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Damen-Wahl Starke Stimmen fürs Frühjahr

Schlaue und schöne Musik ....

Schlaue und schöne Musik ....

Intelligente Popmusik von selbstbewussten Sängerinnen und Songschreiberinnen, die sich nicht beim Mainstream anbiedern - der Markt hat da zur Zeit einiges zu bieten: Keren Ann und Marianne Dissard mit Chanson-Hintergrund, Jessica Lea Mayfield und das Frauen-Projekt Sea of Bees mit Wurzeln im US-Folkpop.

Der Fan hat die Qual der Wahl - oder er nennt es einen Streifzug durch die Neuerscheinungen fürs Frühjahr 2011. Am längsten im Geschäft ist die israelisch-niederländische Künstlerin Keren Ann, die nach einigen französischsprachigen Alben nun mit "101" (EMI) ein wunderbar verspieltes Werk komplett auf Englisch vorlegt. Die 36-Jährige hatte lange mit Chanson-Superstar Benjamin Biolay gearbeitet und gerade in Frankreich Erfolg. Aber auf diesen Lorbeeren mochte sich die exotische Schönheit mit Wohnsitzen in Paris, Tel Aviv und New York nicht ausruhen.

Nun orientiert sich Keren Ann mehr am Folkpop einer Leslie Feist ("Songs From A Tour Bus", "Strange Weather") oder Aimee Mann ("All The Beautiful Girls", "She Won't Trade It For Nothing"). Auch die Velvet-Underground-Chanteuse Nico dürfte ihr nicht unbekannt sein.

Gestreichelte Gitarren, Keyboards und sanfte Streicher prägen die zehn toll produzierten und sensibel gesungenen Lieder, die bei "My Name Is Trouble", dem groovenden "Sugar Mama" und "Blood On My Hands" auch mal ins Unangestrengt-Poppige abdriften. Insgesamt aber ist "101" (der Titel erschließt sich aus dem coolen Sprechgesang des Schlusstracks) ein anspruchsvolles, ein reifes Album.

Musikalische Emanzipation

Dies gilt auch, aber doch ganz anders, für Marianne Dissard und ihren Zweitling "L'Abandon" (Le Pop Musik/Groove Attack), was mit "Abkehr" zu übersetzen ist. Die Geschichte zu diesem Album besagt, dass sich die seit langem in Tucson/Arizona lebende Französin damit sowohl von ihrem Ex-Ehemann Naim Amor als auch vom vorherigen Mentor Joey Burns (Calexico) emanzipieren wollte.

Allerdings wurzelt Dissards Musik weiterhin im kosmopolitischen Folkpop, Mariachi-Jazz und Wüstenrock, für den Calexico mit Recht so berühmt geworden sind. Zumal auch eine ganze Reihe Musiker aus dem Umfeld der Tucson-Band helfend zur Hand gingen. Als Songschreiber gewann die 41-Jährige den Ennio-Morricone-Schüler Christian Ravaglioli, der ihr ein sehr abwechslungsreiches Melodiengerüst für die englischen und französischen Texte zusammenbaute.

Die Tucson-Hymne "The One And Only" mit einer jazzigen Trompete ist der erste Höhepunkt eines spannenden Albums, gefolgt vom Duett "Neige Romain" mit der Samtstimme von Brian Lopez (unterlegt von Politiker-Samples, unter anderem von Kanzlerin Angela Merkel). Dissard präsentiert mit "Almas Perversas" ihre erste Eigenkomposition und steuert ansonsten einen leicht brüchigen, verruchten Sprechgesang bei. Alles in allem klingt das Album wie der Soundtrack zu einem Neowestern im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet - charmante Country-Chansons im Cinemascope-Format.

Mädchenhaft und kraftvoll

Wie ein Wüstenrock-Song von Calexico beginnt auch "Gnomes", der Opener des Debütalbums "Songs For The Ravens"(Heavenly/Cooperative) von Sea of Bees. Dahinter verbirgt sich eine junge Kalifornierin mit dem sperrigen Namen Julie Ann Baenziger, die sich freundlicherweise kurz Jules nennt.

Mit mädchenhafter und zugleich kraftvoller Stimme singt sie über ihr Coming-Out, ihre Liebe zu Frauen und den Wert der Freundschaft an sich. Dazu erklingen zuckersüße Gitarrenfolk-Melodien, hin und wieder auch rauerer Gitarrenrock und leichte Elektronik-Sprengsel. Die Mittzwanzigerin soll das Album bis auf die Schlagzeug-Parts komplett allein eingespielt haben, was auf ein erstaunliches Talent schließen lässt. Schöne Platte.

Großartig und klug

Mit schön ist die Musik von Jessica Lea Mayfield nur unzureichend beschrieben. Ihr zweites Album "Tell Me" (Nonesuch/Warner) spiegelt Trauer, Schmerz, Sehnsucht und Euphorie in elf großartigen, klugen Liedern. Von allen hier vorgestellten Platten dürfte diese auch außerhalb der Fachkreise am meisten Furore machen.

Die 21-jährige Mayfield hatte 2008 das Glück, vom angesagten Neo-Bluesrock-Gitarristen Dan Auerbach (The Black Keys) entdeckt zu werden, der auch diese Platte wieder wunderbar authentisch produziert hat. Das Material auf Tell Me weist sie nun als hochtalentierte, ja frühreife Songwriterin aus, die die prominente Hilfe eigentlich schon gar nicht mehr nötig hat.

Aus Alternative Country, Blues und Soul setzt die mit einer lasziv-müden Stimme ausgestattete Mayfield faszinierende Songs zusammen, wie sie eine Lucinda Williams oder Neko Case kaum besser hinbekommen könnten. Dazu lässt Auerbach etwa im Opener seine charakteristische E-Gitarre kräftig aufjaulen oder ibei reichlich Hall twangen. Mit einem ohrwurmigen Sixties- Popsong wie "Blue Skies Again" könnte der Weg von Jessica Lea Mayfield sogar ins Mainstream-Radio führen. Klasse-Album!

 

Quelle: ntv.de, dpa

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