Kino

"Nicht nur 15 Minuten Ruhm" Volbeat, die neue Elite des Rock

8. Juni 2013, Rock am Ring, Hauptbühne, circa 22 Uhr:  Volbeat-Frontmann Michael Poulsen in Aktion.

8. Juni 2013, Rock am Ring, Hauptbühne, circa 22 Uhr: Volbeat-Frontmann Michael Poulsen in Aktion.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sie tourten mit Metal-Göttern wie Metallica, Megadeth oder Motörhead. Doch still und leise haben sich Volbeat aus Dänemark längst selbst einen Platz im Rock-Olymp erkämpft. Ihr jüngstes Album "Outlaw Gentlemen & Shady Ladies" schoss in Deutschland nicht nur auf Platz 1, es holte auch binnen kürzester Zeit Gold. Mit anderen Worten: Let's rock!

Das Wetter war echt bescheiden, als sich Volbeat vor Kurzem in der Berliner Wuhlheide die Ehre gaben. Es war die große Regenzeit in Deutschland. Es schüttete wie aus Eimern und stürmte, als gäbe es kein Morgen. Doch rund 17.000 Fans der Dänen ließen sich davon nicht beirren. Das Konzert war seit Wochen ausverkauft. Und trotz der sintflutartigen Stimmung füllte sich das weite Rund. Welcher wahre Rocker kapituliert schließlich schon vor ein paar Regentropfen?

Poulsen ist ein Bilderbuch-Rockstar - in jeder Hinsicht.

Poulsen ist ein Bilderbuch-Rockstar - in jeder Hinsicht.

(Foto: Chris Hilton / Universal Music)

Volbeat? Nicht bei jedem wird es da sofort Klick machen. Der Erfolg der Gruppe um Mastermind und Frontmann Michael Poulsen kam auf eher leisen Sohlen. Bereits 2001 gegründet, legte die Band im April 2013 mit "Outlaw Gentlemen & Shady Ladies" ihr mittlerweile fünftes Studioalbum vor. Dass ihre Veröffentlichungen in ihrer Heimat stets durch die Decke gehen, sind Volbeat schon gewohnt. In Dänemark sind sie Superstars. Doch nun haben sie es auch international bis ganz nach oben geschafft. Ihr aktuelles Album erklimmt in sechs Ländern, darunter erstmals auch Deutschland, die Nummer 1 der Hitparaden. Nicht nur hierzulande wird es bereits kurz nach seiner Veröffentlichung mit Gold ausgezeichnet. Und auch über dem großen Teich fährt man voll auf Volbeat ab. In den USA schaffen es die Dänen immerhin bis auf Platz der 9 der Billboard-Charts.

"Was ist Erfolg?", fragt Poulsen, auf den Durchmarsch seiner Gruppe angesprochen, rhetorisch zurück. Er ist trotz der vielen Tattoos, die unter seiner Kleidung hervorblitzen, alles andere als ein Schmuddel-Rocker. Zum Interview in einem Zelt hinter der Open-Air-Bühne in Berlin erscheint er ganz in Schwarz, mit glänzender Lederjacke, gepflegter und fein säuberlich gelegter Haartolle. Ein Rocker mit Stil. Und einer, der seinen Job ernst nimmt. Wenn Poulsen spricht, wirkt er äußerst konzentriert, kaum ein Lächeln huscht ihm über das Gesicht. Hier sitzt einem kein Hobby-Musikus gegenüber. Sondern einer, der Anspruch auf einen dauerhaften Platz in der Eliteklasse des Rock erhebt. Da kann es ihn auch nicht aus dem Konzept bringen, dass der stürmische Wind, der um uns tobt, das Zelt beinahe wegzufegen droht und den Regen ins Innere treibt.

"Hör auf dein Herz"

"Für mich machen viele Dinge Erfolg aus", fährt Poulsen stoisch fort. "Es ist auch Erfolg, aufzuwachen und zu wissen, was man zu tun hat. Ich habe diese Band und meine Brüder in ihr. Und wir lieben, was wir tun. Wir können um die ganze Welt reisen und unser Ding machen. Das ist für mich ein großer Erfolg", erklärt der Sänger. Und schon im nächsten Moment bestätigt er den Eindruck, den allein sein Auftreten vermittelt: Poulsen ist ein Arbeitstier. Einer, der weiß, dass von nichts auch nichts kommt: "Am Ende des Tages wacht man auf und hat das Gefühl, dass man es verdient hat. Das sind nicht nur 15 Minuten Ruhm. Sondern das hat viel mit Hingabe zu tun, seit ich etwa 14 Jahre bin."

