"Er ist hoch und gefährlich" Marcel Ostertag macht den Spagat
17.04.2013, 15:42 Uhr
Ein bisschen Johnny Depp steckt auf jeden Fall in diesem Designer ...
Seine - sichtbaren - Markenzeichen: Am Ende der Show gerne High-Heels, ein besserer Walk als so manches Model, Wallemähne, bestechend grüne Augen. Auf den zweiten Blick ist dieser ausgefallene Typ aber einer der warmherzigsten, bodenständigsten und fleißigsten Modemacher Deutschlands, seine Entwürfe nie vordergründig oder aufdringlich, sondern stets raffiniert, ausgefallen und doch so alltäglich, dass Frauen von 14 bis 74 darauf abfahren. Jetzt hat der Münchener eine weitere Plattform für sich entdeckt: das Fernsehen. Einen Tag lang - um genau zu sein, tatsächlich 24 Stunden - begleitet er einen Menschen durch sein Leben ("Mein Ostertag"), lernt die Stadt seines Schützlings kennen, seine Freunde, Familie, Lieblingsbar und Sportverein. Er bringe Räume zum Blühen, sagen einige. Wer an seiner Seite ist, wird nebenbei ganz sanft umgestylt, fast, ohne es zu merken, denn hier wird nicht mit dem Finger gezeigt (zu dick, zu dünn, zu blond, zu braun), hier werden die Vorzüge des Einzelnen individualisiert. Flache Schuhe werden gegen hohe (und gefährliche!) ausgetauscht, aber nur, so lange die Trägerin darin laufen kann.
Es wird gegessen, gelacht, gefeiert, und am Ende des Tages steht da nicht nur ein glücklicher "Normalo", sondern auch ein glücklicher Designer, der wieder was gelernt hat und mit dem guten Gefühl ins Bett fallen darf, alles richtig gemacht zu haben. Während Kollege Guido Maria Kretschmer eine Shopping-Queen sucht, Heidi Klum das schönste Model und Harald Glööckler viel zu tiefe Einblicke in sein persönliches Leben gibt, bleibt Ostertag zurückhaltend. Klingt unspektakulär? Mitnichten, denn wie wir alle wissen, schreibt das Leben ja die schönsten Geschichten. n-tv.de traf Marcel Ostertag zum Gespräch in Potsdam.
n-tv.de: Bald kommt "Dein Ostertag" ins Fernsehen. Du verbringst einen Tag mit einem wildfremden Menschen und wirst dabei gefilmt. Was ist daran so besonders?
Marcel Ostertag: Ich muss gleich mal vorneweg sagen - das ist ja nicht nur für die andere Person aufregend, für mich ist das ebenso toll. Ich lerne eine Stadt von einer ganz anderen Seite kennen, nämlich aus der Sicht der Person, die ich begleite. Dabei lerne ich Menschen und Orte kennen, die ich sonst nie erleben würde. Diejenige, oder derjenige, der von mir begleitet wird, kann am Ende des Tages – und das bedeutet tatsächlich, nach 24 Stunden – 10.000 Euro gewinnen, nachdem sie oder er mir alle seine Hotspots gezeigt hat, die ich dann bewerte. Wir sind zusammen von Frühstück bis Frühstück (lacht). Irgendwann vergisst man sogar die Kamera, obwohl wir von einem echt großen Team begleitet werden. Ich selbst zum Beispiel kann nicht lange fernsehen, es kommt einfach zu viel Schrott. In vielen Sendungen werden Menschen verarscht und wir fanden, das macht keinen Spaß mehr.
Hat man denn keine Ermüdungserscheinungen nach 24 Stunden?
Es gab ein paar Momente, wo man schon mal körperlich etwas gespürt hat, aber dann ist immer so viel passiert und wenn man so tolle Locations hat, wird man im Kopf nicht müde. Körperlich schon (lacht), ich trag' ja immer wieder zwischendurch hohe Hacken!
Und am Tag danach?
Ja, da war ich platt. Da hab ich quasi Urlaub gemacht, Handy aus, ab in die Badewanne, Verwöhnprogramm, schlafen, essen. Das Schöne für mich war, so viel von einer Person zu erfahren, das passiert im wahren Leben ja nicht so häufig. Und hier habe ich auch mal erleben können, wie ein Mensch sich verändern kann: Ich habe zum Beispiel ein relativ schüchternes, sehr konservatives Mädchen bei ihren Eltern abgeholt, und dabei konnte ich schon mal sehen, wie sie so wohnt und aufgewachsen ist. In der Sendung soll es nicht darum gehen, jemanden zu kritisieren, sondern es geht darum, jemandem eine schöne Zeit zu bereiten. Der Zuschauer soll Lust bekommen, uns auf unserem Streifzug zu begleiten, denn hier wird keiner gedisst oder fertiggemacht. Innerhalb dieses einen Tages konnte ich super miterleben, wie das Mädchen sich entwickelt hat. Das hat solchen Spaß gemacht, sie ist richtig aufgeblüht und hat so viel erzählt, und nach dem Umstyling konnte man erkennen, wie wohl sie sich in ihrer quasi neuen Haut fühlt, das war schön. Es ist so viel passiert in kürzester Zeit!
Wie reagieren denn die Menschen, wenn ihr in einem so großen Pulk zum Beispiel über den Markt schlendert ?
Tagsüber geht es, aber nachts in den Clubs ist es schon der Hammer, wie da geguckt wird. Da kriegt man so einen Promistatus, nicht schlecht (lacht) .
