Kino

Falscher Umgang mit Lebensmitteln "Taste the Waste" enttarnt

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Allein in Deutschland landen jährlich 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Wertschätzung gegenüber unserer Nahrung geht durch einen grenzenlosen Zugang verloren. Der Film "Taste the Waste" nimmt sich dieses Themas an und beeindruckt durch die gekonnte Aufarbeitung von Fakten, seine schockierenden Bilder und die Ermutigung, dass es aus der Misere einen Weg gibt.

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Jedes fünfte Brot wird für die Tonne gebacken.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Wertschätzung von Lebensmitteln ist in den letzten Jahrzehnten allmählich verloren gegangen. Rund ein Drittel der weltweit produzierten Nahrung landet auf dem Müll, der größte Teil davon, noch bevor er in den Handel kommt. Das System der Lebensmittelindustrie ist total pervertiert.

Wie groß genau das Ausmaß dieser Perversion ist, zeigt der Dokumentarfilm von Valentin Thurn "Taste the Waste", der zurzeit in den deutschen Kinos zu sehen ist. Thurn zeigt uns riesige Lebensmittelmüllberge, die mit ihrer schockierenden Wirkung sehr nah an die Bilder aus der Massentierhaltung heranreichen. Er zeigt uns die dunkle Seite der Lebensmittelindustrie, die weltweit ihr Unwesen treibt.

Die dunkle Seite der Überflussgesellschaft

Mit Bildern aus allen Teilen der Welt beweist Thurn, in welcher respektlosen Überflussgesellschaft ein Teil der Menschheit lebt. In allen Industrienationen werden unglaubliche Mengen von Lebensmitteln, die weder verdorben noch ungenießbar sind, einfach weggeworfen, obwohl jährlich 9 Millionen Menschen auf der Erde verhungern. Die Gründe dafür liegen im System selbst. Angestellte in einem Supermarkt in Frankreich beispielsweise sammeln täglich große Mengen Joghurtbecher aus den Regalen, deren Mindesthaltbarkeitsdatum unter einer Woche liegt. Sie schaffen Platz für neue und frischere Ware, die der Käufer schließlich wünscht. Der Supermarkt produziert nach Angaben des Filialleiters pro Jahr zwischen 500 und 600 Tonnen Müll.

Aber auch in Japan, Italien, den USA, in Österreich und in Deutschland kommen Menschen zu Wort, die sich aus beruflichen Gründen oder aus reiner Überzeugung mit dem Thema Lebensmittelmüll beschäftigen. Müllforscher aus Österreich stellen fest, dass ein großer Prozentsatz des alltäglichen Hausmülls aus Lebensmitteln besteht. Was die Forscher am meisten daran verblüfft, ist, dass die meisten Lebensmittel im Müll völlig einwandfrei waren und hätten gegessen werden können.

Reichlich Material

Thurn hat für seinen Film drei Jahre Material zusammengetragen. Er lässt die eingefangenen Bilder und die Protagonisten für sich stehen und dem Kinobesucher damit Raum, selbst zu werten, zum Beispiel, ob es ethisch vertretbar ist, dass ein Bäcker sein altes Brot zum Heizen seines Betriebes verwendet oder auch, ob es tatsächlich ratsam ist, dass Essensreste zu Schweinefutter aufgearbeitet werden, wie etwa in Japan. Nebenbei bekommen die Zuschauer an der richtigen Stelle Hintergrundinformationen, wie zum Beispiel, dass es in der Europäischen Union seit November 2006 verboten ist, Essensreste an Schweine zu verfüttern.

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Müllforscherin Felicitas Schneiderwird in Wien im ganz normalen Hausmüll fündig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das pervertierte System der Lebensmittelerzeugung und -vernichtung ist nicht nur teuer für den Verbraucher, sondern auch eine Katastrophe für die Umwelt. Beim Verrotten von Nahrungsmitteln entsteht Methan, das in die Atmosphäre ausgestoßen wird. Methan trägt erheblich zur Erderwärmung bei. Allein die Halbierung des Lebensmittelmülls würde für das Klima so viel bringen, als würde weltweit jedes zweite Auto stillgelegt.

Kinofilme zum Glück ohne Gerüche

In den knapp 90 Minuten tauchen immer wieder riesige Lebensmittelhalden auf, bei deren Anblick jeder froh sein dürfte, dass der Geruch im Kino außen vor bleibt. Thurn ist es gelungen, das entartete System der Lebensmittelindustrie aufzuschlüsseln. Er zeigt den Bauern, der die Hälfte der Kartoffeln unterpflügen muss, weil sie nicht den Normen des Handels entsprechen, er zeigt den Händler im Großmarkt, der tonnenweise Orangen entsorgen lässt, weil diese nicht mehr frisch genug sind, um sie zu verkaufen, er zeigt den Angestellten des japanischen Supermarktes, der täglich damit beschäftigt ist, aussortierte Lebensmittel von ihrer Verpackung zu trennen.

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Tonnenweise werden täglich Lebensmittel aussortiert, weil sie den Normen nicht entsprechen. Der Handel preist die Verluste ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Obwohl der Regisseur eine eindeutige Haltung zum Thema einnimmt, gibt es an keiner Stelle im Film etwas Belehrendes oder aufdringlich Übergestülptes. Thurns "Taste the Waste" ist gesellschaftskritisch und prangert ganz klar Handel und Politik an, richtet sich aber gleichzeitig an das Bewusstsein des einzelnen Verbrauchers. Er schafft es durch seine einfühlsame Art, auch die Menschen zu Wort kommen zu lassen, die sich mit kreativen Ideen und bewusster Lebensführung so gut wie möglich diesem System entziehen. "Mülltaucher" schaffen es beispielsweise, zu 90 Prozent ihr Leben aus der Tonne zu bestreiten. Junge Frauen in den USA legen Dachgärten an und ernten ihr eigenes Gemüse, Bienenzüchter erkennen die Ressourcen für ihre Bienen in den Großstädten und ein alter Mann liest schon von Kindesbeinen an die nach der Ernte übrig gebliebenen Kartoffeln vom Feld.

"Taste the Waste" ist ein sehenswerter Dokumentarfilm, der das System entlarvt, das Problem der ungerechten Verteilung aufgreift und klarmacht, dass alle Menschen in den reichen Ländern ein Teil des Systems sind. Wir erwarten als Verbraucher stets ein großes Angebot an frischen, gesunden und schmackhaften Waren. Vor allem Obst und Gemüse sollten nahezu makellos sein, bevor sie im Einkaufswagen landen. Mit diesem Lebensstil handeln wir auf Kosten von Kleinbauern, Menschen aus Entwicklungsländern und natürlich der Umwelt. Ein Umdenken ist nötig!

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Quelle: ntv.de

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