Die Leichtigkeit von "1001 Gramm" In Paris ist das Kilo kein Kilo mehr
19.12.2014, 12:55 Uhr
In Paris überprüfen die Eichämter aus der ganzen Welt ihr Kilogramm am Urkilo, das in einem Tresor aufbewahrt wird.
(Foto: Pandora Filmverleih)
Wie viel Ordnung benötigt ein Leben und wie viel Ordnung erstickt es? Dieser Frage geht die Hüterin des norwegischen Referenzkilos nach - in Paris. Die Tragikomödie "1001 Gramm" bewegt sich zwischen Physik und Poesiealbum.
Selbst die Tragödien in Maries (Anne Dahl Torp) Leben verlaufen geradlinig: Exakt immer gleiche Messwerte sind der Lebensinhalt der Angestellten im norwegischen Eichamt. So verläuft auch ihre Scheidung ohne emotionale Ausschläge. Während der Ex-Mann sein Zeug aus dem klinisch-kühlen Eigenheim in den spritfressenden Geländewagen packt, wartet Marie in ihrem winzigen Elektroauto auf der Straße.
Als ihr geliebter Vater und Kollege Ernst (Stein Winge) einen schweren Herzinfarkt erleidet, übernimmt die Wissenschaftlerin pflichtbewusst dessen anstehende Dienstreise ins sommerliche Paris. Dort versammeln sich Repräsentanten vieler Länder, um ihr jeweiliges Referenzkilogramm kalibrieren zu lassen. Damit überall auf der Welt mit demselben Maß gewogen wird, orientieren sich die internationalen Eichämter an dem Pariser Urkilogramm von 1889. Schweigsam, blass und Salat essend verbringt Marie ihre Zeit in Frankreich. Dann gerät ihr Leben tatsächlich doch noch aus dem Lot. Ausgerechnet ein freundlicher Gärtner namens Pi (Laurent Stocker) könnte der Schlüssel zu einem ganz neuen Gleichgewicht in Maries Leben sein.
Störfaktor Mensch
Standardisierte Erkenntnismethoden und der zwischenmenschliche Störfaktor sind seit Langem das Thema des norwegischen Filmemachers Bent Hamer. Der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent war dieser Faszination bereits in der Komödie "Kitchen Stories" (2003) nachgegangen, die beim Filmfestival von Cannes lief und den Norweger international bekannt machte. Darin hatte ein Wissenschaftler im Hochstuhl die Küchengewohnheiten eines grantigen Junggesellen observiert und sich entgegen den Standesregeln mit seinem Forschungsobjekt angefreundet.
In "1001 Gramm" verfolgt Hamer immer noch die Frage, inwiefern wissenschaftliche Dogmen den zivilisatorischen Fortschritt unterstützen oder der Menschlichkeit im Wege stehen. Als Hintergrund seiner Handlung hat der Filmemacher ein faszinierendes Thema gewählt. Während etwa der Meter durch die Entfernung bestimmt ist, die Licht in einem Vakuum binnen einer bestimmten Zeitspanne zurücklegt, basiert das Kilo auf keiner derartig universellen Definition. Vielmehr ist seit 1889 ein bei Paris aufbewahrter Zylinder aus Platin und Iridium das Maß aller Dinge. Allerdings wurde festgestellt, dass dieser Internationale Kilogrammprototyp mit der Zeit leichter geworden ist. Das Kilo ist also kein Kilo mehr. Wissenschaftler suchen seither nach einer zuverlässigeren Neudefinition.
Subtil geht anders
Der Titel von Hamers Films erinnert nicht von ungefähr an Alejandro González Iñárritus Drama "21 Gramm" (2003) mit Sean Penn. Auch hier wird darüber spekuliert, dass die Seele eines Menschen angeblich 21 Gramm wiegt und das vermeintlich Metaphysische demnach wissenschaftlich mess- und nachweisbar ist. Die zurückhaltende Inszenierung mit sparsamen Dialogen und strengen Bildkompositionen kontrastiert der Regisseur mit der so gar nicht subtilen Vermittlung seiner Botschaften. Einige der Lebensweisheiten klingen - zumindest in der synchronisierten Fassung - arg nach Poesiealbum und am Schluss regiert der sonnendurchflutete Kitsch. Das muss bei vorweihnachtlichem Schmuddelwetter außerhalb des warmen Kinosaals ja aber nicht unbedingt etwas Schlimmes sein.
"1001 Gramm" läuft ab 18. Dezember in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de