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Wenn "Into the Wild" auf "Mad Max" trifft "Road, Movie" oder die Magie des Kinos

"Road, Movie": ein ungleiches Quartett auf Reisen

"Road, Movie": ein ungleiches Quartett auf Reisen

Die Magie des Kinos erzählt von der Welt, vom Leben, von sich selbst, vom Leid, vom Schmerz - weit weg von allem. Du kannst dich ihr hingeben, dich in ihr verlieren. "Road, Movie" ist das beste Beispiel dafür und der Beweis, dass indisches Kino mehr zu bieten hat als nur Bollywood.

Es gibt Filme, die drängen sich dem Zuschauer auf den ersten Blick nicht auf. Sie kommen unscheinbar daher, sind leicht zu übersehen. Action? Es geht auch ohne. Bekannte Schauspieler, Star-Regisseur oder Erfolgs-Produzent? Vollkommene Fehlanzeige. Viele von diesen Filmen entpuppen sich als wahres Kleinod. "Station Agent" ist so ein Streifen oder auch "A Film With Me In It". "Road, Movie" gehört unweigerlich dazu. Wer ihn einmal gesehen hat, wird ihn nie wieder vergessen!

"Road, Movie" kommt aus Indien und die Handlung steckt bereits im Titel. Es geht um die Straße, eine Reise, eine Suche nach sich selbst und eine Flucht von sich selbst. Und es geht um den Film, das Kino und um Träume. Der Traum von Vishnu (Abhay Deol) ist es, nicht wie sein Vater zu enden, als altmodischer Verkäufer von indischem Haaröl: "Ein Tropfen Athma in dein Haar. Besseres gibt es nicht fürwahr. Und das Haar wächst wunderbar."

Ein 1942er Chrysler als "treuer" Begleiter - da sind Abenteuer programmiert.

Ein 1942er Chrysler als "treuer" Begleiter - da sind Abenteuer programmiert.

Als er eine Flasche dieses "Wunder-Elixiers" an einen Freund der Familie liefert, der einen uralten Truck in ein Museum überführen soll, passiert es. Vishnu träumt von der Weite der Straße, von kleinen Teepausen zwischendurch, von kühler Nachtluft. Kurzum: Seine Abenteuerlust ist geweckt - trotz des rostigen Vehikels, ein 1942er Chrysler, der mit zwei italienischen Filmprojektoren ausgestattet ist und somit als mobiles Kino fungiert. "Breite Leinwand, guter Ton, der Vorläufer des Heimkinos", sagt der Familienfreund und Vishnu packt seine Sachen für den sechstägigen Überführungstrip. Mit dabei natürlich auch einige Kisten Haaröl, die ihm sein Vater mit auf den Weg gibt. Noch ahnt Vishnu nicht, wie wichtig diese Geste ist.

Wenn jemand eine Reise tut …

Vishnu fährt los, dem Horizont und dem Sonnenuntergang entgegen. Durch wüstes, sonnenverbranntes Land. Bei seiner ersten Teepause mitten im Nirgendwo gabelt er einen vorlauten Jungen auf. Der kleine Junge (Mohammed Faisai) will ebenso wie Vishnu etwas mehr vom Leben, eine glücklichere, schönere Zukunft. Von da an fahren sie gemeinsam.

In der Ruhe liegt die Kraft: ein altersschwacher Lkw und seine Insassen.

In der Ruhe liegt die Kraft: ein altersschwacher Lkw und seine Insassen.

Aber nicht lange. Denn der alte Chrysler gibt irgendwo in der Wüste seinen Geist auf. Der kleine Junge rennt los und kommt mit Om zurück (Satish Kaushik), einem alten, verdreckten, übelriechenden Mann. Vishnu mag ihn nicht, aber Om repariert den Lkw und will deshalb mitfahren. Am liebsten zu einem Fest "ganz in der Nähe".

Das ungleiche Duo wird zu einem Trio infernale: Vishnu, chronisch unzufrieden, immer auf der Suche nach der einfachsten Lösung im Leben, der geborene Egoist. Der alte Mann, der schon viel erlebt hat und immer wieder von seiner glücklichen Kindheit erzählt, eine Kindheit, die auch der kleine Junge gerne hätte. Die drei sind auf dem Weg zu dem Abenteuer ihres Lebens, denn in der indischen Wüste herrscht die Wassermafia. Sie kontrolliert die wenigen Brunnen und Wasserstellen, immer wieder sieht man eine Karawane von Frauen am Horizont vorbeiziehen, die Wasserkrüge auf ihren Köpfen tragen und auf der Suche nach dem kostbaren Nass sind.

Die Magie des "mobilen Kinos"

Die Karawane zieht weiter ...

Die Karawane zieht weiter ...

