Humor gegen den Holocaust Nach dem Überleben
15.10.2007, 11:25 UhrBernice Eisenstein ist 1949 geboren, vier Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges und des Holocaust. Doch Eisenstein ist das Kind von Holocaust-Überlebenden. Was das bedeutet, mag man schon beim Blick auf den Buchumschlag ahnen. Ein schüchternes Mädchen steht da mit einer Puppe im Arm, ihr Schatten sind offenbar die Eltern.
Eisenstein hat ihr schmerzvolles Erbe nicht nur im Schreiben verarbeitet, wo ihr die Worte stocken, zeichnet sie. Das Buch ist eine Mischung aus Comic, schwarzem Humor und sehr eindringlichem Psychogramm. Zunächst macht Eisenstein deutlich, dass das Drama der Vergangenheit sich anfühlen kann wie eine Sucht. Mit der Shoah-Karte macht man die anderen sprachlos und fühlt sich selbst ein bisschen weniger ohnmächtig. Bis weit in ihr Erwachsenenleben verschlingt sie zudem alles, was sie über die Judenvernichtung erfahren kann. Beinahe verzweifelt versucht sie, die Erfahrungen der Eltern wenigstens nachzuempfinden.
Der schwierigste Teil ihres Erbes ist jedoch das Verhältnis zu den Eltern. Das Kind Bernice erlebt immer wieder, das das Band zwischen den Freunden der Elterngeneration durch das gemeinsam Überlebte ungleich stärker zu sein scheint, als die Verbindung zum eigenen Kind. Dabei erinnert sie sich ohne Vorwürfe an ihr Kinderleben inmitten der "Survivors". Statt für das Selbstmitleid entscheidet sich Eisenstein für die Erzählung.
Die jedoch hat es in sich, da berichtet Eisenstein von einer Bar-Mizwa mit allen Freunden. "Da drüben – Norman und Rose sind auch gekommen. Vor dem Krieg hatte Norman Frau und Kind. Aber sie starben im KZ. Rose ist die Freundin, die meiner Mutter mit einem Stück Seidenpapier in Auschwitz das Leben rettete." Mit großer Lebenssehnsucht versuchen diese Menschen wieder normal zu leben. "Meine Eltern sind mit ihren Freunden durch die geteilte Vergangenheit und die gemeinsam aufgebaute Zukunft untrennbar verbunden." Doch am Ende bleibt die schmerzliche Erkenntnis. "Das volle Ausmaß ihres Verlustes bleibt mir für immer verborgen – und vielleicht auch ihnen selbst."
Nahe gekommen ist sie ihren Eltern mit diesem Buch allemal und sich selbst wahrscheinlich auch. Der Holocaust gehört zu ihrer Vergangenheit, weil er zur Vergangenheit ihrer Eltern gehört. Aber da sind auch jüdisches Leben, die Heimat Kanada, Jiddisch, Mann und Kinder, die Kunst und die Erinnerung.
Solveig Bach
Bernice Eisenstein, "Ich war das Kind von Holocaustüberlebenden", Berlin-Verlag 2007, 191 Seiten, 19,90 Euro
Quelle: ntv.de