Snoopy, Calvin & Hobbes Welten voller Phantasie
27.12.2008, 16:41 UhrNur wenige Comic-Künstler haben es geschafft, sich Freiräume zu schaffen, die ihrer Phantasie keine Grenzen mehr setzen. Charles M. Schulz und Bill Watterson gehören dazu. Mit den "Peanuts" und "Calvin und Hobbes" schufen sie zwei der besten Comic-Serien aller Zeiten.
Der Comic-Strip kann "alles darstellen, was die Phantasie eines Cartoonisten hervorzubringen vermag". Dieser Satz von Bill Watterson steht exemplarisch sowohl für sein eigenes Werk, als auch für unzählige andere Comic-Strips, die seit mehr als hundert Jahren die Leser von Tageszeitungen, aber zunehmend auch von Sammelbänden und Gesamtausgaben erfreuen.
Watterson selbst hat sein Credo auf unnachahmliche Weise in die Realität umgesetzt. Mit "Calvin und Hobbes" hat er eine der besten und beliebtesten Serien der Comic-Geschichte geschaffen, "einen Meilenstein in der Geschichte der Bildgeschichte", wie es Comic-Experte Andreas Platthaus treffend ausgedrückt hat. Schließlich zeichne er sich vor allen anderen Zeitungscomics der Gegenwart durch ein "Vertrauen in die kindliche Phantasie und ihre Glaubwürdigkeit" aus.
Dabei musste Watterson immer darum kämpfen, seine Ideen und künstlerischen Vorstellungen durchzusetzen - was oft genug die Zeitungsverleger gegen ihn aufbrachte. Doch letztendlich konnte er sich Freiräume schaffen, die anderen Comic-Künstlern meist verwehrt bleiben. Dies hat er mit einem seiner großen Vorbilder gemein. Auch "Peanuts"-Vater Charles M. Schulz zählte zu den wenigen Künstlern, die sich inhaltlich und gestalterisch von den starren Konventionen der Zeitungen lösen konnten.
"Magische Welt"
So haben beide zwei der beliebtesten und charmantesten Comic-Helden geschaffen, die je gezeichnet wurden. Zwei Sondereditionen des Carlsen-Verlages laden nun in die Welten der Künstler ein und setzen dem philosophierenden Beagle Snoopy und Calvin, dem phantasiebegabten Sechsjährigen, ein Denkmal.
Mit dem Rotzlöffel Calvin und seinem Stofftiger Hobbes, der ausschließlich in den Augen des Sechsjährigen höchst lebendig ist, zeichnete Watterson zehn Jahre lang an einer "magischen Welt" (wie es im allerletzten Strip heißt), in der Phantasie alles war, in der Raum und Zeit durch einfachste Striche überwunden wurden und die unzählige Leser zum Lachen gebracht hat.
"Calvin und Hobbes - Das zehn Jahre Jubel-Buch" gibt einen sehr schönen Einblick in diese Welt. Der Band kann durchaus als eine Art Best-of angesehen werden, schließlich zeigt er einen Querschnitt der besten Strips, die von 1985 bis 1995 erschienen sind. Jedoch geht er weit darüber hinaus, da er ausführliche Kommentare und Anmerkungen des Autors enthält.
Der Band "Snoopy, der Hund mit den 1000 Gesichtern" nimmt sich in einer großen Auswahl an Strips ausschließlich den verschiedenen Rollen des liebenswerten Beagles der "Peanuts" an. Denn er war natürlich nie der brave Schoßhund, sondern trat mal als Fliegerass des Ersten Weltkriegs, mal als weltberühmter Schriftsteller auf, als furchtloser Pfadfinder, als Anwalt "Legal Beagle" und natürlich immer wieder als "Joe Cool". So wurde er "die menschlichste Gestalt der ‚Peanuts'" (nochmal Platthaus) und der chaotische Mittelpunkt dieses Universums.
Schulz hat mit seinen "Peanuts" einen Klassiker geschaffen, der auch nach über fünfzig Jahren noch begeistert. Von 1950 bis ins Jahr 2000 erschienen die "Peanuts" täglich in Zeitungen. Erst der Tod des Schöpfers beendete die Abenteuer von Charlie Brown, Woodstock, Sally, Lucy, Linus und all den anderen.
Die Gemeinsamkeiten beider Künstler sind offensichtlich: Watterson und auch sein großes Vorbild Schulz zeichnen sich durch einen stark reduzierten Stil aus. Sie entwickelten mit den Jahren eine solche Meisterschaft, beherrschten ihre Figuren so gekonnt, dass es ihnen mit einfachsten Mittel gelang, die Stimmungslage ihrer Figuren zu umreißen.
Monty Python der Comic-Strips
Doch beide Comics haben durchaus ihre Differenzen. Leben die "Peanuts" von ihrer Lakonie, die sie die Verrücktheit des Lebens ertragen und ihre Welt manchmal etwas zu brav erscheinen lässt, kommen Calvin & Hobbes eher als die Monty Python der Comic-Strips daher. So führen bei Watterson der Sechsjährige und sein Tiger todernste Gespräche über die Existenz, über Leben und Tod, während sie mit Schlitten oder Bollerwagen waghalsige Abfahrten unternehmen. Und auch Calvins handfeste Auseinandersetzungen mit seiner Babysitterin Rosalyn wären bei den "Peanuts" undenkbar, schon weil es in deren Welt keine Erwachsenen gibt.
