Kino

Arche, Bibel, Sensationen Noah darf auch mal zweifeln

Die Sintflut kann kommen: Noah (Russell Crowe) hat seine Arche fertig.

Die Sintflut kann kommen: Noah (Russell Crowe) hat seine Arche fertig.

(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Regency Engtertainment (USA), Inc.)

Ein Bibelfilm im 21. Jahrhundert? Kann das gutgehen? Ja! "Noah" ist bildgewaltig, mitunter nachdenklich und hat einen überzeugenden Hauptdarsteller. Dass er die Bibel frei interpretiert, ärgert religiöse Gruppen - die Zuschauer kann's freuen.

Raue Landschaft: Noah und Familie durchwandern die frühe Erde.

Raue Landschaft: Noah und Familie durchwandern die frühe Erde.

(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Regency Engtertainment (USA), Inc.)

Der übliche Disclaimer am Ende jedes Hollywood-Films teilt mit, dass bei den Dreharbeiten keine Tiere verletzt wurden. Auch bei "Noah", dem bildgewaltigen Bibelepos, fehlt er natürlich nicht. Ausgerechnet bei jenem Film, in dem die ganze Welt untergeht, mit Ausnahme des Titelhelden, seiner Familie und eines Paares jeder animalischen Gattung, die da auf der Urerde kreuchte und fleuchte.

Doch natürlich wurden jene Tiere, die auf Noahs Arche Zuflucht suchen, sämtlich digital animiert. Alles andere wäre auch kaum möglich gewesen. Der Film ist eine tricktechnische Kraftanstrengung geworden - die sich gelohnt hat: "Noah" bezaubert durch so atemberaubende wie farbenprächtige - in Island entstandene - Bilder von einer biblisch anmutenden Erde, von kargen Landschaften, roten Sonnenuntergängen und unendlichen Weiten. Schließlich auch von wuchernder Schöpfung und von einer alles zerstörenden Sintflut, die so manche bisher gesehenen Tricks in den Schatten stellt.

Visionen vom Brudermord

Regisseur Darren Aronofsky hat auch allen Grund, mit den Bildern zu überzeugen. Denn die Geschichte - die Auslöschung der Menschheit und die Rettung nur einer Familie und der Tierwelt - kennt wohl jeder, auch wenn er nicht jüdisch, christlich oder islamisch (wo Noah "Nuh" genannt wird) erzogen wurde. Aronofskys Ziel musste es also sein, die Geschichte möglichst neu zu erzählen und auf eine weitere, die Gegenwart betreffende Ebene zu heben. Optisch ist ihm dies ohne Frage gelungen: Die imposanten Bilder und 3D-Effekte lassen keine Wünsche offen.

Aber auch inhaltlich belässt es der Regisseur, der bisher eher mit Independent-Dramen wie "The Wrestler" und "Black Swan" überzeugte, nicht bei der Bibelerzählung, die im Alten Testament nur ein paar Kapitel umfasst. Stattdessen baut er sie aus und erzählt zudem die Vorgeschichte, mit Kains Brudermord an Abel als zentralem Motiv. Noah (Russell Crowe) erscheint es immer wieder im Traum, er hat Visionen von Zerstörung und dem Ende der Welt. Kein Wunder: Die Abkömmlinge Kains haben sich - dem Bibelvers entsprechend - die Erde untertan gemacht. Sie haben sie zerstört und wild wuchernde und verderbte Städte errichtet. Nun ziehen sie mordend durchs Land, auf der Suche nach Nahrung.

Noah (l.) mit seinem Widersacher und entfernten Verwandten Tubal-Kain.

Noah (l.) mit seinem Widersacher und entfernten Verwandten Tubal-Kain.

(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Regency Engtertainment (USA), Inc.)

Noah dagegen, ein Nachkomme von Adams Sohn Seth, versucht, die Welt zu erhalten - er ist der erste Umweltschützer, der sich dem Werk des Schöpfers, wie Gott im Film genannt wird, verpflichtet fühlt. Doch er weiß nicht, was seine Visionen bedeuten. Um dies herauszufinden, macht er sich mit Ehefrau Naameh (Jennifer Connelly, "Blood Diamond") und seinen Söhnen Ham (Logan Lerman, "Percy Jackson"), Shem (Douglas Booth, "Die Säulen der Erde") und Japhet (Leo McHugh Carroll) auf die Suche nach seinem steinalten Großvater Methuselah (Anthony Hopkins, der als Einziger Humor haben darf).

