Kool Savas präsentiert "Aura" "Deutsch ist wunderschön"
20.10.2011, 15:45 UhrDer "King of Rap" ist zurück: Kool Savas spricht im Interview über sein neues Album "Aura", seine Liebe zur deutschen Sprache und warum er Thomas D. dafür bewundert, auf einem Öko-Bauernhof zu leben. "Es ist das Sinnvollste, das wahre Leben, selber anzubauen und für sein Essen zu sorgen." Savas sieht kein Problem darin, ein harter Rapper zu sein, der lieber auf dem Land wohnt. "Ich bin voller Gegensätze und schizophrener Dinge", sagt der 36-jährige Vegetarier und überzeugte Drogengegner.
n-tv.de: Willkommen in Berlin. Wie ist es, mal wieder in der alten Heimat zu sein?
Kool Savas: Schön, aber es ist immer noch meine Heimat. Meine Eltern wohnen hier, meine Geschwister wohnen hier und ich bin auch wieder sehr viel in Berlin, wenn ich nicht gerade am "Aura"-Album gearbeitet habe. Ich fühle mich sehr wohl hier und fresse mich voll bis zum Gehtnichtmehr.
Aber rein vegetarisch.
Ja, davon gibt es hier Gott sei Dank eine ausreichende Auswahl. Das White Trash etwa wurde mir für vegetarische Burger empfohlen, und das ist auf jeden Fall killer.
Wie gut passt der Vegetarier Kool Savas, der nicht viel Alkohol trinkt, …
… so gut wie gar keinen Alkohol …
… auch sonstige Drogen meidet und in der Underground-Stadt Heidelberg wohnt, mit dem Bild des harten Rappers und Battle-Königs zusammen?
Ich bin voller Gegensätze und schizophrener Dinge, aber ich gebe die einfach zu. Die meisten Rapper führen nicht das Leben, was sie auf Platte konstruieren und darstellen. Wenn du sie privat kennenlernst, merkst du, wie handzahm und nett sie sind – ganz ordentliche Leute oftmals. Ich habe überhaupt kein Problem, das auch nach außen so zu kommunizieren. Ich habe lange in Heidelberg gewohnt, in Paderborn, in Stuttgart; ich habe in Häusern gelebt, in Wohnungen; ich habe Hartz-IV-Style gelebt, habe Luxus erlebt. Das alles ist Teil meines Lebens und ich werde nicht, nur weil das Klischee etwas anderes verlangt, mich deshalb verändern. Ich bin überzeugter Vegetarier, überzeugter Nicht-Alkoholiker und überzeugter Nicht-Drogennehmer. Ich gehe damit sehr offen um und hoffe, dass andere ebenfalls damit ein bisschen offener sein können. Vielleicht auch die Kids, die mich zum Vorbild nehmen.
Also hängt es nicht mit dem Alter zusammen, dass Kool Savas nun mit 36 Jahren etwas mehr Ruhe braucht und ab und zu einen Blick ins Grüne werfen will?
Doch, ich brauche ab und zu Ruhe. Und wenn ich eines Tages Kinder habe, ist meine Vorstellung eigentlich die, dass ich sie nicht in der Stadt aufwachsen sehen will. Natürlich gibt es auch die Gegenargumente, dass sie dann zu weich werden oder zu weit weg von der "kalten Realität" seien.
Du selbst bist in deinen entscheidenden Teenager-Jahren in der Großstadt aufgewachsen. Glaubst du nicht, dass du mit deinen eigenen Erfahrungen ihnen den richtigen Weg zeigen könntest?
Wozu? Die Frage ist doch, ob sie das brauchen. In einer technisch so hochgerüsteten Welt, in der eigentlich alles aus Beton besteht, ist der eigentliche Luxus, die Natur wieder zu entdecken und genießen zu können. Jeder, der mal ein paar Wochen auf dem Land verbracht hat, wird merken, wie man dort runterkommen und in irgendeiner Form zu sich selber finden kann – wie auch immer man das jetzt beschreiben will: Du blendest die ganzen, teils sinnlosen, Einflüsse weg, und du bist komplett bei dir. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Gerade für Kids ist es übertrieben wichtig, dass sie das haben dürfen. Später werden sie sowieso machen, was sie für richtig halten.
Wirst du etwa zum zweiten Thomas D. und lebst bald auf einem Öko-Bauernhof?
