"I'm a 90's bitch" Icona Pop, wir lieben es
18.04.2013, 11:30 Uhr
Nicht blond, trotzdem Schwedinnen: Aino Jawo (l.) und Caroline Hjelt alias Icona Pop.
(Foto: Hedvig Jenning / Warner Music)
"I crashed my car into a bridge, I don't care, I love it!" Kriegen Sie den Song zu dieser Textzeile auch nicht mehr aus dem Schädel? Den Ohrwurm hat uns das schwedische Frauen-Duo Icona Pop eingepflanzt. "Sorry" ist aber mal das Mindeste, das uns die beiden Mitglieder Caroline Hjelt und Aino Jawo dazu im n-tv.de Interview sagen mussten.
n-tv.de: "Icona Pop" - das ist italienisch und bedeutet übersetzt "Popstar". Ist es wahr, dass Carolines Mutter die Idee für den Namen hatte?
Caroline Hjelt: Ja, sie aß mit ein paar italienischen Freunden zu Abend. Sie sprachen über unser Projekt. Und die Freunde meinten auf Italienisch: "Ah, dann werden sie also die nächsten Popstars." Wir hatten uns zuvor lange den Kopf über einen Namen zerbrochen und unsere Freunde und Familien gefragt, ob sie nicht eine Idee hätten. Als wir das dann hörten, war klar: Icona Pop - das passt.
Aino Jawo: Das mit dem Namen ist echt nicht einfach. Man will ja, dass er einen in gewisser Weise repräsentiert. Für uns waren Leute wie Prince oder David Bowie immer große Helden. Von daher glaube ich, dass Icona Pop ein wirklich guter Name für uns ist.
Als Carolines Mutter den Namen vorschlug, konnte sie aber natürlich nicht wissen, was passieren würde …
Beide: Nein! (lachen)

Musikalische Helden sind für sie zum Beispiel Prince und David Bowie.
(Foto: George Harvey / Warner Music)
Was denken denn eure Eltern heute über eure Karriere? Haben sie euch unterstützt?
Aino: Ja, immer. Wenn die Musik die größte Liebe deines Lebens ist, muss das auch so sein. Man muss sich selbst treu bleiben. Es ist mein Leben! Und unsere Mütter sind die stärksten und tollsten Frauen, die man sich nur vorstellen kann.
Caroline: Sie sind unsere größten Vorbilder. Und ich glaube, wenn wir glücklich sind, sind es unsere Familien auch. Sie haben uns schließlich auch unglücklich gesehen. Wir machen das ja nun seit vier Jahren. Da gab es auch wirklich harte Zeiten. Für eine Mutter muss es sehr frustrierend sein, nichts tun zu können. Aber als sie uns fragten, ob wir nicht nach Hause kommen wollen, sagten wir: "Nein, wir wollen weitermachen." Sie meinten dann: "Okay, dann solltet ihr es auch tun. Go Girls!"
Ihr nennt euch "Popstars" - seht ihr euch selbst auch als solche?
Aino: Ich würde sagen: Girl Group / Popstar. Aber im Sinne eines neuen Genres oder einer neuen Generation. Was heute passiert, ist doch etwas ganz anderes als in den Neunzigern. Aber: Ich liebe Popmusik! Das würde ich nie unter den Teppich kehren. Wir sind beide in den Neunzigern aufgewachsen - mit Boygroups, Girlbands und One Hit Wonders.
Caroline: Wir sagen auch gerne: Wir sind Rockstars, gefangen in den Körpern von Popstars. Das entspricht uns vielleicht noch ein bisschen besser. Ich denke, in der heutigen Zeit, in der alles über das Internet läuft, gibt es ohnehin neue Popstars. Die Leute halten nach etwas hinter der perfekten Fassade Ausschau.
