Kino

"Lagerfeld Confidential" Karl, der Coole

Hauptsache, Größe 48 bleibt erhalten: der zeitlose Karl Lagerfeld.

Hauptsache, Größe 48 bleibt erhalten: der zeitlose Karl Lagerfeld.

(Foto: AP)

"Jetzt frag mich schon, ob ich schwul bin, auf so ein verquastes Rumgeeier hab ich gar keine Lust, dann brech' ich ab", sagt er und lächelt sein Gegenüber, das sich noch windet, solch intime Fragen zu stellen, provozierend an. Aber Karl ist in Plauderlaune, und so gelingt Regisseur Rodolphe Marconi ein witziges und überraschendes Porträt.

Zu Hause bei Karl Lagerfeld: Eine Flügeltür öffnet sich nach der anderen, wir gelangen in seine privaten Gemächer - anders kann man das nicht nennen - und stellen fest, dass der Modemacher, Designer und Fotograf einen kleinen Hang zum Messie hat. Zwar ist alles elegant und schick, aber es liegt auch sehr viel herum, Putzfrau möchte man da nicht sein. Bücher stapeln sich auf dem Boden, auf Tischen, im Bett liegen Dutzende Zeitungen, auf dem Kaminsims werden geschätzte zehn bis fünfzehn iPods geladen, seine Ringe - von denen er mindestens 10 auf einmal an den Fingern trägt - sammelt er in riesigen Schalen, er greift überall ins Volle.

Er kann viel, und er hat viel; so klar und konsequent gestylt Lagerfeld sich in den letzten Jahren auch gibt - einen puristischen Wohnstil kann man das nicht nennen. Bereits jetzt fragt er sich, wohin mit dem ganzen Zeug, eines Tages, aber er winkt ab, es interessiert ihn nicht wirklich, seine Entourage, die ihn ständig umgibt, wird schon alles regeln. Überhaupt - die Menschen um ihn herum: Immer sind es mindestens zwanzig Leute, die ihn fahren, mit Essen versorgen, mit Informationen, und doch sagt er mehr als einmal: "Ich muss mich immer wieder zurückziehen können. Ich brauche auch die Einsamkeit. Ich hasse Menschen, die nicht allein sein können."

Zur Fotografie fand er per Zufall - weil gerade kein anderer zur Stelle war.

Zur Fotografie fand er per Zufall - weil gerade kein anderer zur Stelle war.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn man jetzt so einen Satz aus dem Zusammenhang gerissen von ihm vernimmt, dann könnte man auf den Gedanken kommen, der Typ sei nicht nur exzentrisch, sondern auch noch vorschnell und unerbittlich in seiner Beurteilung anderer. In dem Film kommt aber genau das Gegenteil heraus: Er ist aufmerksam, grüßt Zimmermädchen, Stewardessen, schwärmt von seinen Näherinnen ("Ich könnte das ja gar nicht, ich habe nur die Idee dazu!"), spricht über Freundschaft, und just in dem Moment zeigt der Regisseur Bilder von Caroline von Monaco, die rauchend und lachend mit Lagerfeld am Tisch sitzt und ihm bei ihrer Abfahrt übermütig die Zunge heraus streckt.

Nie erfährt der Zuschauer minutiös, wo wir uns gerade befinden, das erledigen die Bilder von allein, und hier wird auch kein typischer "Tag im Leben von Karl Lagerfeld" gezeigt - in "Lagerfeld Confidential" lernen wir einen Mann über zwei Jahre hinweg - und wie der Titel schon sagt: "vertraulich" - kennen. Gedreht wurde der Film 2004 bis 2006. Lagerfeld sagt darin Dinge zum Thema Berufswahl wie: "Ich hätte höchstens noch Priester für Ungläubige werden können", erklärt, wie er zur Fotografie kam (es war kein anderer da), er liebt Werbung ("Das würde ich machen, wenn ich keine Mode machen würde"), er liebt den Geruch von Baustellen und lässt sich gar nicht gern dabei ertappen, wenn er Zeitung ohne seine obligatorische Sonnenbrille liest. Aber -  er lässt es dann doch zu und erzählt, dass seine besten Ideen ihm im Traum kommen.

