Leonard Cohen Lieder von Freud' und Leid
30.05.2007, 14:54 UhrEs hat lange gebraucht, bis sich die Plattenfirma des nach Bob Dylan wohl größten lebenden Singers/Songwriters des angelsächsischen Sprachraums entschloss, den Mann mit einer digital remasterten Ausgabe seiner ersten Alben zu ehren. Wobei: Manch einer meint auch, der Kanadier wäre größer als sein Kollege von weiter südlich. Denn: Die Texte des 1934 als Sohn einer jüdischen "middle class"-Familie in Westmount, einem Vorort von Montreal, Geborenen wären größer, weil auf Anhieb verständlich. Vielleicht, weil Cohen vor seiner Musikerkarriere schon eine - wenn auch nicht unumstrittene, in jedem Fall aber erfolgreiche - Laufbahn als Schriftsteller hinter sich hatte. Sei's drum. Es ist nun geschehen. Mit "Songs Of Leonard Cohen", "Songs From A Room" und "Songs From Love And Hate" liegen - bei allem Respekt vor den späteren Werken - die wohl wichtigsten Platten von Master Leonard vor.
Auf der 1967 erschienenen Scheibe "Songs Of Leonard Cohen" sind in - wie anders und auch auf den beiden weiteren CDs - digital überarbeitete Klassiker zu hören. "Suzanne", "Sisters Of Mercy", "So Long, Marianne" und "That's No Way To Say Goodbye". Zum Beispiel. Dazu die unvermeidlichen und doch so begehrten Bonustitel. Hier: "Store Room" und "Blessed Is The Memory". Beide stammen aus den mittlerweile zur Legende gewordenen John-Hammond-Sessions, will heißen, aus Aufnahmen, die im Beisein jenes Mannes entstanden, der Cohen in just jenem Jahr auf dem Newport Folk Festival entdeckt hatte. Hammond übrigens war einer der größten Entdecker, zwar nicht Amerikas, aber immerhin einiger seiner besten Musiker. Beispiele: Billie Holiday, Count Basie, der erwähnte Mister Dylan, Bruce Springsteen und Stevie Ray Vaughan.
Die "Lieder aus einem Raum", veröffentlicht 1969, beinhalten unter anderem das geniale "Birds On A Wire" und bieten neben den zehn Songs der Original-LP mit "Like A Bird" eine frühe Version von "Bird On The Wire" und "Nothing To One" ein Joint Venture mit der Folkikone David Crosby.
Das 1971 erschienene Album "Songs From Love And Hate" enthält mit "Joan Of Arc" eine der schönsten Oden an Jeanne d'Arc, mit "Diamonds In The Mine" einen der schönsten Wutausbrüche über einen leeren Briefkasten. Und auch hier ein Bonustrack: das "Full Band"-Arrangement von "Dress Rehearsal Rag".
Entscheidend bei Cohen sind die Worte, nicht die Musik. Er geht sparsam um mit den Instrumenten. Die Cohensche Gitarre fehlt nie. Hie ein Piano, da eine Bluesharp, manchmal Streicher und ein Chor, hin und wieder auch etwas ganz Verrücktes wie ein Schlagzeug. C'est tout. Und die Worte haben es in sich. Sie widerspiegeln eine ganz eigenartige Dialektik, die einer inneren Zerrissenheit des Meisters entspringen mag. So heißt es in dem Song - oder ist es nur ein musikalisch untermaltes Gedicht - "Story Of Isaac": "But I saw an eagle, but it might have been a vulture." Er kann oder will sich nicht entscheiden, ob es nun ein stolzer Adler oder ein aasfressender Geier ist, den er da sieht. Auch der Albumtitel "Songs From Love And Hate" reflektiert dies: Liebe und Hass, die zwei Seiten der einen Medaille, von der einmal die eine unten, ein anderes Mal aber oben liegt. Oder umgekehrt.
Von antifaschistischer Überzeugung - vielleicht als Negation auf seinen unseligen literarischen Erguss "Flowers for Hitler" - zeugt sein zu Herzen gehendes Lied "The Partisan". Der Kämpfer der Rsistance, der morgens noch zwei Kameraden hatte, der am Abend allein war und die alte Frau, die zuvor alle versteckt hatte, und welche die Soldaten erschossen hatten, die starb, ohne etwas zu sagen. Spannend die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit Jesus, wie man sie in den frühen Songs von Simon & Garfunkel findet, die wie Cohen jüdischen Familien entstammen.
Kurzum: Die drei Scheiben sind intellektuelle und musikalische Kurzweil, ohne die man irgendwie ärmer wäre.
Leonard Cohen: "Songs Of Leonard Cohen", CD, "Songs From A Room", CD, "Songs From Love And Hate", CD, Sony BMG Legacy
Quelle: ntv.de