Die komplette derzeitige Besetzung von Volbeat: Anders Kjølholm, Rob Caggiano, Jon Larsen und Michael Poulsen (v.l.n.r.).

Die komplette derzeitige Besetzung von Volbeat: Anders Kjølholm, Rob Caggiano, Jon Larsen und Michael Poulsen (v.l.n.r.).

(Foto: picture alliance / dpa)

Heute ist Poulsen 38. Im Musikgeschäft ist er seit mehr als 20 Jahren. Anfang der 90er Jahre gründete er zunächst die Gruppe Dominus. Ihr Sound: Death Metal. Davon distanzieren will sich der Sänger auf keinen Fall. "Ich liebe Death Metal noch immer", versichert er. Doch irgendwann habe er angefangen, Lieder zu schreiben, die nicht mehr in das bewährte Strickmuster passen wollten. "Wenn man schreibt, muss man seinem Herzen folgen", sagt Poulsen, um sich noch im gleichen Atemzug zu korrigieren: "Man sollte bei allem, was man im Leben tut, seinem Herzen folgen. Das ist, was ich mit Volbeat getan habe." Durch den Schritt zur neuen Band habe er sich von stilistischen Zwängen befreien können. Mehr noch: "Ich höre so unterschiedliche Musikarten, dass es für mich geradezu selbstverständlich war, Country, Punk, Rockabilly und Metal in ein und derselben Band zu vereinen."

Es ist genau dieser Stilmix, der Volbeat in der Rocklandschaft derzeit ein weitgehendes Alleinstellungsmerkmal verleiht, auch wenn manche Songs der Band vom melodischen Punkrock alter Recken wie Social Distortion nicht weit entfernt sind. Nicht ohne Grund zählt Poulsen just diese Band zu seinen Idolen und hat ihren Namen groß und breit auf seinem rechten Unterarm tätowiert. Auf seiner Brust ehrt er indes Johnny Cash, während auf seinem linken Unterarm "Elvis Aaron Presley" zu lesen ist. Poulsen lebt das Sprengen der Genre-Grenzen. Dass Einige für Volbeat just deshalb ein neues Genre namens "Elvis-Metal" ausgerufen haben, stört den Sänger indes so gar nicht. "Ich mag Elvis. Und ich mag Metal. Also warum sollte mir das nicht gefallen?", erklärt er lapidar.

Auf den Spuren des Kings

Dass er Elvis mag, ist dabei schon eine ziemliche Untertreibung. Poulsen ist ein Fan, ein Verehrer des seit mehr als 35 Jahren toten Kings. "Ich denke, Elvis war in allen seinen drei Phasen - von den 50ern über die 60er bis zu den 70ern, in denen er uns verlassen hat - überragend", mag Poulsen keine Abstriche an seiner Begeisterung für Presley vornehmen. Wenn er sich jedoch wirklich entscheiden müsste, welchen Zeitabschnitt in der Karriere seines Idols er besonders hervorheben würde, dann wären das die Jahre 1968 bis 1969, erklärt er.

Das aktuelle Album der Band ist "Outlaw Gentlemen & Shady Ladies"

Das aktuelle Album der Band ist "Outlaw Gentlemen & Shady Ladies"

(Foto: Universal Music)

Nichts belegt wohl mehr, wie ernst es dem Rocker mit seiner Elvis-Liebe ist, als die Tatsache, dass er seine Hochzeit kurzerhand nach Graceland verlegt hat. Hat ihn seine künftige Frau nicht für verrückt erklärt, als er ihr den Vorschlag dazu unterbreitete? "Sie sagte: Let's rock", erklärt Poulsen und lächelt. Einer der wenigen Momente in dem Gespräch, in dem er für einen Augenblick die Zügel seiner professionellen Anspannung ein wenig schleifen lässt. "Sie hatte auch überhaupt keine Lust auf ein weißes Kleid, Kirche und all das, was eben zu einer 'normalen' Hochzeit gehört. An diesen Dingen ist nichts Falsches. Aber es ist nicht ihr Stil. Und definitiv auch nicht meiner", sagt Poulsen. Das sei sicher eine ziemlich coole Hochzeit gewesen, bohren wir nach. "Das war es!", quittiert der Sänger die Bemerkung. Und lacht versonnen.

