"Entdecke immer etwas Positives" Roland Kaiser, stets auf der Sonnenseite
17.10.2021, 15:47 Uhr
Weihnachtsalbum, Autobiografie, Tour - Roland Kaiser ist momentan mal wieder äußerst präsent.
(Foto: imago images/Future Image)
Roland Kaiser singt uns aus der Seele. Es geht oft um das, was zwischen den Zeilen steht, um Kummer, Erotik, Hoffnung. Dafür wurde er schon oft angefeindet, aber noch öfter gefeiert. Jeder Song des 69-Jährigen schöpft aus der Lebenserfahrung des Sängers, ohne dabei zu viel preiszugeben. Kaiser kam weder als Kaiser noch als Sänger auf die Welt, der gebürtige Berliner machte zunächst eine kaufmännische Lehre und leitete die Werbeabteilung eines Autohauses: Produzent Thomas Meisel entdeckte ihn, den Hobbysänger, fast beiläufig. Was dann ab 1977, folgte, ist deutsche Schlagergeschichte: "Sieben Fässer Wein", "Schach Matt", "Santa Maria", "Lieb' mich ein letztes Mal" und "Dich zu lieben", "Joana", "Midnight Lady", "Ich glaub, es geht schon wieder los", "Manchmal möchte ich schon mit dir", "Lebenslänglich du" - na, genug Ohrwürmer? Und dass "Joana" tatsächlich von Roland Kaiser ist, haben Sie nicht gewusst? Bildungslücke geschlossen. Außerdem schreibt Kaiser Kinderbücher und textete für Peter Maffay, Milva, Nana Mouskouri und Karat. Sein Duett "Warum hast du nicht nein gesagt" mit Maite Kelly erreichte Platinstatus - das macht ihn dankbar und demütig.
Sein Privatleben bewegte uns ebenso wie die Nachricht, dass er seine Karriere als Sänger aufgeben musste, die Lungenkrankheit COPD schien ihm den Boden unter den Füßen wegzureißen. Dann die Lungentransplantation und das Comeback 2011. Darüber berichtete der dreifache Vater ausführlich in seinem Bestseller-Ratgeber "Atempause", um anderen Hoffnung zu geben. Überhaupt geht es dem überzeugten Sozialdemokraten, der inzwischen mit seiner Frau in Münster lebt, oft um seine Mitmenschen: Unter anderem setzt er sich für die Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser ins Berufsleben ein, ist Botschafter eines Kinderhospizes und der "DSO - Deutsche Stiftung Organtransplantation". Wie sehr Solidarität und Gerechtigkeit zählen, das hat er schließlich schon als Junge im Berliner Stadtteil Wedding gelernt. Sein Start - nicht einfach. Denn als er 1952 in Berlin das Licht der Welt erblickte, gab seine leibliche Mutter ihn weg. Ronald Keiler, wie er damals hieß, wuchs bei einer Pflegemutter auf, einer einfachen und warmherzigen Frau - deren Werte ihn bis heute leiten. Kaiser erlebte den Mauerbau genau wie den Mauerfall, er schreibt darüber, wie Deutschland sich veränderte. Und natürlich hat auch er sich verändert. In seiner Autobiografie "Sonnenseite" blickt er nun nicht nur auf sein Leben zurück, sondern lässt immer wieder deutsche Zeitgeschichte Revue passieren. Mit ntv.de spricht Kaiser über seine Tour, sein neues Album und gibt einen kurzen Einblick ins neue Buch, das am 18. Oktober erscheint.
ntv.de: Endlich wieder Konzerte in großen Hallen!
Roland Kaiser: Ja, in manchen Hallen nur mit begrenzter Zuschauerkapazität, aber dass wir überhaupt spielen können, freut uns alle sehr! Es ist eine Situation, mit der wir uns momentan abfinden müssen, Publikum, Künstlerinnen und Künstler. Mich beeindruckt dann, mit welchen Emotionen das einhergeht. Es ist so, als würde man jeden Abend ein Wiedersehensfest feiern.
Es geht eben schon wieder los! Fast wie früher …
Das ist vollkommen richtig. In einigen Städten mussten die Besucher allerdings während des Konzertes Masken tragen.
Aber besser als kein Konzert. Es gibt Berufszweige, da ist die Maske schon immer Pflicht.
Natürlich, das ist richtig. Es gibt Berufe, da ist die Maske Vorschrift. Wir spielen entweder mit 3G- oder 2G-Regel. Ich habe mich jedoch für das Lächeln bedankt, das wir hinter den Masken spüren konnten. Und die Leute haben gemerkt, dass ich dankbar bin, weil sie trotzdem gekommen sind, und dass meine Band und ich auch ihre Situation verstehen. Darum ging es mir.
