Kino

Highwater – Surfen am Limit Die heiligen Wellen der North Shore

Das Big Wave Surfing gehört zur hohen Kunst des Wellenreitens.

Das Big Wave Surfing gehört zur hohen Kunst des Wellenreitens.

Regisseur Dana Brown ist in der Surf-Film-Szene so etwas wie der Martin Scorsese der Extremsport-Dokus. Mit seiner Kamera macht er sich auf die Suche nach der absoluten Welle in der North Shore und nach den Menschen, die sie zu bezwingen suchen, unter ihnen Surf-Stars wie Kalani Chapman, David Sanderson und Kelly Slater.

Hawaii ist bekannt als die Geburtsstätte des Big-Wave-Surfens.

Hawaii ist bekannt als die Geburtsstätte des Big-Wave-Surfens.

Eine Handkamera hat die Spitze eines Surfboards im Blick, das über die glatte Wasseroberfläche gleitet. Ab und an spritzt die Gischt über die Brettspitze und eine Stimme aus dem Off fängt an, über die die Geschichte des Wellenreitens zu philosophieren. Es ist die Frage nach der Veränderlichkeit der Welt und ob sich in dieser immer schneller werdenden Zeit auch die Wellen verändert haben oder ob ihnen schon immer diese bedeutungsvolle Bedeutungslosigkeit anhaftete. Ob es einen Ort in dieser Welt gibt, wo die Realität außer Frage steht und die Wahrheit mehr bedeutet, als den besten Spin zu haben.

Im ersten Moment glaubt man hier weniger an eine Dokumentation von einem der renommiertesten Dokumentarfilmer der Surferszene, sondern fühlt sich an einen Dogma-95-Film von Lars von Trier oder Thomas Vinterberg erinnert. Doch noch bevor der Gedanke richtig zu Ende gedacht, ist fängt Regisseur Dana Brown, an ein Bildfeuerwerk zu erschaffen, das weder mit Schnitten noch mit Überblendungen geizt, um dem Zuschauer in eine Welt zu entführen, die ebenso magisch wie verrückt ist.

Die legendären Winterwellen an der Nordküste (North Shore) locken die besten Surfer der Welt an.

Die legendären Winterwellen an der Nordküste (North Shore) locken die besten Surfer der Welt an.

Surfer stürzen sich mit ihren Boards in bis zu zehn Meter hohe Wellen, um dann kopfüber, begleitet von den Angstschreien der Zuschauer, in die Tiefe zu stürzen. Nichts zeigt das hehre Bild des gekonnten Gleitens durch die Tube. Nichts vermittelt den Spaß, den andere Ansichten des Surfens gemeinhin vermitteln. Und doch haftet diesen Bildern etwas Magisches an. Denn etwas muss es geben, das die "Wahnsinnigen" treibt, sich diesem wilden und unberechenbaren Treiben der Natur auszusetzen.

Und tatsächlich: Nur einen Moment später kommen sie. Bilder von Surfern, die auf der Spitze der Welle reiten und das sonnendurchflutete Wellental durchpflügen. Die unter dem Applaus der Massen mit den glücklichsten Gesichtern der Welt an den Strand zurückkehren.

North Shore ist ein Mekka

Das Mekka eines jeden Surfers ist die North Shore an der Nordküste der Hawaii-Insel O'ahu. Hier findet auch der "Triple Crown Contest" statt, der wohl mit Abstand härteste Surf-Wettbewerb der Welt. In der North Shore treffen sich die Weltklasse-Surfer, um herauszufinden, wer der Beste ist. Für sie ist die Reise dorthin eine Pilgerfahrt ins gelobte Land. Eine Reise ins Mekka des Big-Wave-Surfens.

Doch für Brown ist die North Shore mehr. Es ist der schönste Ort der Welt, dem etwas Kolossales anhaftet. Eine Realität, die sich nicht verbessern lässt. Es ist einer der wenigen Orte auf dieser Erde, so Brown, der die ewige Frage nach dem Warum mit der stummen Eloquenz seiner bloßen Existenz beantwortet.

Die größte Veranstaltung, der Vans Triple Crown of Surfing, wird jedes Jahr an dieser Küste abgehalten.

Die größte Veranstaltung, der Vans Triple Crown of Surfing, wird jedes Jahr an dieser Küste abgehalten.

Brown selbst wurde schon von seinem Vater Bruce Brown mit dem Surf-Virus infiziert. Er gehörte in den 1960er Jahren zu den größten Big-Wave-Surfern und war einer der angesagtesten Filmemacher der Szene. So verwundert es kaum, dass sein Sohn in die Fußstapfen des Vaters getreten ist. Mit dem Unterschied, dass Dana Brown für sich befand, dass seine Filme über das Surfen besser waren als seine eigenen Ambitionen, als Big-Wave-Surfer Karriere zu machen. Jetzt ist Dana Brown wieder an der North Shore gelandet und versucht, wie seinerzeit sein Vater, die Wahrheit über dieses Naturspektakel und die Surfer einzufangen, die es an diesen Ort zieht wie die Motten zum Licht.