Kritik aus dem religiösen Lager

Unterwegs werden sie nicht nur von Kains Nachkommen angegriffen, die unter dem Befehl von Tubal-Kain (Ray Winstone, "Die Legende von Beowulf") mordend durchs Land ziehen. Sie treffen auch auf die sogenannten Wächter - Figuren aus Stein, die der Film neu einführt. Es sind gefallene Engel, die den Menschen nach der Vertreibung aus dem Paradies helfen wollten, doch von ihnen verraten wurden.

Zur Arche her kommet: Die Tiere laufen ein, immer schön paarweise.

Zur Arche her kommet: Die Tiere laufen ein, immer schön paarweise.

(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Regency Engtertainment (USA), Inc.)

Zudem liest Noah Ila (Emma Watson, "Harry Potter") auf, deren Familie ermordet wurde und die eine enge Beziehung zu Shem aufbaut. Die Erlebnisse der Reise machen Noah jedoch vor allem deutlich: Gott will die verdorbene Menschheit auslöschen und er ist auserwählt, mit einer Arche die Tierwelt zu retten. Also macht er sich ans Werk. Doch auch Tubal-Kain hat Vorahnungen - er macht seine Truppen bereit, Noahs Projekt zu zerstören.

Es braucht bis zur Hälfte des Films, bis die ersten Tropfen der Sintflut auf die Erde fallen. Bis dahin gelingt Aronofsky ein mitreißender, technisch sehr überzeugender und stellenweise auch nachdenklicher Film über Umweltzerstörung und menschliche Solidarität. Er kann dabei zudem auf einen sehr präsenten Hauptdarsteller zurückgreifen, auch wenn dieser vor allem pathetische Sätze von sich gibt.

Die Arche ist in "Noah" kein Schiff im herkömmlichen Sinne, sondern einfach ein Kasten aus Holz.

Die Arche ist in "Noah" kein Schiff im herkömmlichen Sinne, sondern einfach ein Kasten aus Holz.

(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Regency Engtertainment (USA), Inc.)

Dass der Regisseur dabei die Bibel eher frei interpretiert und stellenweise - siehe die Wächter - Anleihen aus Fantasy-Filmen nimmt, mag auch dramaturgischen Gründen geschuldet sein. Es stieß allerdings auf scharfe Kritik religiöser Gruppen. In mehreren islamischen Ländern wurde der Film verboten. Auch christliche Gruppen in den USA nahmen den Streifen aufs Korn - die Handlung sei historisch nicht korrekt, hieß es da etwa. Und der Umweltgedanke verfolge eine "extremistische Agenda". Das Studio Paramount reagierte, indem es betonte, der Film sei von Noahs Geschichte lediglich inspiriert, was wiederum Aronofsky nicht passte. Denn trotz aller Fantasy-Elemente, trotz aller diskussionswürdigen Stellen macht der Regisseur vor allem eins: Er interpretiert eine Geschichte, die von jeher unterschiedlich erzählt und ausgelegt wurde.

Hadern und Zweifeln

Alt und mit weisem Witz: Methuselah (Anthony Hopkins).

Alt und mit weisem Witz: Methuselah (Anthony Hopkins).

(Foto: 2013 Paramount Pictures)

Dies kommt vor allem im zweiten Teil des Films zum Tragen, der eine dramatische, fast schon intime Energie entwickelt: Noah und seine Familie treiben in der Arche über der vom Wasser bedeckten Erde und hoffen auf ein Ende der Katastrophe. Doch Noah hadert mit den Visionen, die er hat, was Zwist unter der Handvoll Menschen auslöst. Denn anders als in der Bibel spricht Gott hier nicht direkt mit ihm. Vielmehr muss Noah seine Träume interpretieren und aus ihnen auf den Willen des Schöpfers schließen. Noah ist hier kein Heiliger oder Prophet, er ist ein suchender und zweifelnder Mensch, der eigene Entscheidungen treffen muss - ein Aspekt, der den Kern des Glaubens trifft und religiösen Fundamentalisten zu denken geben sollte. Es ist zudem ein Aspekt, mit dem Aronofsky den Bibelepos ins neue Jahrtausend holt, weil er von gebrochenen, vielschichtigen Menschen erzählt.

Mit "Noah" macht sich Aronofsky auf die Suche nach den Untiefen im Innenleben der Menschen. Er behandelt Gut und Böse, Hoffnung und Depression, Untergang und Neubeginn, Liebe und Zorn. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes episch und deshalb mitunter nicht jedermanns Sache - auch weil es um eine zutiefst religiöse Geschichte geht, auch weil der Film stellenweise übers Ziel hinausschießt und gerade am Ende im Regenbogen-Kitsch zu versinken droht. Sehenswert ist dieser Film aber allemal, und das nicht nur wegen seiner imposanten Bilderwelten.

"Noah" startet am 3. April in 3D in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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