"Katrin Sass war ein großer Traum" Kurzfilmpreis zum Greifen nah
18.11.2010, 12:57 Uhr
Katrin Sass (l) und Regisseurin Josephine Links.
(Foto: Lotta Kilian)
Wer kennt ihn nicht: den Deutschen Filmpreis? Jedes Jahr werden die Lolas an die Besten der Besten vergeben. Der Kurzfilm wird nicht geehrt. Warum auch? Ihm ist eine eigene Veranstaltung gewidmet. Am 18. November verleiht der Staatsminister für Kultur und Medien in Hamburg den Deutschen Kurzfilmpreis 2010. Es ist die wichtigste Auszeichnung für den Kurzfilm in Deutschland. Zehn Filme sind in vier Kategorien nominiert, darunter auch "Nach den Jahren" von Josephine Links. Links ist Filmwissenschaftlerin und Europäische Ethnologin und seit 2007 Studentin der Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) "Konrad Wolf" in Potsdam. Mit n-tv.de spricht die 27-Jährige über diese überraschende Ehrung, über die Reaktionen an ihrer Hochschule und darüber, wie es war, mit Stars wie Katrin Sass zu drehen.
n-tv.de: Regiestudentin, erster (Kurz-)Spielfilm, Nominierung für den Deutschen Kurzfilmpreis 2010. Legen Sie immer so ein Tempo vor?
Josephine Links: (lacht) Es ist für mich eine sehr große Überraschung, dass der Film nominiert ist. Ich habe ihn sehr gerne gemacht, viel dabei gelernt, mich sehr gefreut, als Katrin Sass zugesagte und es auch mit den anderen so eine tolle Besetzung wurde. Das war schon mal das erste Wunder. Als der Film dann fertig war, freute ich mich, eine so persönliche Geschichte auf der Leinwand zu sehen. Aber was da jetzt alles passiert, damit habe ich nicht gerechnet.
"Nach den Jahren" erzählt von einer Familie: Die Eltern sind mittlerweile getrennt, die beiden Töchter erwachsen. Gemeinsam verbringen sie noch einmal zwei Tage in Ihrem Wochenendhaus, um es für den Verkauf auszuräumen, und werden dabei mit vergangen geglaubten Gefühlen konfrontiert. Welche Gefühle sind das? Und warum möchten Sie diese einem Publikum erzählen?

Die Jury begründet die Nominierung mit den Worten: "Ein Wochenendhaus wird zur Momentaufnahme vergangenen Glücks, … nahezu perfekt wird diese kleine Geschichte erzählt." (Filmplakatgestaltung: Viktor Nübel)
Es geht um das Loslassen der Kindheit, um den Abschied von einer alten Liebe und insgesamt von einer alten Gemeinsamkeit als Familie. Diese Themen bzw. Gefühle haben mich in dieser Lebensphase sehr beschäftigt, und ich denke, dass es jeden Menschen irgendwann einmal umtreibt: das Gefühl, in alte Familienstrukturen und Rollen wieder einzutauchen, alte Gefühle wieder zu entdecken und zu merken, dass sie eigentlich keinen Platz mehr haben. Das lässt sich auch auf ganz andere Lebenssituationen übertragen. Wir kennen alle das Gefühl, dass Dinge vorbei sind und sie trotzdem irgendwie in uns weiterleben. Es war mein persönliches Bedürfnis, der Trauer oder Unsicherheit nachzuspüren und den komischen Momenten, wenn etwas Altes wieder auflebt, Raum zu geben und es schließlich auf der Leinwand zu zeigen, damit sich andere vielleicht angesprochen fühlen.
Der Film lief bisher auf mehreren internationalen Filmfestivals, wie in Ghent, Hof, Madrid und Brest. Fühlt sich das Publikum angesprochen?
Die Resonanz auf den Film ist erstaunlich gut. Ich hätte gar nicht gedacht, dass er auch international so ankommt. "Nach den Jahren" hat auf dem Media School Festival in Lodz sogar den ersten Preis gewonnen. Es ist beeindruckend zu sehen, dass es anscheinend wirklich egal ist, welche Sprache wir sprechen, und dass solche Prozesse und Gefühle überall zum Leben dazu gehören. Ich bekomme sehr viele positive Rückmeldungen von den Zuschauern, die sich in der Geschichte wieder erkannt haben. Es ist ein ganz tolles Gefühl, wenn der Film woanders gefällt, weiterlebt und da etwas zum Klingen bringt.
Sie haben mit Katrin Sass und Andreas Schmidt-Schaller gedreht. Wie war das für Sie?