Irgendwann ist es dann soweit: das Trio wird von einer Polizeikontrolle gestoppt. Eine surreal anmutende Situation, die regelrecht irreal wird, als die drei dem Polizeichef vorgeführt werden, der gerade einen von der Decke baumelnden Mann foltert. Um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden, willigen sie ein, das "mobile Kino" in Gang zu bringen und einen Film zu zeigen. Om kennt sich damit einigermaßen aus, denn als Kind hat er mehrere dieser Autos herumfahren sehen: Für Kinder waren die Filmvorführungen immer kostenlos. Der Plan geht auf. Dem Polizeichef gefällt der Film, er trinkt, feiert und schläft seinen Rausch aus - Vishnu, Om und der kleine Junge fliehen mit ihrem mobilen Kino.

Die junge Frau (Tannishta Chatterjee) verdreht Vishnu den Kopf.

Die junge Frau (Tannishta Chatterjee) verdreht Vishnu den Kopf.

Eine Geschäftsidee scheint geboren. Erst recht, als sie mittlerweile halb verdurstet und zu viert - unterwegs haben sie eine wunderschöne, aber arme Frau (Tannishta Chatterjee) aufgegabelt - sind. Vishnu hat sich sofort in die Frau verguckt. Om und der Junge halten sie für eine Diebin. Diesmal sind sie es, die Vorurteile gegen den Neuankömmling in ihrer Mitte hegen. Es stellt sich aber heraus, dass die Frau auf der Suche ist, genau wie Vishnu, Om und der kleine Junge selbst. Sie sucht die Wassermafia und deren Anführer, denn sie haben ihren Ehemann ermordet.

Sie fahren weiter durch die Wüste: Ihr Ziel ist das Fest, von dem Om erzählt hat. Nur der Ort will einfach nicht auftauchen. Als sie endlich ankommen an Oms mysteriösem Festplatz, ist von einer Party weit und breit nichts zu sehen. Noch schlimmer: Das Quartett hat kein Wasser mehr.

Man sollte immer eine Großbildleinwand dabei haben - auch mitten im Nirgendwo.

Man sollte immer eine Großbildleinwand dabei haben - auch mitten im Nirgendwo.

Da kommt Om eine Idee: Sie bauen die Breitbildleinwand auf und das altmodische Soundsystem. So hätten es auch die mobilen Filmvorführer in seiner Jugend gemacht, sagt Om. Und es dauert nicht lange, bis mitten im Nirgendwo urplötzlich Menschen auftauchen. Hunderte, von irgendwoher: Kinder, Familien, Alte und Gebrechliche. Sie bringen Essen mit und Wasser. Der gezeigte Film, eine Bollywood-Schmonzette, kommt an. Das Fest dauert lang, aber am Morgen sind die vier wieder allein. War die letzte Nacht nur ein Traum?

Nicht lange, und die Realität holt sie ein: Die Wassermafia hat sie entdeckt und denkt, dass Vishnu mit dem Lkw Wasser schmuggelt. Die Mafiosi scheinen direkt der "Mad Max"-Reihe entsprungen, ihre Fahrzeuge und Waffen ebenso. Das Leben der vier ist in Gefahr, aber da zeigt "Athmas Haaröl" endlich seine unglaubliche Wirkung …

"Into The Wild" meets "Mad Max" auf indisch

"Road, Movie" ist als DVD und Blue-ray bei Senator erschienen.

"Road, Movie" ist als DVD und Blue-ray bei Senator erschienen.

"Road, Movie" ist ein unsagbar schöner Film. Er ist ein waschechtes Roadmovie, dessen Protagonisten immer auf der Suche sind: nach etwas Besserem, etwas Schönen, nach sich selbst, nach der Erfüllung ihrer Träume. Der Film ist aber auch eine Hommage an die Macht des Films und des Kinos, verpackt in atemberaubende Bilder, die unfassbar majestätische Landschaftsaufnahmen zeigen, deren Weite unendlich erscheint, wie die Träume der vier selbst.

Die träumerische Inszenierung wird noch von einem perfekt eingebetteten Score umrahmt. Die Musik geht auf das Konto von Michael Brook, der auch für "The Fighter" verantwortlich zeichnet. Das Ganze erinnert an "Into The Wild", bei dem die Musik aus der Feder und mit der Stimme des Pearl-Jam-Frontmanns Eddie Vedder, das Tüpfelchen auf dem i zur Handlung um den jungen "Supertramp" gewesen ist. Bei "Road, Movie" ist es genauso. Der Zuschauer verliert sich in dem Film, in der Story, den Bildern, der Musik. Das Ende, das leider allzu sehr an Hollywood erinnert, ist dennoch zu verschmerzen. "Road, Movie" muss man gesehen haben.

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Quelle: ntv.de

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