In Bed With Karl

Immer umgeben von schönen jungen Männern ...

Immer umgeben von schönen jungen Männern ...

(Foto: dpa)

So nah war man dem Mitt- bis Endsiebziger noch nie - man bekommt das Gefühl, ihn zu kennen, zu wissen, wie er ist und wohnt und wo er hinwill und selbst, wo er herkommt: "Ich war ein Landei, aber ein verwöhntes", berichtet er über seine Kindheit in Norddeutschland, und verrät: "Meine Mutter war frech und witzig, vollkommen undramatisch, aber sie machte alle um sie herum zu Sklaven." Unkonventionell ging es bei den Lagerfelds schon immer zu, und auch die Frage nach der sexuellen Ausrichtung war kein Thema: "Homosexualität ist wie eine Farbe, nichts weiter", hat seine Mutter dem jungen Karl Otto mit auf den Weg gegeben, und bei der Frage nach dem "ersten Mal" windet Lagerfeld sich zuerst ein bisschen, denkt dann aber wahrscheinlich doch nochmal nach über das, was er eben über seine Mutter verraten hat, und wirft ein "Ich hab's mit 13 zum ersten Mal gemacht" in den Raum. "Mehr Details gibt's aber nicht", fügt er lachend hinzu, doch, eines noch, seine Halbschwester war lesbisch. Na also. 

Alles in allem merkt man ihm an, dass er ein etwas distanziertes Verhältnis zu seinen wohlhabenden Eltern ("Sie waren Früchtchen!") hatte und hat, auf der anderen Seite ist er voller Stolz über die Andersartigkeit seiner Herkunft. Für damalige Verhältnisse - er wuchs schließlich in der Hamburger Kondensmilch-Dynastie der Glücksklees auf - schienen sich die Lagerfelds stets auf einem Drahtseilakt zu befinden - und Karl balanciert bis heute unablässig weiter, ständig auf der Suche, ständig in Bewegung, stets schnell im Kopf und rastlos trotz vieler Orte, die ein Zuhause sein könnten.

Als Vater der Braut nicht schlecht, aber Karl ist kinderlos.

Als Vater der Braut nicht schlecht, aber Karl ist kinderlos.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Wenn er unterwegs ist, hat er sein altes Kuschelkissen dabei, das er sich auf den Magen drückt, weil es da immer zwickt. "Ich bin improvisiert, ohne Abi, ohne Studium", gesteht er und man glaubt zu erkennen, dass er stolz darauf ist, so ein Selfmade-Mann zu sein. Wir erfahren, dass man auf Karls Klo lieber im Sitzen pinkeln sollte und dass er seinen Schreibtisch unaufgeräumt mag. Als er 1983 Chanel neues Leben einhauchte, hatte er noch einige Pfunde mehr auf den Rippen, und außerdem erzählt er gerne Witze ("Was hat eine ältere Frau zwischen den Brüsten, was eine junge Frau nicht hat? Den Bauchnabel!"), überhaupt wirkt er recht spontan für einen, der auch schon für ein Fotoshooting im Morgengrauen perfekt gestylt ist. Sein Model lässt er wissen, dass er die Wölbung an seinem Bein für das Perfekteste hält, was er je gesehen hat, und trotz der ganzen Inszenierung um ihn herum wirkt er nie abgehoben. Dazu trägt seine unverblümte Sprache bei und seine Einstellung: "Ich habe alles im Kopf und keine Lust auf Tragödien!"

Wer sich also für Mode interessiert, sollte sich den Dokumentarfilm gerne anschauen, wer sich aber für Menschen interessiert, muss diesen Film gesehen haben.

"Lagerfeld Confidential" im n-tv Shop bestellen.

Quelle: ntv.de

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