Conditum paradoxum Vorsicht ist geboten
10.12.2009, 02:00 UhrKarla, Martina und ich hatten uns zu einem "Mädchentag” verabredet ("Frauentag” ist begrifflich schon besetzt und "Weibernachmittag” klingt so abwertend). Auf dem Weihnachtsmarkt! Bei Pieselregen und plus 8 Grad in Berlin!
Nun habe ich ja vom König der Kleinkunst Horst Evers gelernt, dass so ein grau-trister Depri-Himmel über Berlin schlichtweg nix ist. Null. Von wegen Belastung! Wir verpimpelte Hauptstädter sollten uns mal nicht so haben und so. Herbst in Niedersachsen - DAS ist Herbst, meint der Evers, die haben da sozusagen ein Depressions-All-inclusive-Angebot. Der Evers muss es ja wissen, der kommt von da.
Um eine anständige Depression zu entwickeln reicht aber voll und ganz das gegenwärtige sogenannte vorweihnachtliche Wetter in Berlin. Dem wollten wir - Karla, Martina und ich - uns aber nicht kampflos ergeben, deshalb … Glühwein und Bratwurst! War nicht so einfach, weil Karla sich standhaft dem Glühwein verweigerte: "Bei heißem Alkohol singe ich immer schmutzige Lieder.” Schade eigentlich, so sind Martina, ich und …zig Weihnachtsmarktbesucher um ein kulturelles Highlight gekommen.
Das so entstandene Glühwein-Defizit konnten Martina und ich auch mit viel gutem Willen nicht vollständig ausgleichen ... Wir haben uns also nur ganz manierlich an den etwa 40 Millionen Liter des "aromatisierten weinhaltigen Getränks” beteiligt, die jedes Jahr den Weg in die Kehlen der Weihnachtsmarktbesucher finden. (Hat aber trotzdem gereicht, ich brauchte zu Hause nur noch Wasser und die Couch.)

Deutschlands erste Glühweinkönigin heißt Nadine Thome und kommt aus Trier.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Es hat auch wahrlich ein breites Qualitätsspektrum, was einem da so angeboten wird. Wer Pech hat, erwischt einen billigen (aber teuer gekauften) Fusel, dessen hoher Zuckergehalt lediglich den mickrigen Geschmack überdecken soll. Um das angekratzte Image des Glühweins aufzupolieren, das solch klebrigem Kopfschmerzverursacher zu verdanken ist, gibt es seit dieser Saison in Deutschland sogar eine Glühweinkönigin.

(Foto: picture-alliance/ dpa)
Zwar ist hierzulande Glühwein mit der kalten Jahreszeit und vor allem mit Weihnachten verbunden, doch Glühwein ist viel älter als das Weihnachtsfest. Schon die alten Römer versetzten Traubentrunk mit Gewürzen, um ihn länger haltbar zu machen. Marcus Gavius Apicius, römischer Feinschmecker und bekanntester Kochbuchautor der Antike, beschrieb "conditum paradoxum", ein durch die Veredelung von Wein mit Zimt, Lorbeer, Nelken, Thymian, Koriander und Honig entstandener Würzwein. 2000 Jahre später wird der heiße Wein in der Adventszeit meist aus verschiedenen Rotweinen gemischt. Dazu kommen Gewürze wie Anis, Kardamom, Muskat, Nelken, Piment oder Zimt.
Wer dem Gebräu vom Weihnachtsmarkt misstraut (vermutlich nach nicht geglücktem "Selbstversuch”), stellt sich Glühwein am besten selbst her. Basis sollte ein guter Spätburgunder, Portugieser oder Dornfelder sen. Auf alle Fälle sollte der Wein auch pur gut schmecken.
Bei den Gewürzen entscheidet der persönliche Geschmack, Zimt und Nelken sollten aber schon dabei sein. Natürlich will ich Ihnen auch heute ein paar "wegweisende” Ratschläge weiser Männer verflossener Jahrhunderte nicht verschweigen:
"Anis soll helfen, wenn es an der nötigen Begierde zu ehelichen Werken fehlt.” (Jacobus Theodorus Tabernaemontanus)
Nelken: "Vier Drachmas gestoßene Nelken in Milch getrunken stärket die Natur und fördert den Venus-Handel.”
Muskatnuss: "In den Muskatnüssen … steckt eine geschlechtliche Stimulationskraft.” (Aigremont)
Kardamom: "Kardamom, diese gutschmeckenden Kapselfrüchte, erscheinen wegen ihres angenehmen würzigen Geruchs und oft feurigen Geschmacks als anregendes und erregendes Aphrodisiakum.” (Aigremont).
Zimt: "Zimmet oder Canel ist lieblich und gesund und ermuntert das Lebens-Geblüt” (Leipziger Kochbuch von 1745).
So, nun wissen Sie Bescheid - ran an den Glühwein! Aber nicht übertreiben, viel hilft auch in diesem Falle eher wenig:
Zutaten:
1 Flasche kräftiger Rotwein
1 Tasse Wasser
½ Stange Zimt
3 Gewürznelken
1 Prise gemahlene Anissamen
1 Prise gemahlene Muskatnuss
4 Stück Würfelzucker
Zubereitung:
Das Wasser zum Kochen bringen. Zucker und Gewürze zugeben, verrühren, aufkochen und 10 Minuten ziehen lassen. Dann den Rotwein zugeben und alles bis kurz vor den Siedepunkt erhitzen. Auf keinen Fall kochen!
Durch ein feines Sieb gießen und möglichst heiß genießen.
Varianten: Geht auch ohne Anis und Muskat. Zum Würzen können auch Piment und Ingwer genommen werden. Auch Schale und etwas Saft von einer Bio-Orange machen sich gut. Ebenso können Mandelblättchen und Rosinen zugefügt werden. Auch ein "Schuss” Weinbrand ist möglich.

(Foto: picture alliance / dpa)
Viel Spaß wünscht Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de