Den Promistatus kennst du doch aber schon, oder? Vor allem während der FashionWeek, wenn du aufgebrezelt und auf Highheels durch die Gegend schwebst …
Ja, schon, aber nachts ist das nochmal was anderes, die Leute denken immer gleich, dass Hollywood kommt. Ich bin ja kein Kind von Traurigkeit, da hast du schon recht, und ich war auch schon in wüsteren Outfits auf der Straße … da bekommt man immer Reaktionen. Aber wenn ein Team von 15 Leuten, drei Kameras, Make-Up-Artists, Licht und so weiter, um einen herumwurschtelt, dann ist das was anderes.
Einfallen lassen hat sich die Geschichte ja ein Potsdamer Team - wie ist es denn dazu gekommen?
Das hat sich so ergeben im Laufe von anderen Geschichten, und dann hab ich eines Tages ein Skript von 14 Seiten in den Händen und plötzlich heißt es, komm, wir drehen jetzt. Das hätte ich nicht geglaubt. In den Medien, sag' ich mal, da wird ja immer viel erzählt und dann passiert doch nichts. Das war jetzt ganz anders. (lacht)
Wie anders denn?
Extrem angenehm! Ich liebe es, wenn ein Team um einen herum ist, das überhaupt keine Allüren hat, es ist so angenehm. Alles andere macht die Arbeit nur schwerer, manchmal sogar kaputt. Dieses Format wird mir großen Spaß machen, es ist wie ein Kindergeburtstag. Ich habe Torten gegessen, wir haben einen gezwitschert, ich hab zum ersten Mal Golf gespielt – das hätte ich sonst nie gemacht – dafür hab ich sonst gar keine Zeit! Wir waren auf einem Konzert, da gehe ich so gut wie nie hin. Die Kandidatin und ich haben uns außerdem irre gut verstanden, dass hätte meinetwegen noch weitergehen können.
Ist es nicht schwer, sich dann wieder von der Person zu trennen, wenn ein Drehtag vorbei ist?
Ja, aber Emotionen haben ja nicht unbedingt etwas mit einer langen Bindung zu tun (lacht). Ich genieße sehr den Moment. Sollte meine große Liebe aber auftauchen, hätte ich auch nichts dagegen. (lacht).
Wer sucht denn die Kandidaten aus?
Na ich! Jeder kann sich bewerben! Egal, wie alt, egal, ob Mann oder Frau. Und richtig spannend wird es, wenn wir auch mal außerhalb von Großstädten wie Berlin oder Hamburg drehen und nach Passau, Recklinghausen und Halle gehen.
Du willst die coolste Ecke von Traunstein kennenlernen?
Ja! Die gibt es! Jede Stadt hat so ihre speziellen Stellen!
Wenn jemand so gar nicht modeaffin ist, was machst du dann?
Ich mach' auf keinen Fall eine Lady Gaga daraus! Es geht darum, jemanden zu unterstützen, zu ermutigen. Wir wollen niemanden verbiegen. Die Leute und ihre Freunde sollen sich erkennen, es soll sich keiner verlieren. Wir machen junge Mädchen nicht alt und umgekehrt eben auch nicht. Ich habe Kundinnen vom Teenager-Alter bis Mitte 70, ich kenn' das schon.
Du wirkst sehr geerdet und Allüren-frei, wie kommt's?
Ich kann gar nicht anders. Wenn man selbst Allüren hat, will kein Kooperationspartner mit einem zusammenarbeiten, und wenn andere welche haben, habe ich keine Lust drauf, so einfach ist das. Ich bin privat auch extrem entspannt.
Wie hältst du dich fit?
Nach anstrengenden Monaten, wie nach einer Fashionweek zum Beispiel, gehe ich hinterher zu einer Heilpraktikerin und lasse mich entgiften. Ich achte dann auf wenig Alkohol, Nikotin usw. Ich mache Body-Art, das ist eine härtere Version von Pilates und Yoga, sehr anstrengend. Das macht man zweieinhalb Stunden, und am Schluss kriegt man noch was auf die Ohren, nämlich mit Klangschalen. Das unterrichtet meine Mutter (lacht). Sport und Entspannung, zweimal die Woche, das ist mega. Man kann seinen ganzen Ballast hinter sich lassen.
Du bist ständig kreativ, wie geht das?
Ich bin jemand, der das Wort Blockade nicht kennt, ich habe immer Ideen im Kopf. Ich kann tatsächlich auf Knopfdruck designen. Eine Kollektion entsteht oft an einem Tag. Ich bin recht strukturiert, ich weiß immer schon, in welche Richtung ich gehen will.
Es gibt ja noch nicht mal die Sachen im Laden, die auf der letzten Fashionweek gezeigt wurden ...
... und schon arbeite ich an Spring/Summer 2014 (lacht), und eigentlich weiß ich bereits, was ich für den Winter 2014 will. Jetzt erstmal soll es aber um die starke Power-Frau gehen, die ihren Mann steht, wie man so sagt, und die trotzdem so verletzlich sein kann. Das ist ja ein riesiger Spagat. Ich will meine Kollektion sehr weiblich machen, aber ich will avantgardistischer werden. Nicht ganz so viel Glamour, trotzdem schick. Eine schwierige Sache. Ich will ein bisschen zurück zu meinen Wurzeln.
Zurück zu deiner TV-Show, die noch keinen festen Sendeplatz hat ...
... ja, das macht aber nichts, wir denken trotzdem schon über ein erweitertes Format nach: Mit Promis, auf Mallorca, in anderen europäischen Städten, wir haben da viel Fantasie (lacht). Wir haben das Format nicht gesucht, es hat sich so ergeben. Das wichtigste ist doch Nachhaltigkeit, und wir wollen menschenfreundlich sein. Ich sehe das als i-Tüpfelchen auf meiner Karriere.
Mit Marcel Ostertag sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de