Ich finde nicht falsch, was er macht. Man kann darüber denken, was man will, aber Fakt ist: Nur weil einer aus seiner Rolle fällt, heißt das nicht, dass es nicht gut ist. Ich respektiere es sehr, dass er das so konsequent durchzieht. Es kommt halt nicht cool, zu sagen, ich habe einen Öko-Bauernhof. Das klingt scheiße. Aber eigentlich ist es das Sinnvollste, das wahre Leben, selber anzubauen und für sein Essen zu sorgen. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum Menschen in Nepal keine Psychosen bekommen. Denn sie müssen sich mit echten Problemen auseinandersetzen und nicht damit, wie gerade ihr Freundeslevel auf Facebook ist.
"Ich kann noch lange rappen", hast du in einem Interview Anfang des Jahres zu der Frage gesagt, wie schnell Kool Savas das Mic an den Nagel hängen wird. Für dich gibt es keine Altersgrenze im Hiphop. Wie ist es denn, als Rapper zu reifen?
Interessant. Zum einen die Reaktion der Leute, zum anderen für einen selbst und noch besser ist es, wenn reife Leute dich als Rapper auch kennen und wahrnehmen. Für mich selbst ist es ja ein Experiment, weil wir die ersten Rapper sind, die so alt werden. Jay-Z wird wahrscheinlich der erste Rapper sein, der mit 50 Jahren noch so erfolgreich ist. Es ist schön, das jetzt auszuprobieren. Später wird das gang und gäbe sein. Vielleicht wird Rap später auch so etwas wie Jazz heute sein, total spießig, weil dann alle auf Dub-Elektro-Hardcore-Step-Boogie-Funk abgehen.
Das heißt, dir wäre es nicht unangenehm, wenn nicht nur Teenager zu deinen Konzerten kommen, sondern deine Fans mit dir reifen und weiter in der ersten Reihe stehen?
Das ist doch das Beste, was passieren kann. Ich würde mich freuen, wenn Standard-Erwachsene, irgendwelche Rosenstolz-Hörer, wenn die sagen: Ey, ich höre auch Kool Savas, weil er echt krass ist, mit Worten unglaubliche Dinge macht und Silben so setzt, wie das einfach kein anderer kann. In den USA geht das ja auch, da hören Erwachsene Jigga oder Lil Wayne. Da wird im Fernsehen eben auch über die lyrischen Qualitäten eines Eminem gesprochen.
Ist es deshalb wichtig zu zeigen, dass man das Niveau textlich, vom Rap-Flow und musikalisch weiterentwickeln kann? Dass man, ohne es abschätzig zu meinen, mehr als Battle-Rap nach dem Motto "ich bin der Geilste" kann?
Bis zu einem gewissen Maß ja. Aber es ist auch wichtig, dazu zu stehen und zu sagen: das ist Hiphop. Jeder findet es doch auch ganz normal, dass zweimal elf Leute auf den Platz gehen und einem Ball hinterherrennen. Und das seit Jahrzehnten. Die Leute finden es trotzdem irgendwie interessant. Verglichen mit Battle-Rap ist das intellektuell gesehen keine große Kunst. Hardcore-Rap hat nun einmal mit Wettkampf zu tun, mit Battlen. Aber genau so viel hat es auch mit Wortwitz zu tun. Ich finde beispielsweise deutsche Comedians überhaupt nicht lustig, aber deutsche Rapper schon. Die haben die besseren Witze. Aber ein Ingo Appelt wird trotzdem mehr gefeiert als jeder Rapper. Das ist doch absurd. Ich kann über Mario Barth nicht lachen. Aber bei Rappern schon, wenn die gut sind und einfach eine miese Line (Textzeile) gebracht haben, die einfach Sinn hat.
Findest du die Berliner Rapper K.I.Z. witzig?
Ja, die haben lustige Einfälle. Ich finde es zwar schade, dass sie alles auf die humoristische Ebene heben und einfach alles veräppeln. Es ist in Teilen auch ein sehr arroganter Humor, der sich über andere hinwegsetzt. Aber ich mochte zum Beispiel den R.-Kelly-Cover-Remix "Was willst Du machen?". Es ist nicht immer mein Humor, aber ich verstehe ihn. Und so wie sie das machen, ist es auch witzig.
Nun kommt dein Album "Aura" heraus und wir werden darauf den Kool Savas des Jahres 2011 hören. Wie würdest du ihn beschreiben?