Ich frage das auch, weil manche Leute die Bezeichnung "Pop" ganz und gar nicht gerne mögen …
Aino: Ja, aber ich glaube, ihnen fehlt es dann an Wissen darüber. Pop ist doch eine Riesensache. Die Beatles waren Pop, Elvis … Britney Spears ist Pop! Ich bin sehr glücklich damit, ein Popstar zu sein. (lacht)
Angefangen habt ihr eigentlich als DJs …
Caroline: Nicht ganz: Wir haben sehr früh mit dem Auflegen angefangen. Aber ursprünglich waren wir schon Musikerinnen.
Heute seht ihr euch aber schon in erster Linie als Band?
Aino: Auf jeden Fall. Das war eigentlich schon immer so: Wir sind eine Band, die auch auflegt.
Kennt ihr Zedd?
Beide: Ja, klar.
Er hat uns vor Kurzem erzählt, dass er derzeit eigentlich kein Zuhause hat, weil er nur unterwegs ist. Ich glaube, euch geht es genauso …
Caroline: Ja, das können wir total nachvollziehen. Wir hatten auch für fast ein Jahr kein Zuhause. Ich finde aber, das hat etwas Romantisches. Ich sehe das als eine Art Gypsy-Lifestyle, bei dem man wirklich im Hier und Jetzt lebt. Man wird dabei sehr aufgeschlossen. Und es geht sehr schnell, dass man sich, egal, wo man ist, zu Hause fühlt.
Aino: Man macht einfach jeden Ort, an dem man ist, zu seinem Zuhause. Auch diesen hier …
Caroline: Diese Couch, auf der wir gerade sitzen, ist unser Zuhause.
Wenn es aber derzeit einen Ort gibt, der so etwas wie ein festes Zuhause für euch ist, dann ist das New York. Warum seid ihr dort hingezogen?
Aino: Wir haben immer von New York geträumt. Ich denke, das ist eine tolle Metropole - für einfach alles. Man kann dort alles finden. Außerdem hat unsere Plattenfirma - Atlantic - dort ihren Hauptsitz.
Es ist aber doch so teuer dort …
Aino: Oh ja, das stimmt. Aber: Wir leben zwar dort, haben aber kein Apartment.
Caroline: Ich würde sagen, wir machen Couchsurfing. Wir sind professionelle Couchsurfer!
Eigentlich stammt ihr aber natürlich aus Schweden. Kennengelernt habt ihr euch auf einer Party von Caroline. Und ihr hattet damals beide Liebeskummer …
Aino: Ja. Hey, du weißt ja echt viel über uns.
Aber natürlich.
Caroline: Ich hatte zu der Zeit generell meine Probleme mit der Liebe. Es wollte nicht so richtig klappen. Aber Aino war gerade verlassen worden. Du warst richtig verletzt …
Aino: Ja, ich war am Boden zerstört. Nach zwei Wochen im Bett hat mich eine gute Freundin gedrängt, mal wieder auszugehen und zu feiern. So bin ich zu der Party bei Caroline gekommen - eine große, abgefahrene, chaotische Party. Wir hingen dort zusammen ab - und trafen am nächsten Tag die Entscheidung, zusammen Musik zu machen.
Am nächsten Tag?
Aino: Ja, damals hatte alles Sinn. Aber heute klingt das natürlich verrückt. Wie kann man mit einer Person, die man gar nicht kennt, eine Band gründen und von da an seit vier Jahren jeden Tag mit ihr zusammen verbringen? Das ist schon bizarr. Aber wenn es sich richtig anfühlt, muss man dabeibleiben. Man muss auf sein Herz hören.
Der Text eures Hits "I love it" ist ja eine ziemlich sarkastische Abrechnung mit einem Typen. Geht er auf die Zeit damals zurück?
Aino: (lacht) Nein, aber auf eine andere Zeit. Und ja: Hintergrund ist eine echte Erfahrung.
Sind eure Songs also autobiografisch?
Caroline: Die meisten. Es können auch Texte über gute Freunde oder etwas aus unserem Umfeld sein. Aber ich würde schon sagen: 90 Prozent sind autobiografisch.