Ruhm, Ehre, Geld

In den letzten sechs Wochen des Jahres werden an der North Shore die letzten drei Wettkämpfe einer ganzen Serie ausgetragen, die darüber entscheiden, wer von den 150 Surfern der beste ist. Diejenigen, die hier die Launen der Natur herausfordern, haben alle die gleichen Gründe, warum sie es tun: Ruhm, Ehre, Geld. Eine Welle kann alles entscheiden, man muss sie nur bekommen. Insofern ist die North Shore für viele ein heiliger und ein gefährlicher Ort mit den größten surfbaren Wellen auf der Welt.

Trotz aller Konkurrenz sind die Surfer eine eingeschworene Gemeinschaft.

Trotz aller Konkurrenz sind die Surfer eine eingeschworene Gemeinschaft.

Die Wettkämpfe finden wie bei einem Golf-Turnier in mehreren Abschnitten statt. Doch anders als dort werden hier die Ausscheide über 14 Tage gestreckt, um das Big-Wave-Potenzial immer wieder zu steigern. Die Wettbewerbe starten absolut unspektakulär. Keiner singt eine Nationalhymne, keine Fahnen werden geschwenkt. Die Surfer begeben sich einfach ins Wasser und haben 20 Minuten Zeit, die Wellen zu bezwingen. So geht es den ganzen Tag. Vom Strand sieht es locker aus und dieses Gefühl vermitteln auch Browns spektakuläre Bilder. Aber dahinter steckt hartes Training und eine immense Anstrengung.

Wer die Welle reitet, ist frei

Einer der Helden des "Triple Crown Contest" ist der Hawaiianer Sunny Garcia. Der sechsfache Meister ist nach 20 Jahren das letzte Mal bei dem Wettkampf dabei. Er steht stellvertretend für die Geschichte der North Shore und so ist es für Brown ein Leichtes, um diesen charismatischen Mann seine Geschichte zu stricken.

"Highwater" von Regisseur Dana Brown

"Highwater" von Regisseur Dana Brown

Sunny steht für die Surfer, die aus sehr armen Verhältnissen kommen und für die die North Shore eine Chance ist, aus dem Elend herauszufinden. Etwas, was sie zusammenschweißt und wie eine soziale Einheit über die Wellen reiten läst. Dabei sind es keine Revolutionäre. Vielmehr wollen sie sich mit dem Board freischwimmen. Denn wer an der North Shore auf der richtigen Welle gesehen wird, der bekommt Sponsorenverträge und kann en Leben führen, das ganz und gar auf die Welle ausgerichtet ist. Nichts kann den Alltag trüben.

Doch etwas: Der Kampf in der Arena der Wellen fordert seinen Preis. Nirgendwo in der Welt sind mehr Surfer ums Leben gekommen als in der North Shore. Surfer meinen, dass das wohl die dichteste und intensivste Stelle der Welt ist. Nur wenige Meter trennen den Wellenreiter von einem zerklüfteten Korallenriff und wenn ihn sein eigenes Board im Line Up erwischt, droht es ihn zu erschlagen. Die starke Brandung erzeugt eine unglaubliche Strömung und die Surfer müssen unentwegt in Bewegung bleiben, um ihre Position halten zu können. Ein verlorenes Board ist binnen weniger Sekunden weg.

Es ist die Leidenschaft an der Gefahr

Brown resümiert, dass Surfer keine normalen Menschen sind. Sie entdecken schon in jungen Jahren die Leidenschaft an der Gefahr. Und das gilt nicht nur für die Männer. Seit vielen Jahren gibt es etliche Frauen, die sich in der North Shore auf ihren Boards nichts schenken. Und trotz aller Wettkampfaggressivität ist die Surfergemeinde ein eingeschworener Haufen, in dem man sich gegenseitig hoch- und vor allem zusammenhält. Sie ist wie eine große Familie.

Doch irgendwann ist es auch mit der North Shore vorbei. Die Konkurrenz wird jünger, besser. Und ob man will oder nicht, gehört man eines Tages zum alten Eisen.

Die einen schaffen es, in der Shore zu bleiben, weil sie genug verdient haben. Die anderen landen in Büros und versuchen einmal im Jahr nach Hawaii zu reisen, um an das anzuknüpfen, was einst ihr Leben war und sie wahrscheinlich bis zu ihrem Tod nicht mehr loslassen wird. Doch was auch immer passiert, sie werden immer ein Teil der Familie der North Shore bleiben und sich in Demut vor der Welle verneigen.

Quelle: ntv.de

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