Absolut selbstbewusst, technisch in Höchstform und freier und bestimmter als früher.
Bei der Live-Vorstellung in Berlin hast du "Aura" als dein bislang persönlichstes Album bezeichnet. Warum – und hattest du das von Anfang geplant?
Ich habe geahnt, dass es so wird, aber ich habe es nicht unbedingt so geplant. Ich wusste, was ich für eine Atmosphäre rüberbringen wollte. Bei Besprechungen, auch für Videos, habe ich immer Stichworte gesagt wie Highlander, Gladiator, Allmacht, irgendwie episch, es darf auch pathetisch sein. So ist der Song "Aura": Es fühlt sich an wie ein Krieger, der nach der Schlacht auf dem Feld steht, die Sonne geht auf und er zieht sein Resümee und schaut, was übriggeblieben ist. Und so fühlt sich "Aura" an. Ein Album ist ja gewissermaßen immer ein Schlussstrich, auf dem man seine Erlebnisse verarbeitet. Jetzt habe ich in einem gewissen Maß alles nachgeholt, was ich über die vergangenen Jahre ausgelassen habe, gerade auf persönlicher Ebene.
Bei dem Song "Nichts bleibt mir" trägt dein Vater ein türkisches Gedicht vor. Was sagt er, und warum wolltest du ihn gerne auf dem Album haben?
Erstens wollte ich ihn für mich als Andenken haben, auch, um das mal gemacht zu haben. Zweitens, weil der Song das beschreibt, was ich von meinem Dad gelernt habe. Und drittens hat er das Gedicht für mich geschrieben, als er in der Türkei im Knast war. Darin sagt er, das Leben ist wie ein Fluss, und wenn du ein Fisch darin bist, wird es nicht immer leicht sein, gegen die Strömung anzukommen; und es scheint manchmal aussichtslos, aber wenn du dich wie ein Frosch hinter einem Stein versteckst und behauptest, ein Fisch zu sein, bist du kein Fisch, sondern nur ein fischgesichtiges Wesen mit der Seele eines Frosches. Im Endeffekt heißt das: Du musst Widerstand leisten und für etwas kämpfen, für deine Überzeugungen einstehen. Das muss einem bewusst sein. Wenn man sich nur treiben lässt und einem alles egal ist, ist man halt ein Frosch, der sich hinterm Stein versteckt und Angst hat, sich zu beweisen.
Bemerkenswert ist auch der Song "LMS 2012", der zum einen vom Titel her an deine frühe Phase zu "Pimp-Legionär"-Zeiten erinnert, zum anderen ist er eine Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo, mit dem du für nächstes Jahr ein gemeinsames Album geplant hast. Steht der Song für den Sound dieser Zusammenarbeit?
Eigentlich will ich dazu noch gar nicht so viel verraten. Ich kann nur sagen, es ist sehr unterschiedlich, was wir bislang haben. Die Tracks gefallen mir sehr gut, sie machen sehr viel Sinn für uns beide, es klingt nicht aufgesetzt.
Vom Sound her klingt "Aura" ein bisschen nach gutem altem 90er-Jahre-Hiphop. Überhaupt geht gerade eine große back-to-the-roots-Welle durch die deutsche Rap-Szene. War das eine bewusste Entscheidung von dir?
Dieser Klang war einfach das einzige, was ich gerade machen konnte. Ich habe mich nicht großartig inspirieren lassen für das Album, aber wenn, dann nur durch den Golden-Era-Hiphop der 90er Jahre: Nas, Boot Camp Click, Funk Doobiest und so weiter. Dieser Sound klingt so wertig. DJ Smoove hat den Vibe von den alten Sachen gemischt und zum Beispiel Drums von neuen Sachen eingebaut. Dabei ist eine Verknüpfung entstanden, die mir sehr gut gefällt und für mich sehr logisch und sinnvoll klingt.
Bei einem Song geht es sogar bis in die 80er Jahre zurück: "King of Rap" mit dem Sample von "The Message". Eher eine zufällige Spielerei oder doch eine bewusste Entscheidung?
Es ist wie der ganze Song: Ich meine ihn ernst, aber auch ein bisschen als Witz. Er bedient auf der einen Seite alle gängigen Rap-Klischees, ist aber zugleich sehr modern. Meine Lyrik ist ebenfalls sehr einfach gehalten, zugleich aber mit den abgeschnittenen Enden als Stilmittel modern. Es ist auf jeden Fall der Song, der am stärksten aus dem Konzept von "Aura" herausbricht. Der Track soll vor allem Spaß machen.