Man kriegt "I love it" ja echt nur noch schwer aus dem Kopf, wenn es mal drin ist …
Beide: (lachen) Sorry!
In Schweden können die Menschen ja auch schon andere Sachen von euch hören. Da ist bereits vergangenes Jahr ein Album von euch erschienen. Hier gibt es das nicht. Warum?
Aino: Weil wir in Schweden schon zwei Jahre lang Sachen veröffentlicht haben, ehe wir auch nur irgendwo anders irgendetwas veröffentlichten. Wir hatten das Gefühl, in Schweden nachlegen zu müssen. Aber wir arbeiten jetzt an einem neuen Album, das im Sommer erscheinen soll.
Caroline: Jetzt ist die Zeit für unsere erste weltweite Albumveröffentlichung gekommen.
Zur Bekanntheit von "I love it" hat sicher die Verwendung des Songs in einem Coca-Cola-Werbespot beigetragen. Wart ihr in die Entscheidung eigentlich eingebunden?
Aino: Ja, wir sind immer bei allem eingebunden. Wir sind ziemliche Kontrollfreaks.
Caroline: Wir entscheiden, was wir mögen und wofür wir stehen. Es muss eben passen. Und bei den Mädchen, die in dem Spot zu sehen sind, tut es das.
Aino: Außerdem erreicht man so auch Leute, die vielleicht kein Musikfernsehen schauen oder Radio hören. Leute, die sich vielleicht nicht in der Weise für Musik interessieren, wie wir und unsere Freunde es tun. Aber es muss sich richtig anfühlen. Wir haben auch einige Werbeanfragen abgelehnt.
Ihr seid mit "I love it" auch bei der Wok WM von Stefan Raab aufgetreten …
Beide: Ja, wow …
Caroline: Was für eine verrückte Sache! Das war so lustig.
Wärt ihr gerne selbst im Wok die Bahn runtergefahren?
Aino: Ja!
Caroline: Das wäre großartig gewesen. Beim nächsten Mal machen wir mit.
Aino: Versetze dich mal in einen nicht-deutschen Menschen hinein, der das sieht! Wir dachten uns nur: Was um aller Welt machen die da?! Aber nächstes Jahr sind wir dabei. Machst du auch mit?
Äh, ja, klar doch. Ihr seid also eher abenteuerlustige als ängstliche Typen …
Aino: Oh ja, wir lieben Abenteuer. Wir springen von jeder Klippe.
Caroline: Wir gehen viele Wagnisse ein, aber schaffen es auch immer, aus allem wieder heil rauszukommen.
In "I love it" gibt es diese Textzeile: "I'm a 90's bitch". Was macht denn eine "90's bitch" aus?
Caroline: Na ja, dass man sich mit den Sachen aus den Neunzigern identifizieren kann - den One Hit Wonders, den Klamotten, den Filmen …
Aino: Wir sind ja, wie gesagt, in den Neunzigern aufgewachsen. Auch mit den ganzen Fernsehserien damals. "Baywatch"! Oder "Sunset Beach". Lief "Sunset Beach" bei euch auch?
Ja, ich glaube schon. Aber ich habe das nicht geschaut …
Aino: Ich schon! Ich war ungefähr 12 - und ich habe es geliebt! All diesen Kram. Man ist eine "90's bitch", wenn man Spaß an dieser Zeit hat. Inner City! (sie singt) Good life, good life … Bist du auch eine 90's bitch?
Nein, sorry, ich befürchte nicht …
Aino: Vor ein paar Jahren schämten sich manche Leute für die Neunziger. Aber jetzt, da alle etwas älter sind, ist es wieder cool. Und schon bald werden die Neunziger die neuen Siebziger sein.
Speziell die elektronische Musik wird sehr stark von Männern dominiert. Haben es Frauen in dieser Szene schwerer?
