dass die Edition auch in gestalterischer Hinsicht gelungen ist. Ein Buch, mit schönen Fotos, einem liebevollen Text und - siehe oben - wundervollen CDs.
Quelle: ntv.de