Traumberuf Kriegsfotograf "The Bang Bang Club" und seine Bilder
08.12.2011, 07:08 Uhr
V.l.n.r.: João Silva (Neels van Jaarsveld), Ken Oosterbroek (Frank Rautenbach), Kevin Carter (Taylor Kitsch) und Greg Marinovich (Ryan Phillippe)
(Foto: Senator)
Ihr Job ist lebensgefährlich. Ihr Job ist moralisch fragwürdig. Ihr Job ist ein Traumberuf: Kriegsfotograf. Der "Bang Bang Club“ vereint vier von ihnen. Der gleichnamige Film beruht auf ihrer Geschichte und sie ist wahr.
Erinnern Sie sich noch an den Irak-Krieg? Welche Bilder schwirren Ihnen durch den Kopf? Der in einem Erdloch gefangene verwilderte Saddam Hussein? Das fallende Saddam-Hussein-Denkmal? Oder die Folterbilder von Abu Ghraib? Ein einzelnes Bild kann sehr viel ausdrücken. Es kann mehr sagen als 1000 Worte. Ein Bild kann alles verändern. Es hat Macht. Und Kriegsfotografen wissen das. Sie gehen dorthin, wo Leid, Gewalt, Verbrechen und Tod allgegenwärtig sind. In Krisen- und Kriegsgebieten schießen sie ihre Fotos, die uns und der Gesellschaft dann den Spiegel vorhalten. Sie kommen weit herum, sehen viel. Aber ist es ein Traumjob?
Für den freien Fotojournalisten Greg Marinovich (Ryan Phillippe; "Eiskalte Engel") schon. Er kommt Anfang der 1990er nach Südafrika, wo gerade ein geheimer Krieg zwischen der Apartheid und der verbündeten Inkatha-Bewegung mit ihren Tausenden Zulu-Kriegern gegen Nelson Mandelas Partei ANC und deren Anhänger tobt. Er hat Glück und stößt bei einem Zwischenfall auf die Fotografen Kevin Carter (Taylor Kitsch), Ken Oosterbroek (Frank Rautenbach) und João Silva (Neels van Jaarsveld). Alle fotografieren sie die Leiche eines von einem marodierenden Mob getöteten Mannes. "Vergiss die lange Brennweite. Sowas wirkt nur in einer Großaufnahme", rät ihm Carter noch. Dann sind er und seine beiden Kollegen verschwunden.

Immer in Bewegung: Entweder rennt man als Kriegsfotograf um sein Leben oder um den "goldenen" Schuss.
(Foto: Senator)
Marinovich fragt einen Jungen, warum der Mann getötet wurde. "Die brauchen keinen Grund. Wir sind ANC und die sind Inkatha. Zulus", antwortet der Junge und entgegen dessen Rat macht sich Marinovich auf die Suche nach ihnen. Er findet sie schneller als ihm lieb ist und muss um sein Leben rennen. Aber bekommt die Fotos, die ihm die Tür zur Zeitung "The Star" öffnen - und zum "Bang Bang Club", einer kleinen verschworenen Gruppe Kriegsfotografen: Carter, Oosterbroek und Silva.
Der "goldene" Schuss
Der "Club" zieht aus Sicherheitsgründen immer gemeinsam los. Immer auf der Suche nach dem besonderen, dem einzigartigen Bild sind sie bei der Arbeit Rivalen. Marinovich lernt von den "alten Hasen" schnell und viel, und eines Tages ist es dann soweit. Als die Gruppe nach einer Straßenschlacht über ein Feld aus Toten zieht, sieht Marinovich einen vor einer Gruppe flüchtenden Mann. Er rennt hinterher, sieht wie der Mann misshandelt, geschlagen und getreten wird. "Wer ist er?" fragt Marinovich. "Er gehört zur Inkatha, das Schwein", ist die Antwort. "Sind sie sicher?" hakt der Fotograf nach. "Er ist Zulu!" antwortet man ihm aufgebracht. "Ja Zulu. Aber muss er gleich zur Inkatha gehören?" "Wir wissen das ganz sicher!" Marinovich verstummt - und schießt Fotos.

Diese Aufnahme eines brennenden Zulu aus dem Jahr 1990 bringt Greg Marinovich den Pulitzer-Preis.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Als der Mann mit einer Machete traktiert wird, bricht es aus Marinovich heraus: "Schluss damit! Aufhören!" Er wird freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen, keine Bilder mehr zu machen. "Ich mach keine Bilder mehr, wenn sie aufhören, ihn umzubringen!" Ein kurzes Wortgefecht folgt, dann verstummt Marinovich. Der am Boden liegende, zusammengekrümmte Mann wird mit Benzin übergossen. Marinovich ist paralysiert. Doch als ein Streichholz den Mann entzündet, er aufspringt und für ein paar Sekunden wie eine lebende Fackel auf der Straße herumtaumelt, macht es bei Marinovich "Klick" - und beim Auslöser seiner Kamera: Er schießt ein Foto nach dem anderen, das Letzte als ein erneuter Machetenhieb den brennenden Mann niederstreckt.
Das Bild geht an AP und dann um die Welt. Marinovich erhält den Pulitzer-Preis. Was bleibt - neben dem Ruhm - sind allerdings auch die quälenden Erinnerungen. Erinnerungen, die auch Carter immer wieder plagen: Tote, Leichen, Gemetzel. Er greift immer häufiger zu Drogen. Verliert seinen Job. Er flüchtet vor sich selbst und in den Sudan. Und dort macht er das Foto seines Lebens: Ein verhungerndes Kind kauert am Boden. Nur wenige Schritte entfernt, lauert bereits ein Geier. Carter sucht sich die beste Position - und drückt ab: "Bang". Auch er erhält für sein Bild den Pulitzer-Preis - und jede Menge bohrende Fragen: "Haben Sie dem Kind geholfen?" "Haben Sie den Geier verjagt?" Wenig später nimmt sich Carter das Leben.
Ein Foto gegen das Vergessen, ein Film für die Ewigkeit
Regisseur Stephen Silver nahm sich des Stoffs an, der auf der Geschichte Carters und der drei anderen Mitglieder des "Bang Bang Clubs" und ihren erschütternden Bildern beruht. Er zeigt, wie der "Club" Tag für Tag in die Townships fährt, wie zu einer Angeltour. Ihre Fanggeräte sind ihre Kameras, die Köder die Menschen und ihr Leben um sie herum. Er zeigt die Zerrissenheit der Fotografen ob ihres moralisch fragwürdigen Jobs. Helfen oder fotografieren? "Es gibt nichts, was ich für diese Leute tun kann. Nichts, außer Fotos zu schießen", sagt Marinovich im Film. Ob er auch fest genug daran glaubt?
Silver schafft es, ein politisch und moralisch schwieriges Thema in einen großartigen Film zu verwandeln. Einen Film, der viele Fragen aufwirft und bei dem der Zuschauer mehr als nur einmal ins Grübeln kommt. Im Endeffekt sind wir es, die die Bilder sehen wollen, die deshalb die Zeitungen und Zeitschriften kaufen - die deshalb den Fernsehkanal wechseln. Wenn Sie "The Bang Bang Club" gesehen haben, beantworten Sie sich folgende Frage: "Welches Bild des Films ist hängengeblieben?"
Quelle: ntv.de