Mit einem Lächeln im Kino Das was? "Das Etruskische Lächeln"!
13.04.2018, 18:51 Uhr
Von Schottland nach San Francisco - ein "culture clash".
Sechsfacher Oscar-Gewinner. Produzentenlegende. Arthur Cohn erzählt mit "Das Etruskische Lächeln" die bewegende Geschichte eines grantigen alten Mannes, der sich aus gesundheitlichen Gründen auf den Weg von seiner abgelegenen schottischen Insel zu seinem Sohn nach San Francisco macht. Sein Leben nimmt eine unerwartete Wendung durch die Liebe zu seinem kleinen Enkel. Erst spät - zu spät? - entdeckt er, worauf es im Leben wirklich ankommt. Cohn ist es gelungen, für diese hinreißende Geschichte eines späten Glücks eine beeindruckende Riege an Schauspielern zu gewinnen. Neben Brian Cox und Rosanna Arquette sind Thora Birch, Tim Matheson, JJ Feild und Peter Coyote zu sehen. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von José Luis Sampedro haben Regie-Newcomer Mihal Brezis und Oded Binnun das Buch in Szene gesetzt. Brian Cox und Rosanna Arquette sprechen kurz vor der Premiere mit n-tv.de, sie kommen gerade von einer kleinen Mittagspause.
n-tv.de: Hatten Sie einen schönen Lunch?
Rosanna Arquette: Ja, danke, ich hatte einen grünen Tee. (kurze Pause) Nein, Quatsch, ich habe Kaffee getrunken, grüner Tee wäre natürlich besser gewesen (lacht).
Klingt nach Claudia, Ihrer Rolle in "Das Etruskische Lächeln".
RA: Ja, ich mochte sie sehr. Am meisten hat mich an der Rolle fasziniert, dass es um bedingungslose Liebe geht.
Claudia muss eine schwere Entscheidung treffen - wie schwer ist ihr das gefallen?
RA: Ich glaube, sie hatte gar keine Wahl. Es geht ja nicht um Mitleid, sondern um Liebe. Die beiden verbindet eine Art kosmische Liebe, etwas, das noch über dem Körperlichen steht und wogegen man sich nicht wehren kann. Bei echter Liebe gibt es nur eine Möglichkeit, und die wählt sie. Außerdem wird sie weich als sie bemerkt, wie sehr er sie umwirbt. Viele Männer sind ja gefangen in sich selbst, aber Rory verändert sich zusehends - nur für sie.
Brian Cox: Ganz ehrlich - solch' einen Film dreht man nicht alle Tage, das ist eine Chance, ein Geschenk. Er hat die Fähigkeit, uns zu berühren. Denn er behandelt ein Thema, das uns alles angeht, vor dem wir uns aber alle drücken: Das Sterben.
Der Film behandelt das Thema recht direkt ...
BC: Ja, aber so ist das. Und das Gefühl, nämlich, dass man dem Thema nicht entkommen kann, das hatte ich bereits, als ich das Drehbuch gelesen habe. Und er,Rory, schafft es, am Ende nochmal die Kurve zu kriegen - also, auf eine gewisse Art und Weise, wir wollen ja nichts verraten.
Da ist so eine Menge Wehmut dabei ...
RA: Ja, weil Claudia sich fragt: Hätte er der Mann sein können, der sie schon seit Jahren glücklich macht? Ich gehe sogar soweit und denke, die beiden kannten sich vielleicht schon aus einem früheren Leben.
Brian Cox: Stimmt alles, aber er verändert sich nicht nur wegen oder für Claudia, auch sein Enkel spielt ja eine große Rolle. Er versucht, die verlorene Zeit mit seinem Sohn innerhalb kürzester Zeit auf irgendeine Art wieder gut zu machen.
Spielt der große Altersunterschied zwischen den beiden eine Rolle?
RA: Probieren Sie es aus (lacht). Ich glaube, dass das ein Thema ist, ja, und ich denke, die Kombination "Älterer Mann - jüngere Frau" ist geläufiger als andersherum, aber wenn es Liebe ist, wirklich Liebe, mal abgesehen vom Bankkonto (lacht), dann ist das schon möglich.
BC: Naja, wissen Sie, über den Tod denkt man ja immer mal wieder nach. Ich habe meinen Vater sehr früh verloren, da war ich acht. Ich habe ihn sehr vermisst. Meine Mutter ist sehr viel später gestorben. Ich war bereits erwachsen und ich vermisse sie noch heute, auch wenn ich damals zuerst das Gefühl hatte, nun tatsächlich frei und erwachsen zu sein. Aber wenn Menschen, die dir nahe stehen sterben, dann ist das die schmerzvollste Erfahrung, die man machen kann. Glaube ich. Der Tod ist also schon immer da in meinem Leben. Ich denke auch manchmal, dass es besser wäre, wenn ich meine Kinder nicht zu oft sehe, weil ich befürchte, dass sie mich dann zu sehr vermissen werden, wenn ich nicht mehr da bin (lacht). Das ist ein bisschen verrückt gedacht, aber solche Gedanken habe ich nunmal. Ich will nicht, dass sie verletzt werden.