Alle sind gefährdet, es gibt keine Ausnahmen. Corona macht vor niemandem halt.
Ja, und ich bin wirklich froh darüber, sagen zu können, dass ich nicht gefährdeter bin als andere. Seit ich die Lungentransplantation hatte, bin ich von COPD geheilt. Ich musste mich eben genauso vorsichtig verhalten wie alle anderen: Maske tragen, Handhygiene, Abstand halten. Ich bin zweimal geimpft und wenn es so weit ist, werde ich mich gerne das dritte Mal impfen lassen, einfach, um sicherzugehen.
Finden Sie, dass Prominente, Politiker und Künstler eine Vorbildfunktion haben? Beispiel: Kubickis Corona-Kneipen-Beichte.
In einer exponierten Position, in der man eine politische Verantwortung hat, sollte man mit solchen Äußerungen vorsichtig sein.
Ein neues Album steht an, ein Weihnachtsalbum …
Ja, und es kommt zusammen mit Spekulatius und Weihnachtssternen in die Läden (lacht).
"In the Ghetto" ist darauf - ein, wenn nicht der Elvis-Song. Ganz schön mutig, oder?
Es war am 21. Dezember 1973, als ich den Mund ganz einfach zu voll genommen habe und bei einem Vorsingen im Hansa-Studio behauptete, dass ich diesen Song singen kann. Obwohl ich vorher noch nie gesungen hatte. Mir wurde davon abgeraten, den Song zu singen, ich habe es trotzdem getan - und bekam einen Drei-Jahres-Vertrag.
Hat also gefallen.
Scheint so (lacht). Thomas Meisel von Hansa sagte, ich hätte nicht versucht, Elvis zu kopieren, sondern meine eigene Stimme benutzt. Und jetzt musste ich den Kreis endlich mal schließen. Der Song kommt bei den Leuten sehr gut an und deswegen spielen wir diesen auch auf der jetzigen Tour.
Mögen Sie Überraschungen? Denn Sie wollen mit Ihrem Album ja überraschen.
Nur, wenn sie angenehm sind. Ich wollte ein Weihnachtsalbum machen, das überrascht, das stimmt. Es ist uns gelungen, deutsche und amerikanische Weihnachtsklassiker miteinander auf einem Album zu präsentieren. Wir haben die Songs überwiegend live eingespielt und durch die unterschiedlichen Musikstile ist das Album sehr abwechslungsreich geworden.
Auf dem Album sind Chöre und Live-Musiker vertreten - ein Zeichen?
Naja, vor allem wollte ich den Kolleginnen und Kollegen eine Chance geben, wieder arbeiten zu können nach dieser furchtbaren Durststrecke. Und Chöre sind einfach etwas Beeindruckendes. Da wird jeder Song zu etwas ganz Außergewöhnlichem.
Ein Wort zu Ihren Fans, die sind von 8 bis 80 - wie erklären Sie sich das?
Für mich ist das auch faszinierend, dass Menschen meine Musik generationsübergreifend mögen. Immer noch und schon wieder (lacht). Woran das liegt? Keine Ahnung. Vielleicht daran, dass man zeitgemäße Musik macht, die so klingt, dass sich auch eine nächste Generation daran erfreuen kann. Vielleicht ist das "das Geheimnis".
Und wenn die Hallen und die Open-Air-Locations voll sind …
... ja, natürlich, dann scheine ich in der Auswahl der Titel etwas richtigzumachen.
Was ist das, was Sie am meisten bewegt, wenn Sie auf Ihre lange Karriere zurückblicken?
Die Treue meiner Fans. Und die bereits angesprochene Brücke zwischen den Generationen, die fasziniert mich. Dass sich unsere Show so fantastisch weiterentwickelt, das verdanke ich meinem Konzert-Veranstalter und Partner Dieter Semmelmann.
Hören Sie eigentlich auf Ihre Kinder?
Ich höre Ihnen zumindest sehr gerne zu (lacht), ich habe wunderbare Kinder! Was sie sagen, regt mich sehr oft zum Nachdenken an.
Ihre Autobiografie heißt "Sonnenseite" - auch wenn Sie das gar nicht immer waren, auf der sogenannten Sonnenseite.
Es ist einfach so, dass ich immer das Gefühl habe, auf der Sonnenseite zu sein und ist die Lage auch noch so misslich (lacht). Ich entdecke immer etwas Positives.
Mit Roland Kaiser sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de