Der Euro als Sühne Sarrazin empört sich
22.05.2012, 00:01 Uhr
Ist zurück: Thilo Sarrazin.
(Foto: dapd)
Was haben der Euro und der Nationalsozialismus miteinander zu tun? Jede Menge, meint Thilo Sarrazin. Mit der Gemeinschaftswährung leiste Deutschland Buße für die Verbrechen der Vergangenheit. Das ist zwar Unsinn, lässt sich aber prima verkaufen.
Ein Gewinner der Eurokrise steht bereits fest: Thilo Sarrazin. Der ehemalige Bundesbanker und ehemalige Berliner Finanzsenator hält den Euro zwar für eine naive Idee, sein Buch gegen die europäische Gemeinschaftswährung wird jedoch zweifellos ein Verkaufsschlager und dem Autoren viele Euro bescheren – die er wahrscheinlich in Gold anlegen wird. Oder in Schweizer Franken tauscht.
"Europa braucht den Euro nicht", nennt Sarrazin sein neues Buch, das durchaus als Fortsetzung seines Bestsellers "Deutschland schafft sich ab" durchgeht. Und wie sein Vorgänger wird auch das neue Werk reißenden Absatz finden. Dabei spielt es keinerlei Rolle, dass Sarrazin keine Lösungsansätze bietet, wie wir diese Krise ansatzweise heil überstehen können. Denn seine Fans werden nicht enttäuscht: Das Buch ist gedruckte Kritik an den Eliten. Der Kauf ist Protest gegen das Establishment. Deshalb wird das Werk sicherlich gut verkauft, aber kaum gelesen. Wozu auch?
Keine Lösungsansätze
Statt in die Zukunft zu blicken, beschäftigt sich Sarrazin auf mehr als 400 Seiten vor allem mit der Vergangenheit und bestärkt diejenigen, die den Euro für einen der größten Fehler überhaupt halten. Dabei nennt er durchaus nachvollziehbare Argumente gegen die Gemeinschaftswährung. Schließlich führt uns die Krise derzeit eindrucksvoll vor Augen, dass die gegenwärtige Konstruktion nicht funktioniert.
Doch der Euro ist eine Tatsache. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob er eine gute oder eine fürchterlich dumme Idee war. Wir müssen mit den Folgen leben – und stehen vor einer drohenden Implosion der Eurozone. Es ist eine absolut müßige Frage, ob es Europa auch ohne Euro geben kann oder nicht: Eine Rückkehr zu nationalen Währungen führt nur über Trümmerfelder.
Wie das verhindert, wie die Krise gelöst oder wie der Euro zum Funktionieren gebracht werden kann, darüber ist bei Sarrazin leider wenig Hilfreiches zu lesen: Strikte Geldpolitik, keine Rettungsschirme, keine Staatsanleihenkäufe durch die EZB, kein Bail-Out. Mit dieser Strategie würden wir jetzt den donnernden Zusammenbruch unseres Währungsraumes erleben.
Die Lust am Provozieren
Aber Sarrazin geht es ja auch gar nicht um gangbare Wege. Stattdessen nimmt er die Pose dessen ein, der ausspricht, was ausgesprochen werden muss: Dass der Euro als Sühne für den Zweiten Weltkrieg eingeführt worden sei, Deutschland aus Buße seine eigenen Interessen nicht verfolge und anderen Ländern Milliarden regelrecht hinterherwerfe. Deutschland leide unter einem schlechten Gewissen ob der eigenen Stärke, stellt Sarrazin fest. Zugleich wolle es diese gerne teilen und sich "damit nebenbei aller Schuldgefühle entledigen", die es "zu Recht seit dem Zweiten Weltkrieg plagen und die Freude am eigenen Erfolg schmälern."
Das Dilemma Deutschlands sei das "anhaltende Gefangensein in der Schuld der Nachkriegszeit", schreibt Sarrazin. Auch Angela Merkel sei offenbar "die Gefangene jenes deutschen Nachkriegs-Denkstils, wonach nur ein letztendliches Aufgehen Deutschlands in Europa Deutschland vor sich selbst und die Welt vor Deutschland retten könne." Sarrazin beklagt den "sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben."
Deutschland schafft sich durch den Euro ab, um Sühne für die Verbrechen der Vergangenheit zu leisten? Das ist Unsinn. Statt Denkansätze zur Lösung der Eurokrise anzubieten, erliegt Sarrazin der Versuchung, zu provozieren. Ihm kann das egal sein. Hauptsache, sein Buch verkauft sich gut.
Quelle: ntv.de