Gleichzeitig gibt es Künstler wie Casper, die das Hiphop-Genre stark ausdehnen und mit neuen musikalischen Einflüssen vermischen. Empfindest du das als Bereicherung?
Das ist auf jeden Fall nicht schlimm, völlig okay, weil es so vielseitig ist. Aber für mich ist es ehrlich gesagt kein Hiphop mehr. Aber von Casper erwarte ich ja auch nichts anderes. Ich glaube auch, dass er nicht erwartet, von den Hiphop-Liebhabern zu Tode gefeiert zu werden. Man darf zudem auch nicht vergessen, worauf das, was er macht, hinzielt: Das muss kommerziell erfolgreich sein. Denn mit der Maschinerie, die dahinter steckt - wie viel Geld die da hineingeballert haben, können die sich alles andere gar nicht leisten. Und die wissen, wenn Casper ein echtes Hiphop-Album machen würde, verkauft er nur fünf- oder zehntausend Stück.
Angesichts der ständigen Integrationsdebatten in Deutschland: Wie sehr verschafft es dir eigentlich Genugtuung, dass du als türkischstämmiger Mann als der beste deutschsprachige Rapper giltst?
Das ist geil, ich finde das lustig. Das entwertet diese ganzen tendenziell rassistischen Sprüche von den Leuten. Ich bin sehr stolz darauf und fühle mich wohl damit.
Nimmst du diese Debatten wahr?
Ich hasse diesen ganzen Müll. Dieses Thema sollte eigentlich gar kein Thema sein. Die sollten über ganz andere Sachen sprechen, etwa welche Jugendprogramme sie fahren können oder wie sie Familien aus sozialen Unterschichten unterstützen können. Dabei spielt doch die Herkunft keine Rolle. Die können mir doch nicht erzählen, dass ein arabisch- oder türkischstämmiger Jugendlicher schwerer von Begriff ist oder dass es unwahrscheinlich ist, dass so einer studieren kann. Das ist doch kompletter Unsinn. Jeder kann sich doch aussuchen, ob er ein Kopftuch trägt oder nicht. Das kann doch nicht über Monate das beherrschende Thema sein und zum Cover vom "Spiegel" werden. Das ist einfach eine Unverschämtheit. Die sollten sich freuen, dass wir in einem Land leben mit so vielen verschiedenen Leuten. Und wir sollten daraus unser Kapital schlagen. New York ist nur New York, weil dort so viele Menschen zusammenkommen. Dort ist es egal, woher du kommst, ab dem ersten Tag bist du ein New Yorker. Was daran schlimm sein soll, dass Menschen ihre Kultur leben, die natürlich auch mit Sprache und Aussehen zu tun hat, verstehe ich nicht. Man sollte lernen, dafür offen zu sein. Dieses Land gehört ja nicht nur uns, so wie die ganze Welt.
Kannst du dich noch erinnern, wie du deine Liebe zur deutschen Sprache entdeckt hast? In "Die Stimme" erwähnst du zum Beispiel Lesewettbewerbe in der Schule.
Das kommt noch aus der Grundschule, wo ich Aufsätze geschrieben habe. Das mochte ich immer schon. Ich fand die deutsche Sprache auch nie peinlich. Ich bin zwar kein Sprachexperte, kenne einen Großteil der Begriffe wie Adjektiv, Substantiv und so nicht. Ich bin eigentlich schlecht in Deutsch, ich kann es nur sprechen und versuchen, aus meinem einfachen Repertoire an Worten etwas zusammenzuwürfeln, und das möglichst mit so vielen Emotionen zu füllen, dass es ankommt bei den Leuten. Ich liebe Deutsch, es ist wunderschön. Wenn jemand schön reden kann, darf es ruhig auch mal ein … nein, das darf ich jetzt nicht sagen. Aber dann höre ich mir auch mal jemanden wie Friedrich Merz oder diverse andere Leute an, die totalen Müll von sich geben. Wenn sie gut reden können, gefällt es mir tatsächlich, dabei zuzuhören. Ich entspanne auch dabei.
Mit Kool Savas sprach Till Schwarze
"Aura" von Kool Savas erscheint am 11.11.2011. Die gleichnamige erste Single wird am 21. Oktober veröffentlicht.
Quelle: ntv.de