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Manic Street Preachers Manischer Rock

James Dean Bradfield, Sänger der "Manic Street Preachers".

James Dean Bradfield, Sänger der "Manic Street Preachers".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Über die Manic Street Preachers ein pauschales Urteil abzugeben fällt ebenso schwer, wie eine ihrer Platten ohne Betrachtung des Gesamtwerks zu rezensieren. Diese Band widersetzt sich so konsequent den Vorgaben des Marktes, des Massengeschmacks und des Zeitgeistes, dass man sich fragen muss, warum es die Waliser immer wieder in die vorderen Ränge der Charts zumindest in ihrer Heimat schaffen. Angefangen beim grobschlächtigen Powerrock ihres Debüts "Generation Terrorists" über den filigranen Britpop auf "Everything Must Go" bis zum musikalischen Flickenteppich des neuen, insgesamt neunten Studioalbums "Journal For Plague Lovers" offenbaren die drei eine Narrenfreiheit, wie sie von den Plattenfirmen sonst nur Megasellern wie etwa U2 zugestanden wird. Mit einem Unterschied: Die Manic Street Preachers nerven nicht so. Und das, obwohl ihre auch nach außen getragenen politischen Ansichten die eines Bono an Radikalität noch weit übertreffen.

"Journal For Plague Lovers" ist, kurz gesagt, wieder einmal eine ihrer schwierigen Platten. Ideenreich, über dem Durchschnitt der letzten Alben sogar, aber alles andere als geradeaus oder gar zusammenhängend. Die Single "Jackie Collins Existential Question Time" mag dafür als exemplarisch stehen: Furioser Auftakt mit mutig verzerrten Achtelquinten, die so seit Mitte der 80er kein Popmusiker mehr gewagt hat, eine fantastische Bridge, die mindestens eine Stadionhymne vom Schlage einer "Motorcycle Emptiness" erwarten lässt, und dann... nichts. Dieses Prinzip wird beibehalten; unterboten nur noch vom eigentlich versöhnlichen "The Joke Sport Severed", dass aus unerfindlichen Gründen aus zwei völlig identischen Teilen besteht. Einmal akustisch, einmal mit kompletter Band und Streichersatz. Dabei können die Manics – und ich nenne sie liebevoll weiter so – auch anders. Mit "Marlon J.D." steht an verschämter achter Stelle des Albums ein Monster von einem Hit, ein Singlekandidat, der jüngeren Konkurrenten der Post-Franz-Ferdinand-Ära das Fürchten lehren sollte.

Das Cover zum neuen Album.

Das Cover zum neuen Album.

Große Neuerung auf "Journal For Plague Lovers" ist die Verwendung alter Texte ihres vor Jahren verschwundenen und mittlerweile für tot erklärten Exgitarristen Richie Edwards. Der sonst für das Lyrische zuständige Bassist Nicky Wire gab die Kompetenz bereitwillig ab, weil, so sagt er, die Qualität der Zeilen so überzeugend gewesen sei. Mag stimmen. Sätze wie "Crucifiction is the easy life" schreibt man sicher nicht nebenbei. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass viele der Harmonien um die meist nicht mehr als fünf Worte umfassenden Phrasen herumgebastelt wurden. Mit Ausnahme des besagten "Marlon J.D." funktioniert das nur bedingt.

Warum also höre ich "Journal For Plague Lovers" trotzdem so intensiv und häufig? Vielleicht, weil sich Band und Album einem pauschalen Urteil entziehen. Wie immer - seit dem Beginn ihrer Karriere. Und zum Beweis sollte ich mich jetzt über "Generation Terrorists" ärgern, das darauf enthaltene "Motorcycle Emptiness" aber lauthals und falsch mitsingen.

Manic Street Preachers : "Journal for Plague Lovers" Rca Int. (Sony Music)

Quelle: ntv.de

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