Ich war vorher sehr aufgeregt, auch weil es mein erster Spielfilm überhaupt war und ich noch keine großen Erfahrungen in der Schauspielführung hatte. Bei der Besetzung habe ich aber von Anfang an darauf geachtet, dass ich mit allen vier Darstellern menschlich einen guten Kontakt habe und dass sie den Figuren entsprechen, die ich im Drehbuch entworfen habe. Katrin Sass zum Beispiel war wahnsinnig entspannt und offen. Ich habe sehr schnell Vertrauen gewonnen und konnte mit dem Gefühl drehen, als arbeite ich mit vertrauten Bekannten zusammen und nicht als müsse ich einen riesigen Star händeln. Wir haben unglaublich viel Spaß gehabt. Die Schauspieler haben sich auch als Familie sehr gut verstanden. Alle hatten von Anfang an einen eigenen Bezug zum Drehbuch. Sonst hätten sie ja auch nicht zugesagt, eine Woche in Brandenburg zu drehen, ohne einen Cent zu verdienen.
Wie sind Sie überhaupt an solch bekannte Schauspieler gekommen?
Ich habe mir Empfehlungen von Freunden und anderen Regisseuren geben lassen, die mehr Erfahrung hatten als ich. So jemand wie Katrin Sass ist dabei natürlich ein großer Traum. Ich habe eigentlich nicht daran geglaubt, dass sie wirklich zusagt. Über ihre Agentur habe ich ihr einfach das Drehbuch zukommen lassen, und dann hat sie mich angerufen. Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden und so eine Basis für eine gemeinsame Arbeit gehabt. Sonst hätte ich auch nicht mit ihr drehen können.
Mir ist aufgefallen, dass alle Darsteller, also auch Julia Hartmann und Henriette Richter-Röhl, aus der ehemaligen DDR kommen. Ist das Zufall?
Nein, das ist kein Zufall. Ich wollte eine Familie zusammenstellen, die einen gemeinsamen Hintergrund hat und der man abnimmt, dass sie mal zusammengehörte. Ich bin der Meinung, dass es in jeder Generation etwas Verbindendes gibt. Für mich war immer klar, die Familie, die ich zeigen will, ist eine Ostfamilie. Das ist für die Geschichte natürlich nicht entscheidend. Gute Schauspieler können alles glaubhaft rüberbringen. Aber mir war es wichtig, dass sie auch als Menschen – unabhängig davon, ob sie es nur spielen oder nicht – harmonieren. Und das haben sie auf Anhieb, obwohl sie sich vorher nicht alle kannten. Dieses miteinander Funktionieren überträgt sich dann eben auch auf die Authentizität, die man im Film spürt.
Apropos Authentizität: Seit Sie 15 Jahre alt sind, möchten Sie gerne Dokumentarfilmerin werden und haben bereits zahlreiche Dokumentationen gedreht. Ihr umfassendes Regiestudium an der HFF sieht aber auch das Drehen von Spielfilmen vor. So entsteht "Nach den Jahren" und wird prompt für den wichtigsten Kurzfilmpreis Deutschlands nominiert. Wie erklären Sie sich das?
Vielleicht ist der Dokumentarfilm eine gute Schule für den Spielfilm. Meine Erfahrungen helfen mir zu spüren, was sich überhaupt authentisch anfühlt. Aber alleine wäre ich wahrscheinlich nicht den Schritt gegangen, einen Spielfilm zu drehen. Mein Professor Andreas Kleinert hat mich sehr ermutigt, einen Stoff zu finden und zu entwickeln, der mir persönlich etwas bedeutet. So bin ich heute sehr froh, den Film gemacht zu haben und kann mir gut vorstellen, mich wieder einem Spielfilm zu öffnen. Mir ist es wichtig, mich künstlerisch auszudrücken und eine Geschichte zu erzählen, deren Kern mich und andere berührt. Ob das nun ein klassischer Dokumentarfilm, ein inszenierter Essay oder ein klassischer Spielfilm ist, wird für mich zunehmend egal.
Was ist denn Ihr nächstes Filmprojekt?
Als nächstes drehe ich einen kleinen Film mit meiner Oma. Ich unterhalte mich darin mit ihr über das Sterben und den Verlust des Gedächtnisses. Diese Gespräche bilden die Tonebene, während das Bild Körperausschnitte von ihr und mir zeigt. Es wird also eine Mischung aus inszeniert und dokumentarisch.
Auch die anderen Regiestudenten mussten im zweiten Jahr einen Kurzspielfilm drehen. Wie haben sie und Ihre Professoren auf Ihre Nominierung reagiert?
Die Reaktionen sind unterschiedlich. Mein Professor war ganz überrascht und voller Freude. Auch die Teammitglieder freuen sich wahnsinnig. Von den Regiekollegen habe ich noch nicht so viele Glückwünsche empfangen, auch weil wir uns bisher kaum begegnet sind. Ich kann das aber gut nachvollziehen, schließlich herrscht an der Filmhochschule schon auch eine Form der Konkurrenz oder des Vergleichens, selbst wenn wir das sicher nicht möchten.
Wen nehmen Sie heute Abend zur Verleihung des Deutschen Kurzfilmpreises nach Hamburg mit?
Meine Kamerafrau Lotta Kilian, meine Produzentin Franziska Koch, die Szenografin Verena Maul, die Schauspielerin Julia Hartmann und meine Schwester Johanna. Die Familie ist also auch dabei.
Mit Josephine Links sprach Julia Kreutziger
Quelle: ntv.de