Mit diesen Gedanken haben Sie auch den Rory gespielt, nehme ich an?
BC: Ja, aber dieser Film hat mir letztendlich gezeigt, was ich, je älter ich werde umso intensiver empfinde, nämlich die Zeit, die man hat, zu genießen. Mit denen, die man liebt. Der Film weckt die tiefen Gefühle in uns, er bringt uns dazu, uns wieder mit uns selbst zu verbinden. Der Rory erfährt das durch sein Enkelkind.
Die Beziehung zwischen Enkeln und Großeltern hat etwas sehr Leichtes, wenn beide Seiten das wollen, oder? Sie können voneinander lernen.
RA: Also, ich wäre bereit für Enkel!
BC: Ich auch, ich habe vier Kinder und keinen einzigen Enkel! Ich habe zu meinem ältesten Sohn einmal gemeinerweise gesagt, da er mir keinen Enkel schenkt, mache ich mir selbst welche (lacht). Denn seine Halbgeschwister und er haben einen Altersunterschied von dreißig Jahren. Das war gemein, ich geb's zu.
Wie war das, mit diesem süßen Baby im Film zu spielen?
BC: Wie meist bei Filmproduktionen sind das Zwillinge. Und sie waren sehr sehr jung. Und trotzdem konnten die schon so viel. Und sie waren einfach zu süß. Die Eltern der Kinder waren großartig. Die Babys konnten anfangs nicht einmal krabbeln, aber im Film sollen sie aus dem Bett, über das Gitter, hinausklettern. Und es hat ja geklappt. Fantastisch. Es war eine tolle Erfahrung, mit den Kindern zu arbeiten: Es gibt keine Struktur, es ist alles so natürlich, man kann sie nicht trainieren. Kinder sind die besten Schauspieler. Obwohl, ich habe einem kleinen Theo, dem zweieinhalbjährigen Sohn von Freunden, mal "To be or not to be that is the question" beigebracht (lacht). Es war außergewöhnlich! In uns Menschen steckt viel mehr als wir denken!
Wie wählen Sie eigentlich Ihre Rollen aus - Sie haben beide jeweils eine beachtliche Karriere aufzuweisen.
RA: Das kommt auch ein bisschen darauf an, ob ich es mir leisten kann, das auszuwählen (lacht). Also ich meine damit: setze ich den künstlerischen Anspruch über den wirtschaftlichen? Und kann ich die nächste Miete und die Schule meiner Tochter bezahlen? Im Ernst, es gab viele verschiedene Beweggründe, sich auf diese oder jene Rolle einzulassen. Oder auch nicht. Ich habe zum Beispiel "Top Gun" abgesagt, ein wirklich großer Film. Aber damals passte er mir nicht in den Kram, nicht in mein Portfolio. Nun, was soll ich sagen, so eine Attitüde kann man nicht ewig aufrechterhalten, manchmal ist man dann doch froh, wenn man überhaupt etwas bekommt (lacht). Und dann muss man da das Beste draus machen.
Und das gelingt?
RA: Man schwankt manchmal. Ich habe neulich einen Horrorfilm abgelehnt. Ich meine, es gibt so viel Horror in der Welt, und ich habe keine Lust, mich in einer Rolle auch noch damit zu beschäftigen. Ich kann dem nicht mehr so viel Witziges abgewinnen. Ich überlege mir inzwischen wirklich auch, was gut für mein Leben ist, was in mein Leben hineinpasst. Gewalt ist etwas Schreckliches, und Gewalt auch nur in einem Film nervt mich.
Was wird jetzt eigentlich aus dem Film "Billionaire Boys Club"?
RA: Wahrscheinlich gar nichts, liegt auf Eis. Man weiß nicht, wie man damit umgehen soll, nachdem Kevin Spacey letztes Jahr wegen sexueller Übergriffe angeklagt wurde. Das ist alles sehr furchtbar.
Wie gehen Sie damit um? Dürfen wir einen Film von Woody Allen noch ansehen?
RA: Ganz ehrlich? Woody Allen ist mir sch***egal. War er übergriffig? Ja, auf jeden Fall. Will ich ihn dennoch glorifizieren als Regisseur? Das muss jeder selbst wissen. Ich nicht. Roman Polanski hat eine 13-Jährige mit Drogen gefügig gemacht, und sie vergewaltigt. Hat er trotzdem tolle Filme gemacht? Ja, hat er, aber ist er ein netter Mensch? Auf gar keinen Fall, er ist davon gekommen, und das ist abartig. Ich habe und ich werde nie mit Polanski arbeiten, denn es gibt eine Grenze, und die heißt: Man vögelt keine Kinder. Ende. Ich habe auch mit Tarantino abgeschlossen. Ich bin wirklich gegen diese ganze Scheiße (lacht). Sorry! Ich habe überhaupt keine Lust, Filmemacher zu glorifizieren, die solche Scheiße bauen.
