Konflikte programmiert Papa am Wickeltisch
05.06.2008, 17:32 UhrSie heißen "die neuen Väter". Sie packen mit an und teilen sich Geldverdienen und Kinderbetreuung mit ihren Partnerinnen. Statistiken zeigen: Immer mehr Väter nehmen Elternzeit. Die Neuverteilung von Arbeit und Rollen führt in Partnerschaften häufig aber auch zu Konflikten. Damit sich diese nicht zur großen Krise ausweiten, sollten Eltern ihre Erwartungen und Vorstellungen immer wieder neu besprechen.
Nach Auswertungen des Statistischen Bundesamtes stammten im vierten Quartal 2007 mehr als zwölf Prozent aller Anträge auf Elterngeld von Vätern. Das waren fast doppelt so viele wie noch in den ersten drei Monaten des Jahres. Auch Eberhard Schäfer, Leiter des Väterzentrums Berlin, beobachtet: "Zunehmend mehr Väter entscheiden: "Die Zeit mit meinem Kind gönne ich mir"".
Doch die partnerschaftliche Teilung der Kindererziehung birgt Unsicherheiten und Konflikte. "Die Auflösung traditioneller Rollen bedeutet eine Befreiung, zugleich aber auch eine Entwurzelung", sagt Hans-Walter Gumbinger vom Frankfurter Institut für Sozialforschung. In einer Studie befragte er 1500 Väter zu ihrer Vorstellung von Vaterschaft. Fast alle sahen das Leitbild des "neuen Vaters" als erstrebenswert an. Das Problem sei jedoch, so Gumbinger, dass kein gesellschaftlich definiertes Bild existiert, was konkret ein neuer Vater ist. "Es gibt keine Anleitung, wie die neuen Rollen auszufüllen sind. Junge Eltern sind wie Pioniere", beschreibt die Ehe- und Familienberaterin Gerlinde Gailer aus Halle die Situation.
Konflikte mit neuen Rollenbildern
Wie schwierig es mit veränderten Rollenbildern und einer vermeintlich gleichberechtigten Erziehung ist, zeigt sich auch außerhalb der Familien. "Im Kindergarten heißt es oft "So ein toller Vater, der bringt jeden Morgen sein Kind hierher", und dann rufen die Erzieherinnen im Fall von Krankheit oder Schwierigkeiten doch immer die Mutter an", zitiert Eberhard Schäfer Väter seiner Einrichtung. Und Gerlinde Gailer stellt fest: "Bringt der Vater das Kind ungekämmt und mit zwei verschiedenen Socken in die Kita, ist das witzig, aber bei Müttern wird sehr streng geguckt."
Es gibt wenige Vorbilder, wie mit alten und neuen Rollen umgegangen werden soll. So müssen Eltern immer wieder aufs Neue aushandeln, was mütterliche und was väterliche Aufgaben sind. "Natürlich führt es zu Auseinandersetzungen, wenn Väter mehr und mehr in eine ursprüngliche Frauendomaine eingreifen", erläutert Schäfer. Offensichtlich sei es für Mütter schwierig, dieses Terrain freizugeben. Auch Gerlinde Gailer macht häufig die Erfahrung, dass Mütter trotz hoher Erwartungen an die familiäre Arbeitsteilung Probleme haben, den Vater als gleichberechtigte Bezugsperson ihres Kindes zuzulassen. "Für Mütter ist die Auflösung der engen Mutter-Kind-Bindung eine große Leistung." Häufig spiele die unbewusste Angst vor Liebesverlust des Kindes eine Rolle.
Konkret drehen sich die Konflikte im Alltag um unterschiedliche Vorstellungen von Haushaltsaufteilung, Ordnung und Sauberkeit und den erzieherischen Umgang mit den Kindern. Eberhard Schäfer spricht aus, was Väter am häufigsten nervt: "Er tut etwas - und erhält dauernd gut gemeinte Ratschläge von seiner Partnerin, wie er es besser machen könnte." Väter wollten aber selber herausfinden, wie es geht. "Sie wollen ihren eigenen Stil mit dem Kind leben." Gerlinde Gailer bestätigt, dass sich Männer zurückziehen, wenn wiederholt das Gefühl entsteht "egal, was ich mache - es ist sowieso falsch". Der Rückzug wiederum kann Auslöser für neue Auseinandersetzungen sein.
Nur Gespräche helfen
Einig sind sich die Experten, dass nur Gespräche die Probleme lösen. "Ein Kind ist der größte Anschlag auf eine Paarbeziehung. Die Partner brauchen ein neues Management", sagt Gailer. Wie bei einem neuen Job sollten die Eltern einmal in der Woche eine Teamsitzung machen. "Zehn Minuten redet der eine, der andere hört nur zu. Und dann umgekehrt."
Der Sozialwissenschaftler Hans-Walter Gumbinger plädiert dafür, auch vermeintliche Selbstverständlichkeiten in der Beziehung oder im Familienleben immer wieder zu thematisieren. Häufiger Grund für Missverständnisse seien unausgesprochene Erwartungen oder eingespielte Verhaltensweisen, die zwar immer gleich ablaufen, die Partner aber eigentlich unzufrieden machen.
Eberhard Schäfer sieht die Konflikte, die durch das väterliche Engagement entstehen, durchaus positiv: "Auseinandersetzungen über die Qualität der Erziehung, sind doch besser als darüber, dass der Vater so viel weg ist und alles an der Mutter hängen bleibt"
Michael Lukas Moeller: "Die Wahrheit beginnt zu zweit Das Paar im Gespräch", Rowohlt Taschenbuch, 280 Seiten, 8,95 Euro.
Quelle: ntv.de