"König der Kuchen" aus Berlin Auch in Afrika beliebt
21.12.2005, 14:44 UhrSelbst im afrikanischen Namibia gibt es Liebhaber der feinen Berliner Kuchen aus hauchdünnen Schichten. "Baumkuchen ist der König der Kuchen, da kommen nur die besten Zutaten rein", sagt Ursula Kantelberg, Chefin des Caf Buchwald in der Nähe des Schlosses Bellevue. Seit 1852 ist Baumkuchen das Markenzeichen des kleinen Familienunternehmens, das seit 1900 in Berlin ansässig ist. Konditormeisterin Kantelberg liefert mit ihren sieben Angestellten nicht nur in alle Welt. Die passionierte Afrika-Reisende nimmt auch selbst stets einen Baumkuchen-Vorrat für dortige Freunde mit.
Die Anfänge der Konditorei Buchwald liegen bei Onkel Gustav in Cottbus, wo der Kuchen aus Butter, frischen Eiern, Mehl, Mandeln, Marzipan und einer bis heute geheimen Gewürzmischung das erste Mal aus der Backstube kam. Das Verfahren hat sich nicht geändert: Die erste Schicht der Masse wird auf eine rotierende Walze gezogen, gebacken, dann die nächste aufgetragen, wieder gebacken, noch eine - bis zu 16 Mal. Mit einer Art Kamm erhält die Rolle die Wellenform.
"Die Kunst ist, dass die Masse nicht zu trocken oder feucht ist und keine Luftblasen entstehen - sonst verbinden sich die Schichten nicht und das Ganze fällt runter", weiß die 64-Jährige, die das Kleinunternehmen in vierter Generation führt. Ein aufgeschnittenes Kuchenstück sieht dann tatsächlich wie eine Baumscheibe mit Jahresringen aus. Streng traditionell besteht der Überzug aus Zucker, aber auch Schokolade ist gefragt. Ein Koch von Karl dem Großen soll bei einem Jagdgelage eine "schwere Eiermasse" über offenem Feuer am Spieß gebacken und damit den Baumkuchen erfunden haben.
In der Weihnachtszeit hat der Baumkuchen Hochkonjunktur, aber "wir backen ihn das ganze Jahr", sagt Kantelberg, die 1963 mit 22 Jahren jüngste Konditormeisterin im damaligen West-Berlin war. "Ich bin stolz auf mein Handwerk", sagt sie. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass trotz "Geiz-ist-geil"-Zeiten Qualität gefragt ist. "Das hat sich 'rumgesprochen, Werbung machen wir nicht." Schließlich war schon das deutsche Kaiserhaus Buchwald-Kunde. "Kutschen mit dem Wappen Seiner Majestät fuhren hier vor und holten Baumkuchen", weiß sie aus der Familiengeschichte. Heute muss man für ein Kilo Baumkuchen 32,50 Euro hinblättern. "Ich gebe auch ein Vierteljahr Garantie." Wie viele Kuchen die Traditions-Konditorei verlassen, will Kantelberg nicht sagen, nur: "Uns geht es gut."
Der kleinste Baumkuchen aus der Werkstatt gleich hinter dem Caf wiegt 200 Gramm, das größte Exemplar brachte 10 Kilogramm auf die Waage. Die mit Holzwolle gepolsterten Pakete für Baumkuchen-Freunde in Japan, den USA, China und Australien sind schon längst unterwegs, damit sie zum Fest ankommen. "Wissen Sie, wie der Baumkuchen in Japan heißt?" fragt Kantelberg und gibt selbst Auskunft: "Baumkuchen." Die Japanische Botschaft ist Kunde bei ihr. Auch Star-Tenor Placido Domingo bekommt Baumkuchen von Frau Kantelberg.
Sie ist nicht nur in der Backstube zu finden, sondern serviert im vorderen Caf auch Tee oder Kaffee. An ihren Torten-Spezialitäten kommt man selten vorbei: Verführung aus Mandeln, Sahne und Baumkuchenstücken. Oder Lebkuchen-Torte. "Torte ist der richtige Luxus, wenn man sich selbst verwöhnen will." An Buttercremetorte traue sich zwar heute keiner mehr ran, dafür lägen leichtere Kiwi- und Maracuja-Torten im Trend.
Das Caf in der Bartningallee unweit von Innenministerium und mehreren Gerichten solle so altmodisch bleiben wie es ist, sagt die Chefin bestimmt. Das "Großmutter-Stübchen" mit Sofaecke, Kronleuchter und einem alten Schrank vermittle ein Stück heile Welt. Gern komme auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele vorbei. "Er mag Marzipantorte und Baumkuchen." Und der Journalist Hendrik M. Broder bestelle bei seinen Caf-Besuchen gern Rum-Marzipan-Torte. Geschlossen ist das Caf nur an einem einzigen Tag: Neujahr.
Die Berliner Konditorinnung, in der Kantelberg als Prüferin mitarbeitet, meint: die Branche hat trotz aller Unkenrufe Zukunft. "Konditor ist ein kreativer Beruf und Leute, die Qualität schätzen, sterben nicht aus", sagt Gewerbelehrer Wilfried Sobotta. Und Ursula Kantelberg ist froh, dass nicht nur ihre zwei Töchter bei ihr mitarbeiten, sondern auch die 17-jährige Enkelin Konditorin lernt.
(von Jutta Schütz, dpa)
Quelle: ntv.de