Was ist Ihr Rat in diesem Fall?
RA: Das ist mein Rat nicht nur an Schauspieler, das gilt für alle: Es gibt so viel Pädophilie in der Welt, überall. Hände weg von Kindern! Jetzt gibt es "Time's Up", "#MeToo" und so weiter, das ist gut so! Jetzt ist die Zeit, dass die Wunden heilen, nachdem man seine Stimme erheben konnte. Und es geht um Respekt. Es geht darum, darüber zu reden, damit es nicht mehr passiert. Sehen Sie, ich wurde nicht vergewaltigt, aber es ich bin im Laufe meiner Karriere natürlich mit sexuellen Übergriffen "konfrontiert" worden. Und ich kann nur sagen, meine Karriere hat sich natürlich verändert, nachdem ich nein gesagt habe. Sie ging direkt mal den Bach runter. Aber ich bin nicht der Typ, der sich auf so etwas einlässt, bloß, weil es für die Karriere hätte besser sein können.
Dann sind Sie eine besonders starke Person.
RA: Und andere Frauen übrigens auch! Gwyneth Paltrow hat nicht mit Harvey Weinstein geschlafen, obwohl einige ihr das nachsagen, weil sie ja 1999 den Oscar für ihre Rolle in "Shakespeare in Love" bekommen hat. Sie war einfach gut, deswegen hat sie den Oscar bekommen. Und außerdem: Sie war mit Brad Pitt zusammen. Oder war es Ben Affleck zu dem Zeitpunkt? Wer glaubt denn im Ernst, dass sie dann mit einem Typen wie Harvey Weinstein ins Bett gehen sollte?
Zum Glück ändert sich das Bewusstsein gerade, oder?
RA: Ja, besonders Männern ist es klar geworden, dass sie sich stärker positionieren müssen, dass sie das Verhalten ihrer Geschlechtsgenossen nicht einfach so durchwinken können. Viele machen sich natürlich noch ins Hemd weil sie sich fragen: "Oh mein Gott, werden die Geschichten über mich auch noch herauskommen?" Und ich bete, bitte nicht er, oder er. Er kann das nicht getan haben. Ich meine, manche Männer haben auf der anderen Seite inzwischen schon Angst, einen zu umarmen, weil sie denken, man könnte sich sexuell belästigt fühlen. Es ist nicht leichter geworden.
Haben Sie einen Vorschlag, wie man die Zustände ändern könnte?
RA: Vielleicht würde es ja helfen, wenn man die Prostitution entkriminalisieren würde. Damit mache ich mir jetzt keine Freunde, schon klar, aber wenn man die Sexsklaverei - und anderes kann ich das nicht nennen - abschaffen würde, einen der größten Industriezweige der Welt, dann wäre sicher schon viel getan.
Ist man ein Monster oder wird man ein Monster?
RA: Ich glaube, dass Macht viele Männer zu Monstern macht. Es schlummert ihn ihnen, und wenn sie dann Macht haben, dann lassen sie es raus, das Monster. Weil sie glauben, zum Beispiel mit Geld alles regeln zu können.
Zurück zum Film, deswegen reden wir ja eigentlich miteinander.
RA: Ja, und ich habe es geliebt, mit Brian zusammen zu arbeiten. Wir hätten noch mehr Szenen haben sollen!
BC: Ja, vor allem am Schluss!
RA: Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, mit ihm zu arbeiten. Hoffentlich arbeiten wir bald wieder zusammen, denn wir haben wirklich nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was wir wirklich hätten zeigen wollen (lacht).
BC: Wir hatten eine sehr spezielle Chemie. Und ich hoffe auch, dass wir wieder zusammen arbeiten werden.
Haben Eltern eigentlich zu hohe Erwartungen an ihre Kinder? Um diese Beziehung geht es im Film ja auch vordergründig.
BC: Bestimmt. Aber es geht vor allem darum, zu verzeihen. Und Dinge zuzulassen. Ich habe vier Kinder, drei Söhne und eine exzentrische Tochter, ich weiß, wovon ich rede (lacht) und sie weiß, dass ich sie so nenne. Sie einfach so zu lassen, wie sie sind, ihnen nicht ständig sagen zu wollen, was sie zu tun haben, das ist die schwierigste Aufgabe als Eltern .
Mit Rosanne Arquette und Brian Cox sprach Sabine Oelmann
"Das Etruskische Lächeln" (der kryptische Titel wird im Film erklärt!) läuft in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de