Caroline: Ich denke, man muss sich als Frau manchmal etwas lauter und besser beweisen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wichtig ist in jedem Fall, dass man sein Ding macht. Das versuchen wir. Wir wollen wegen unseres Talents wahrgenommen werden - unabhängig von unserem Geschlecht.
Aino: Und es wird von Jahr zu Jahr besser. Es geht in die richtige Richtung, auch wenn es so etwas wie wirkliche Gleichberechtigung noch nicht gibt. Aber manchmal ist es ja auch andersherum: Wir bekommen auch viel Aufmerksamkeit, gerade weil wir zwei Frauen sind, die zusammen spielen und auftreten. Oft singen Frauen auf der Bühne ja nur.
Ihr seid ja gerade nicht zum ersten Mal in Deutschland. Im Januar hattet ihr zum Beispiel einen Auftritt bei der Fashion Week in Berlin. Wahrscheinlich ist das eine dumme Frage an euch, aber trotzdem: Interessiert ihr euch für Mode?
Caroline: Ja, jedenfalls wenn es darum geht, sich selbst auszudrücken. Was Trends angeht, sind wir hingegen echte Nulpen. (Allgemeines Gelächter)
Wie viel Geld gebt ihr denn im Monat für Klamotten aus?
Aino: Gar nicht so viel. Wir haben gar keine Zeit, shoppen zu gehen. Aber wenn doch, dann kaufen wir Sachen wie Shampoo … (lacht) Und wir gehen sehr gerne in Second-Hand-Läden.
Caroline: Und Schuhe …
Aino: Ja, stimmt, wir lieben Schuhe. Und Handtaschen. Manchmal kaufen wir sechs Monate gar nichts ein. Danach flippen wir aus - und hauen unser ganzes Geld raus.
Und wenn ihr shoppen geht, macht ihr das dann alleine, zu zweit - oder schleppt ihr irgendwelche armen Typen mit, die die Tüten tragen müssen?
Caroline: (lacht) Wir versuchen, das zu zweit zu machen. Manchmal gehe ich auch alleine. Das ist gut, um den Kopf frei zu kriegen - Musik ins Ohr und einfach nur bummeln. Aber ein perfekter Shopping-Tag sieht für mich so aus: Wir ziehen zusammen los, frühstücken schön, klappern ein paar Second-Hand-Läden ab und trinken danach ein Glas Wein. Ich mag es sehr, Sachen anzuprobieren, sie zu spüren und herauszufinden, ob sie mir ein paar Superkräfte verleihen. (lacht) Mit Online-Shopping habe ich es dagegen nicht so, weil ich da nichts anprobieren kann.
Ihr macht also auch nach vier Jahren, in denen ihr praktisch ständig aufeinander sitzt, immer noch sehr viel zusammen …
Caroline: Ich weiß, dass das abgefahren ist. Aber ich mache mir nicht wirklich Gedanken darüber. Uns hat ja niemand dazu gezwungen, zusammen zu arbeiten oder zusammen zu wohnen. Und wenn ich das Gefühl hätte, Freiraum zu brauchen, dann könnte ich mir den jederzeit nehmen.
Aino: Wir haben ja auch so viel Spaß zusammen! Seit ich mit Caroline unterwegs bin, lache ich so viel wie nie zuvor in meinem Leben. Zu viel - ich war mal cool … (lacht)
Ihr seid auch bereits einmal im Vorprogramm von Marina and the Diamonds aufgetreten. Marina Diamandis offenbarte uns im Interview, ihr Hauptziel sei es, weltberühmt zu werden. Was ist euer Ziel?
Aino: Durch die Welt zu touren.
Caroline: Und weitermachen zu können - bis wir 85 sind. Tun zu können, was wir tun, um den Globus zu reisen und viele Menschen zu erreichen - solange, bis wir die Entscheidung treffen: Okay, jetzt trinken wir nur noch Wein und hängen am Strand ab. Das wäre unser Traum.
Mit Caroline Hjelt und Aino Jawo sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de