"Im August in Osage County" Wenn die Familie zur Hölle wird
05.03.2014, 13:13 Uhr
Zieht vom Leder: Mutter Violet (Meryl Streep).
(Foto: dpa)
Der Vater: verschwindet. Die Mutter: meckert. Die Kinder: ratlos. Typisch Familie? Ein bisschen des eigenen Familienkonstrukts wird da wohl jeder erkennen in dem preisgekrönten Film "Im August in Osage County", in dem Meryl Streep als bissige Mutter brilliert.
Okay, man muss sie mögen, diese Familiengeschichten ("Bist du groß geworden! Und richtig Busen hast du gekriegt! Gib deiner Tante ein Küsschen!"), diese Kammerstücke, die zu Dramen werden. Und man darf sich von dem Filmtitel nicht abschrecken lassen. Denn dann erlebt man eine Handvoll Schauspieler in Höchstform: Eine verkorkste alte Ehe, er liest und flüchtet sich, wohin er nur kann, sie trinkt und nimmt Tabletten. Eine Tochter, die weggegangen ist aus der elterlichen "Idylle" ("Du hast deinem Vater das Herz gebrochen, als du gegangen bist!"), die andere schwirrt in der Welt umher mit immer einem neuen Mann am Arm, die jüngste steht auf den Loser der Familie, der für Außenstehende aber eigentlich am normalsten wirkt. Und dann ist da noch die eigene Schwester, die für derartige Komplikationen gesorgt hat, dass auch noch die nächste Generation etwas davon hat. So könnte man verkürzt und kryptisch "Im August in Osage County" beschreiben.
Osage County - es flimmert und es ist heiß, die Fliegen und der Schweiß kleben am Körper, die Vergangenheit hängt wie alter Nebel in den Räumen, und die Bedrückung ist förmlich spürbar, als die Familie Weston sich nach Jahren mal wieder in (fast) vollständiger Besetzung trifft. Der Anlass ist denkbar traurig: Familienoberhaupt Beverly Weston (Sam Shepard) ist auf rätselhafte Art und Weise gestorben, und als ob das nicht schlimm genug wäre, wird es erst nun richtig rund gehen im Haus. Mutter Violet (Meryl Streep), bissig und verbittert, trauert auf ihre eigene, unversöhnliche Weise ("Dass er mir das angetan hat"!). Sie schluckt mehr Schmerzmittel als ihr gut tun und lässt an nichts und niemandem ein gutes Haar. In ihrem Haus im schwülen Oklahoma sind weder die drei Töchter noch die angeheiratete Verwandtschaft vor ihren Beschimpfungen sicher. So dauert es nicht lange, bis alte und neue Konflikte aufbrechen und man sich buchstäblich an die Kehle geht. Die "Weisheiten" von Violet ("Frauen sind nicht sexy, wenn sie alt sind, Männer schon!") sind für Außenstehende witzig - für Beteiligte immer eine kleine Hölle.
Für die Töchter Barbara (Julia Roberts), Karen (Juliette Lewis) und Ivy (Julianne Nicholson) ist auf der einen Seite klar, dass es so nicht weitergehen kann - auf der anderen Seite ist jede Einzelne hilflos und überfordert. Auch wenn sie einen Versuch unternehmen, zusammenzuhalten: Es will nicht so recht klappen. Frustrierend, wenn eine Familie so auseinanderbricht. Verständlich, dass jeder sein eigenes Glück sucht. Violet jedoch ist längst nicht so hilflos, wie alle glauben. Denn besser als jeder andere durchschaut sie, was sich hinter den Kulissen abspielt. Und sie kennt auch die intimsten Familiengeheimnisse ...
Das Leben ist sehr lang (T.S. Elliott)
Schade, dass Sam Shepard nur so kurz zu sehen ist. Der Schauspieler ist eh nicht so häufig auf der Leinwand zu bewundern, aber wenn, dann möchte man mehr. Sein Fehlen jedoch gibt den anderen Darstellern den Platz, den sie vielleicht zur Ausarbeitung ihrer Rolle brauchen. Meryl Streep ist unglaublich überzeugend ekelhaft, zu ihrem Mann, zu ihren Töchtern, zu allen, vor allem aber zu sich selbst. An manchen Stellen möchte man sie schütteln und das Verbohrte aus ihr heraus holen, und just in dem Moment, wo man als Zuschauer schon meint, es nicht mehr aushalten zu können, stürzt sich ihre älteste Tochter auf sie und beweist, wie nah sich Liebe und Hass sein können. Streep und Roberts spielen brillant, und auch wenn beide trotz Nominierung keinen Oscar bekommen haben, hätten sie ihn durchaus verdient. Die Nebenrollen sind ebenfalls perfekt besetzt mit Ewan McGregor, Chris Cooper, Benedict Cumberbatch und Dermot Mulroney.
"Im August in Osage County" basiert auf dem preisgekrönten Bühnenstück von Tracy Letts. Die Geschichte dieser dysfunktionalen Familie inszeniert Regisseur John Wells mit viel schwarzem Humor, aber auch sehr einfühlsam.
Weltpremiere war bereits im September 2013 beim Toronto Film Festival - seitdem wird durchgefeiert: Bereits im Oktober bei den Hollywood Film Awards wurde das gute Stück mit dem Hollywood Ensemble Acting Award ausgezeichnet und der Preis in der Kategorie Beste Nebendarstellerin des Jahres ging an Julia Roberts. Inzwischen kamen viele weitere Nominierungen und Auszeichnungen hinzu, darunter Golden-Globe-und SAG-Award-Nominierungen für Streep und Roberts sowie der Spotlight Award für Julia Roberts und der Icon Award für Meryl Streep beim Palm Springs International Film Festival. Bei den Academy Awards gingen die beiden in den Kategorien Beste Haupt- bzw. Beste Nebendarstellerin jedoch leer aus.
"Im August in Osage County" startet am 6.3. in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de