Midnight Oil und Dennis Wilson Zu gut fürs Vergessen
05.07.2008, 14:30 UhrDie Welt des Rock and Roll, des guten und im weitesten Sinne als solcher verstanden, ist voller Perlen, die, schon einmal gefischt, über die Jahre an Glanz verloren zu haben scheinen. Doch der Schein trügt, wie wir wissen. Man braucht, so es sich um Prachtstücke handelt, nur ein wenig zu polieren und schon erscheint alles in noch schönerem Glanz.
Das Album "Diesel And Dust" der Australier von Midnight Oil gehört ganz bestimmt dazu. Viel gute Musik war schon vom fünften Kontinent gekommen, die Easybeats hinterließen mit ihrem "Friday On My Mind" unauslöschliche Spuren. Dann AC/DC, die man mögen kann oder nicht. Oder die neuseeländisch-australischen Crowded House. Oder INXS und Men At Work. Die Truppe um Peter Garrett war die am meisten politisierte. Mit den Songs "Beds Are Burning" und "The Dead Heart" setzten sie Zeichen gegen die schreienden Ungerechtigkeiten, welche die britische Krone bei der Kolonisierung von "down under" begangen hatte.
Soziales Engagement
Selten haben kommerziell erfolgreiche weiße Bands in vergleichbaren Gegenden wie den USA so klar Stellung zu den Verbrechen ihrer Vorfahren gegen die Ureinwohner bezogen wie Midnight Oil. Folgerichtig ist Frontmann Garrett heute Minister der Laborregierung seines Landes. "Legacy"-Ausgaben haben immer ein Schmankerl: In diesem Fall wird die Edition durch eine sehenswerte DVD komplettiert, die die Band bei ihrem sozialen Engagement gegenüber den Aborigenes zeigt. Dabei lernt der Zuseher in der Dokumentation "Blackfella/ Whitefella" auch die indigene Warumpi Band kennen, mal allein, mal im Zusammenspiel mit Midnight Oil. Man fragt sich, warum originär australische Musik die Populärmusik nicht in der gleichen Weise beeinflusst hat wie – beispielsweise – Reggae aus Jamaika einen Eric Clapton oder der Blues aus U.S. die Rolling Stones.
Apropos Einfluss: Man sollte nicht glauben, dass Dennis Wilson, der bei den legendären Beach Boys eine vergleichsweise unbedeutende musikalische Rolle spielte, bei einigen der heutigen Topinterpreten als wichtiger Einfluss genannt wird, so von Richard Ashcroft, Primal Scream oder den Foo Fighters. Dennis’ Bedeutung für die Band wuchs in dem Maße, in dem sich sein Bruder Brian Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre aus der Truppe zurückzog. Alben wie "20/20” (1969), "Sunflower” (1970), "Carl and the Passions” (1972) und "Holland” (1973) tragen seine Handschrift, sind aber kommerziell und musikgeschichtlich weniger bedeutsam als das zeitlose "Pet Sounds" vom Brüderchen. Umso erstaunlicher, dass dem zweitältesten der Wilson Bros. 1977 ein Soloalbum gelingt, das es in sich hat. Brian hingegen fummelt an seinem Albumprojekt "Smile" und kommt damit erst im nächsten Jahrtausend in die Puschen.
Album ohne Surf-Feeling
"Pacific Ocean Blue" hat so rein gar nichts mit Surf zu tun. Lediglich ein paar Ansätze zum Falsettgesang gibt es vielleicht. Dennis, ursprünglich instrumental weniger begabt zeigt hier, dass er einfühlsamer Pianist ist und mithin mehr als nur der Bühnentrommler, der bei Studioaufnahmen häufig durch einen "session man" ersetzt wird. Auch die Stimme klingt – wenngleich manchmal durch Overdubbing – bemerkenswert gut. Gitarren kommen, von einigen Stellen abgesehen, kaum zum Zuge. Stilistisch ist das Album so etwas wie Baroque Rock, Bläser hat’s und viele Streicher. Procol Harum lassen grüßen.
Ergänzt wird die De-Luxe-Ausgabe mit informativem Booklet durch die Aufnahmen zum geplanten Folgealbum "Bambu". Das Vorhaben aber scheitert, weil Dennis Wilson vorher an sich selbst scheitert und 1983 mit Valium und Alkohol im Bauch ertrinkt. Tot sei er schon gewesen, bevor sein Körper starb, sagt eine seiner fünf Ehefrauen. Vielleicht hat dies auch an fehlender Anerkennung gelegen. Die wird Dennis Wilson mit der vorliegenden Edition jetzt mit Fug und Recht zuteil.
Dennis Wilsons "Pacific Ocean Blue" und Midnight Oils "Diesel And Dust”: to good to be forgotten.
Dennis Wilson: "Pacific Ocean Blue", 2CD, Sony BMG
Midnight Oil: "Diesel And Dust”, CD/DVD, Sony BMG
Quelle: ntv.de