Clapton, Fogerty und Plant Rock vom Feinsten
01.11.2007, 13:58 UhrWas passiert, wenn alte Männer Musik machen? Entweder, sie vertun sich, dass man sich die Ohren zuhält. Oder sie hauen auf die Pauke respektive in die Saiten, dass die Heide wackelt. Den Stimmen von Led Zeppelin und Creedence Clearwater Revival ist Letzteres gelungen. Robert Plant und John Fogerty sind der lebendige Beweis, dass der Rock and Roll noch lange nicht tot ist, wie Pessimisten immer wieder lamentieren. Nein, die Musik, die aus dem Bauch kommt, mit der Hand gemacht wird und nur mit dem Herzen zu verstehen ist, hat sogar noch eine Zukunft vor sich. Freilich nur, solange es Interpreten gibt, die in der Lage sind, ihre Seele in die Musik hineinzulegen.
Rockig und kritisch
Beide knüpfen an ihre Wurzeln an, gehen aber weiter. John Fogerty röhrt wie zu Zeiten von CCR. Eigentlich meint man, da habe sich nicht viel geändert. Mag stimmen. Nicht zufällig heißt das Album "Revival, und nicht zufällig hat es einen autobiographischen Creedence-Song. Das ist unprätentiös, aber verdammt ehrlich. Schnörkel liegen dem Mann aus Berkeley/Kalifornien nicht. Der Hang zur Wahrheit hat ihm mit seinem 97er Album "Blue Moon Swamp" einen Grammy eingebracht. Mal schauen, wie die Jury auf das Revival reagiert. Musikalisch ist das Werk tatsächlich die Wiederbelebung von CCR: R ‚n' R pur, Rockabilly und Country. An einer Stelle taucht sogar das Riff aus "Susie Q" auf, dem Swamp-Rock-Klassiker von Dale Hawkins, dem vor Fogertys damaliger Band schon die Rolling Stones zu Ruhm verholfen hatten.
Die Texte der Songs sind dementsprechend: Da wünscht sich Johnny einen Gunslinger, der alle Probleme löst, mit dem Colt natürlich. Da gibt's den Cowboy, der am Ende ist. Aber Fogerty ist beileibe kein unverbesserlicher Nostalgiker. Sein martialischer Präsident regt ihn mächtig auf: In "Long Dark Night beschwört er eine lange, dunkle Nacht, bevor "das alles vorbei; in "I Can't Take It No More wirft er George W. Bush vor, in Sachen Irak gelogen zu haben und munter weiterzulügen. Damit spricht Fogerty das aus, was sich so mancher Washingtoner Kolumnist über Jahre nicht traute. So klar hat sich noch keiner aus der Zunft zu dem Thema geäußert. Kurzum, frei nach einer Textzeile aus dem Creedence-Song: You can't go wrong / if you play some of those Fogerty songs.
Erstklassiges Duo
Robert Plant röhrt nicht wie zu Zeiten von Led Zeppelin. Außerdem hat er ja auch dort nie geröhrt, sondern Klangregister gezogen, die im Feld der Klassik so manchen Koloratursopran neidisch gemacht hat. Der im englischen West Broomwich/Staffordshire Geborene hat sich für sein neues Album die Bluegrass-Violinistin Alison Krauss aus Decatur im US-Bundesstaat Illinois an die Seite geholt, die erst 1971 das Licht der Welt erblickte und es schon auf 20 Grammys gebracht hat. Plant plus Krauss, das ist keine der heuer so beliebten, am Fließband produzierten Duettnummern.
Beide Stimmen ergeben, was Bach wohl einen wohltemperierten Klang genannt hätte. Krauss' Geige ist sicher nicht so virtuos wie die von Hilary Hahn. Aber sie geht nicht minder zu Herzen. Musikalisch bewegt sich die CD querbeet, aber zielsicher durch Rock and Roll, Folk und Country: Großartig, was man aus "Gone, Gone, Gone" von den Everly Brothers noch machen kann. Don und Phil werden sich die Platze ärgern, dass sie nicht selbst auf die Idee gekommen sind. Ex-Byrd Gene Clarks "Through The Morning, Trough The Night" gelangt zu verdienten neuen Ehren. Wahrlich eine Verbeugung vor dem leider viel zu früh von dieser Welt gegangenen Musiker, die tiefer nicht sein könnte. Das gute, alte "Fortune Teller" taucht wie Phönix aus der Asche auf. Wer hat sich nicht schon alles an der Vorlage von Naomi Neville versucht: die Jagger GmbH, klar. Aber auch so vergessene Bands wie die Merseybeats selig.
Bei den ruhigen Tracks sieht man sogar jemanden, der die "Stairways To Heaven" hinaufklettert. Aber es ist nicht der/dieselbe wie vor Jahrzehnten. Schade, dass Jimmy Page nicht mit von der Partie ist. Aber dafür spielt der Zauberer Marc Ribot eine Gitarre, na, habe die Ehre. Produziert ist das Oeuvre von T-Bone Burnett, einem der Renommiertesten seiner Zunft in den Vereinigten Staaten. "Raising Sand" sollte zum Album des Jahres erklärt werden.
Fast das Beste
Eric Clapton ist auch so einer aus der alten Garde. Doch im Unterschied zu den beiden Vorgenannten hat er keine neue Platte gemacht. Hatte ja auch keine Zeit dazu, hat ein Buch geschrieben, das an anderer Stelle in dieser Rubrik schon vorgestellt wurde. Aber er hat sich die Zeit genommen, aus vier Jahrzehnten Klampfe und Gesang das seiner Ansicht nach Beste auf zwei CDs herauszubringen. Es ist ihm gelungen. Fast.
Kein "Best Of Eric Clapton" könnte alle Facetten Gesamtheit seines Schaffens widerspiegeln. Dazu ist der Mann zu komplex. "Complete ..." beginnt bei "the late great Cream", macht mit "Blind Faith" und "Derek & The Dominos" weiter, bleibt dort aber nicht stehen. Folgt so manche Solonummer, die der Bluesfan dem Bluesman übel nimmt, die ihm aber viel Geld eingebracht hat. "Wonderful Tonight", zum Beispiel. Highlights sind die Aufnahmen mit seinem Vorbild B.B. King, "Sweet Home Chicago" aus seiner "Sessions For Robert J." genannten Hommage an Robert Johnson. Und natürlich "Ride The River" vom Album "Road To Escondido", das Clapton jüngst mit J.J. Cale eingespielt hat. Das Geständnis den Sheriff aus Notwehr erschossen zu haben, ist ein "sine qua non" in einer solchen Ausgabe. Immerhin hat Master Eric mit seiner Einspielung des Bob-Marley-Songs dem Reggae in Europa zum Durchbruch verholfen.
Clapton ist nicht "god", Gott bewahre. Aber er ist einer derjenigen, die ein "Rock And Roll Heart" haben. Das können derzeit nur wenige für sich beanspruchen. Robert Plant und John Fogerty. Zum Beispiel.
Quelle: ntv.de