Wer bin ich wirklich? "Power Platon" - Gesichter der Macht
08.08.2011, 06:54 Uhr
Muammar Al-Gaddafi: Revolutionsführer und Diktator.
(Foto: © 2011 Platon / courtesy Schirmer/Mosel)
"Das Gesicht eines Menschen erkennst Du bei Licht, seinen Charakter im Dunkeln." Konfuzius' Weisheit trifft gerade auf Politiker zu. Ihre Gesichter wecken Emotionen. Die Persönlichkeit bleibt aber oft verborgen. Nur manchmal kann sie herausgekitzelt werden. Platon ist das gelungen.
Die Gesichter der Macht sind allgegenwärtig. Sie lächeln uns im Internet entgegen, schauen uns mit vielsagenden Blicken aus dem Fernseher an, verfolgen uns auf Werbeplakaten, in Zeitungen, Zeitschriften, auf Bildern und von Häuserwänden. In manchen Ländern sind sie auf Münzen geprägt, auf Briefmarken gedruckt. Sie verfolgen uns auf Schritt und Tritt. Das ist ihre Macht: uns nicht loszulassen.
Der Fotograf Platon Antoniou hat für seinen neuen Bildband den Spieß einmal umgedreht. Ein Jahr lang muss er die Vereinten Nationen beknien, hartnäckig, bis er ihren Segen bekommt, bei der Vollversammlung zu knipsen, Porträts der Mächtigsten der Mächtigen zu machen, die politische Elite der Welt zu fotografieren. Auge in Auge. Ungeschminkt. Direkt.
Demokraten, Diktatoren, Fürsten
Er hat nicht viel Zeit für seine Porträtaufnahmen. Er postiert sich hinter der Wand hinter dem Rednerpult. Jeder Politiker muss zwei Mal an ihm vorbei - vor und nach der Rede. Genau zwei Chancen für Platon. Nur wenig Zeit bleibt ihm, wenige Minuten für je vier bis fünf Aufnahmen.
Fünf Tage braucht der griechischstämmige britische Fotograf für die größte politische Porträtreihe der heutigen Zeit. 101 Männer und 4 Frauen finden sich in ihr wieder. Präsidenten, Premierminister, Revolutionsführer, Fürsten und Könige. Demokraten stehen neben Diktatoren. Friedensaktivisten neben Schreckensherrschern. Harmlose, sympathische, unbekannte Staatsoberhäupter finden sich ebenso wieder wie bedrohliche, angsteinflößende oder die berühmt-berüchtigten ihrer Zunft.
Im Auge des Betrachters
"Auf eine gewisse Art behandle ich sie alle demokratisch", sagt Platon dazu. "Meine Art zu fotografieren vereint sie: die Guten, die Schlechten, die Mächtigen, die Schwachen - alles durcheinander. Das sind die Zeiten, in denen wir leben." Wer der Schlechte, wer der Gute, wer der Schwache ist, liegt im Auge des Betrachters. Er entscheidet allein, mit Hilfe der außergewöhnlich-ästhetischen Bilder Platons.
Die ganzseitig präsentierten Porträts machen deutlich, dass Gesichter zwar viele unterschiedliche Emotionen wecken können, sie gleichzeitig aber nicht viel verraten. Das Auge des Betrachters sieht nur die Oberfläche, die Maske der Politiker, der Macht. Widersprüchliche Persönlichkeiten verstecken sich hinter einem Lächeln (Silvio Berlusconi oder George W. Bush). sorgengeplagte Politiker geben sich optimistisch (Barack Obama). Wieder andere setzen eine bemüht undurchdringliche Miene auf (Wladimir Putin).
Manche schauen direkt in die Kamera, zu sehen ist nur ihr Gesicht, frontal aufgenommen. Andere haben den Oberkörper weggedreht, als ob die Porträtaufnahmen etwas Lästiges wären. Wieder andere präsentieren sich mit ihrem ganzen Körper, in ihrer vollen Pracht.
Kaleidoskop der Macht
Platon schafft es mit seinen unnachahmlichen Bildern, außergewöhnlich intensive und faszinierende Porträts der Macht einzufangen, den Mythos und die Menschlichkeit der Politik zu zeigen. Sein Bildband "Power Platon", erschienen im Verlag Schirmer/Mosel, ist ein Kaleidoskop der Macht, durch das jeder einen Blick werfen darf, ja will - und sollte.

"Power Platon" ist im Verlag Schirmer/Mosel erschienen.
(Foto: © 2011 Platon / courtesy Schirmer/Mosel)
Platons Porträts - für das Bildnis Putins erhält er 2008 den "World Press Photo Award" - werden im Anhang des Buches durch Kurzbiografien zu jedem der hinter dem abgebildeten "Gesicht der Macht" steckenden Politiker ergänzt. Dafür verantwortlich zeichnet der angesehene Journalist, "Pulitzer"-Preisträger und Chefredakteur des "New Yorker", David Remnick, der auch den einführenden Essay zu "Power Platon" verfasst hat.
Der Bildband wird so gewissermaßen auch zu einem kleinen biografischen Lexikon - dessen einziges Manko bei genauerem Hinsehen es ist, dass zwei wichtige Staatenlenker fehlen: Nicolas Sarkozy und Angela Merkel. Letztere wollte sich nicht für das Buch porträtieren lassen. Warum eigentlich nicht? Die Präsidentinnen Michelle Bachelet (Chile), Cristina Fernandez de Kirchner (Argentinien), Dalia Grybauskaite (Litauen) und Tarja Halonen (Finnland) beweisen mehr Mut. Vielleicht wollte Angela Merkel ihr "Gesicht der Macht" einfach nicht zeigen ...
Quelle: ntv.de