Calvins phantasievollen und urkomischen Abschweifungen im Schulunterricht lassen ihn zum Beispiel zum Raumfahrer Spiff werden, der in seiner Lehrerein Frau Wurmholz (im Original Wormwood) ein lebensbedrohendes Alien sieht, dass bekämpft werden muss. (Die Idee zu einer solchen Figur hatte Watterson übrigens im Deutschunterricht, indem er Raumfahrer Rolf erfand.) Und Watterson ist auch in der Umsetzung der Strips weit mutiger als Schulz. Er sprengt den Rahmen der Panels, variiert und kombiniert sie und unterstreicht damit den anarchischen Charakter seines Protagonisten.
Schulz ist hier wesentlicher einfacher. Was aber keineswegs heißen soll, dass die Phantasie hier zu kurz kommen würde. Vor allem faszinieren die Strips, in denen Snoopy als "weltberühmter Kampfpilot des Ersten Weltkriegs" Jagd auf den "verdammten Roten Baron" macht. Diese eigene Welt innerhalb der "Peanuts" spielt konsequent auf den Schlachtfeldern des Krieges - die Hundehütte wird zur Kampfmaschine, Lucys Haus zum französischen Bistro, in dem Snoopy auf seinen Kontrahenten trifft - und ein Malzbier spendiert bekommt - der Sandkasten wird zur Verbandsstation. Diese unglaubliche Konstellation - der Beagle einer kindlichen Zeichentrickwelt ist ein berühmter Held des Ersten Weltkriegs und spielt diese Phantasie gegenüber seiner Umwelt auch konsequent durch - zählt wohl mit zum Besten, das Schulz gezeichnet hat.
"Joe Cool"
So kann man sich auch diesem eher ruhigen Humor nicht entziehen. Auf über 350 Seiten und in etwa 1000 Strips erlebt der Leser in dem Buch hahnebüchene Abenteuer, lustige Auseinandersetzungen zwischen Snoopy und Charlie Brown sowie tiefschürfende Gedanken. Ob es nun der vor seinem Studentenwohnheim herumlungernde "Joe Cool" ist oder der weltberühmte Schriftsteller, der vor allem mit seinen Schreibblockaden kämpft - die Pointen kommen nicht minder scharf und machen den "Snoopy"-Band zu einem idealen Geschenk für Einsteiger und Fortgeschrittene "Peanuts"-Fans.
Der "Calvin und Hobbes"-Band dagegen ist gleichzeitig eine Art Fazit Wattersons, in dem er über die Entwicklung seines Strips erzählt, über seine Geschichten und Figuren, wie die Strips auf dem Reißbrett entstehen, wie er die Ideen findet und welche technischen Vorgaben es gibt. Nur selten bekommt der Leser einen so direkten Einblick in die tägliche Arbeit und Probleme eines Comic-Künstlers, denn Watterson liefert in den teils ausführlichen Anmerkungen einen intimen, witzigen und selbstkritischen Seelen-Strip.
So ist es für den Leser besonders interessant, wo Watterson eigene Fehler einräumt, über zeichnerische und dramaturgische Missgeschicke spricht, über verworrene Handlungsstränge und überflüssige Figuren. Auch seine teils bitteren Ausführungen über die aufreibenden Zwängen des Genres und den ständigen Termindruck, der nach zehn Jahren schließlich zum Ende der Serie führte, geben einen sonst eher unbekannten Einblick in das Leben eines Comic-Zeichners.
"Ventil für meine Unreife"
Während "Calvin"-Neulinge so durch einige der schönsten Geschichten sicher schnell zu überzeugten Anhängern werden, können sich bereits gewonnene Fans der Serie an unzähligen Hintergründen, Anspielungen und Erklärungen erfreuen. Watterson schreibt, wie Calvin seinen Tiger kennenlernte, wie viel von ihm selbst in Calvin steckt (er ist ein "Ventil für meine Unreife"), dass seine Katze Sprite das Vorbild für Hobbes war und dass er wahrscheinlich der erste Comic-Künstler war, der das Wort Popel in einem Zeitungsstrip verwendet hat. Nicht nur Fans von Comic-Strips sei dieser essentielle Band deshalb wärmstens ans Herz gelegt, sondern allen phantasiebegabten Menschen.
Bill Watterson: "Calvin und Hobbes - Das zehn Jahre Jubel-Buch", Carlsen-Verlag, 208 Seiten, Softcover, 19,90 Euro (D), ISBN 978-3-551-78629-6.
Charles M. Schulz: "Snoopy, der Hund mit den 1000 Gesichtern", Carlsen-Verlag, 352 Seiten, Hardcover, 19,90 Euro (D), ISBN 978-3-551-73432-7.
Quelle: ntv.de