Doch es ist nicht nur Elvis, der Poulsen inspiriert, es sind ganz allgemein der Rock'n'Roll und die 50er Jahre - sowohl in der Musik als auch den Texten von Volbeat. "Heute ist alles so technisch und undurchschaubar", erklärt der Sänger. "Ich mag die Einfachheit der 50er. Und ich mag die Einfachheit der Songs aus dieser Zeit. In vielen von ihnen ging es entweder um die Liebe oder darum, rebellisch zu sein. Damit kann ich mich identifizieren", offenbart er ungeniert den weichen Kern unter seiner harten Schale. "Ich denke, jeder kann sich mit Liebe identifizieren. Deswegen sind wir auf der Erde - um Liebe zu finden. Und um mit denen, die wir lieben, zu sterben."

Wie in einer Ehe

Rocker und Romantiker schließen sich offenbar nicht aus. Rocker und Eurovision Song Contest (ESC) indes anscheinend schon. "Ich wusste gar nicht, dass dieser Contest stattfindet", sagt Poulsen, auf den dänischen Sieg beim Liederwettstreit in Malmö angesprochen. "Wir waren gerade in den USA auf Tour, als mir eine Freundin eine SMS schickte: 'Glückwunsch!' Ich antwortete nur: 'Warum?' Sie fragte mich, ob ich auf einem anderen Planeten leben würde. Und ich sagte ihr: 'Nein, aber ich interessiere mich nur für die Dinge, die wirklich zählen'", macht der Sänger unmissverständlich klar, dass er beim ESC in seiner Heimat im kommenden Jahr sicher keine Fähnchen schwenken wird.

"Eine Band zu sein, ist nicht so leicht."

"Eine Band zu sein, ist nicht so leicht."

(Foto: picture alliance / dpa)

Dafür dürfte die Zahl der Anhänger, die Volbeat zujubeln, bei kommenden Konzerten noch weiter wachsen. Ihre gestiegene Popularität hat die Gruppe nicht zuletzt ihren ausgiebigen Tourneen zu verdanken. Vorarbeiter Poulsen und seine Mitstreiter standen dabei schon beinahe mit allen Rockgrößen, die Rang und Namen haben, auf der Bühne - von Megadeth über Motörhead bis Metallica. "Das sind alles wirklich coole Typen", mag sich der Volbeat-Frontmann abermals nicht wirklich auf einen Favoriten festlegen. Indirekt tut er es dann aber doch: "Mit der weltgrößten Heavy-Metal-Band Metallica unterwegs zu sein, ist natürlich schon ein Stück Geschichte."

Eine Geschichte, die auch Bassist Anders Kjølholm und Schlagzeuger Jon Larsen mitbekommen haben, die seit Gründung der Band vor zwölf Jahren neben Poulsen zur Stammbesetzung von Volbeat gehören. Nur Gitarrist Rob Caggiano ist ein Neuling in der Gruppe. Ursprünglich lediglich als Produzent für das aktuelle Album der Dänen vorgesehen, gab der US-Amerikaner seinen bisherigen Job bei den Metal-Urgesteinen von Anthrax kurzerhand auf, um fortan für Volbeat in die Saiten zu greifen. Er schließt damit eine Lücke, die seit 2001 immer wieder aufs Neue gerissen wurde. Der Posten des Volbeat-Gitarristen scheint einem Feuerstuhl zu gleichen. "Eine Band zu sein, ist nicht so leicht", versucht Poulsen, das Dilemma zu erklären. "Manchmal ist das wie bei einer Ehe. Und wie bei einer Ehe entscheiden sich auch die Menschen in einer Band womöglich, doch wieder getrennte Wege zu gehen. Manchmal soll es - aus welchem Grund auch immer - nicht sein."

Die Ehe mit seiner Frau führt Poulsen inzwischen auf dem Land. Denn in Dänemark kann er kaum noch unerkannt auf die Straße gehen. Dort am Wasser, wo er jetzt lebt, könne er "zur Ruhe kommen", sagt der Sänger. Und auch nach einem Konzert drängt es ihn nicht mehr unbedingt auf die Piste. "Wir machen bestimmt nicht mehr so viel Party wie früher. Wir werden auch nicht jünger", erklärt er. Nur gelegentlich, wenn im Tour-Plan mal ein freier Tag stünde, werde vielleicht noch mal ein bisschen gefeiert, Whiskey getrunken und Musik gehört. Doch meist lockten ein Film oder ein Buch im Tourbus. "Wir machen so viele Shows. Man muss da in guter Verfassung sein, sowohl körperlich als auch vom Kopf her", sagt Poulsen. So geht Rockstar heute. Jedenfalls wenn man wie Volbeat oben mitspielen will.

Das Album "Outlaw Gentlemen & Shady Ladies" von Volbeat bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen