"Zwischen Welten" in Afghanistan Jesper zieht in den Krieg
27.03.2014, 12:04 Uhr
"Zwischen Welten": Soldat Jesper und Übersetzer Tarek geraten durch den Krieg in tiefe Konflikte.
(Foto: Wolfgang Ennenbach / Majestic)
"Glaubst du wirklich, du verstehst Afghanistan?", wird Bundeswehr-Offizier Jesper gefragt. Er hadert mit seinem Einsatz. Zu viel läuft schief in diesem Krieg. "Zwischen Welten" deckt jene Probleme schonungslos auf, besticht aber auch durch authentische Drehorte.

Jesper (l.) erhält seine Befehle über Funk, doch er ist immer weniger gewillt, ihnen zu folgen.
(Foto: Peter Drittenpreis / Majestic)
Verlorenheit ist das Thema, das den Film "Zwischen Welten" dominiert. Sie betrifft alle: Sei es der deutsche Offizier Jesper (Ronald Zehrfeld, "Barbara"), der einen kleinen Bundeswehr-Trupp in einem afghanischen Dorf befehligt. Seien es seine Kameraden, die das Dorf gegen Angriffe der Taliban verteidigen sollen, aber irgendwie auch nicht dürfen.
Sei es Tarik (Mohsin Ahmady), der den Deutschen als Übersetzer dient und deshalb von radikalen Islamisten mit dem Tod bedroht wird. Alle wirken sie verloren in diesem beeindruckenden Film von Regisseurin Feo Aladag. Verloren zwischen den titelgebenden Welten.
Eine Landschaft wie ein Fegefeuer

Weit und karg ist das Land - gedreht wurde der Film in Afghanistan.
(Foto: Peter Drittenpreis / Majestic)
Vielleicht liegt es daran, dass der Film in Afghanistan gedreht wurde, in jenem Land, aus dem die westlichen Truppen abziehen, obwohl der Krieg lange nicht beendet ist. Die Landschaft ist weit und karg, schroff und abweisend, sie wirkt wie das Fegefeuer, eine Zwischenstation, in der niemand verweilen möchte. Schließlich könnte auf den Straßen, die durch diese Landschaft führen, jeder Jeep den Tod bringen.
Dass dieser Film in Afghanistan entstand - im Gegensatz etwa zum vergangene Woche gestarteten US-amerikanischen Afghanistan-Film "Lone Survivor" - zeugt von Mut. Aber Aladag packte ja schon mit ihrem letzten Film "Die Fremde" mit Sibel Kekilli ein brisantes Thema an: Ehrenmord. Nun hat sie einen Film über den deutschen Afghanistan-Einsatz gedreht. Jenen Einsatz, bei dem man noch immer ein mulmiges Gefühl bekommt, wenn man ihn Krieg nennt.
Es ist ein Krieg, der nichts zu tun hat mit Heldentum oder ruhmreichen Schlachten. Zunächst mal muss man warten. Jesper wartet im Vorzimmer von Oberst Haar (Burghart Klaußner, "Das weiße Band"). Der erteilt ihm den Befehl, ein kleines Dorf vor den Taliban zu schützen. Jesper kennt das Land, es ist nicht sein erster Einsatz. Und er kennt die Gegend, in der er nun eingesetzt wird - hier starb sein Bruder im Kampf.
"Lost in Translation"
Auch Tarik wartet. In der deutschen Botschaft hofft er auf ein Visum für Deutschland. Denn weil er den deutschen Truppen als Übersetzer dient, werden er und seine Schwester (Salda Barmaki), die bereits ihre Eltern verloren haben, angefeindet. Aber er wartet vergebens. Stattdessen versorgt er seine kleine Familie als Englisch-Lehrer - und er wird Jespers Mission als Dolmetscher zugeteilt.

... sind dabei aber auf die Unterstützung der örtlichen Miliz angewiesen.
(Foto: Wolfgang Ennenbach / Majestic)
Ohne Tarik wäre die Mission zum Scheitern verurteilt, denn die deutschen Truppen sind hier sozusagen "Lost in Translation". Ohne Übersetzer könnten sie nicht mit der Miliz unter Anführer Haroon (Abdul Salam Yosofzal) kommunizieren, die das Dorf kontrolliert. Dabei müssen sie doch deren Vertrauen gewinnen. Doch gleichzeitig stehen Jesper und sein Trupp (Felix Kramer, Pit Bukowski, Tobias Schönenberg und Roman-Timothy Rien) vor einem Problem: Die Deutschen sollen das Dorf vor den Taliban beschützen, dürfen aber nicht eingreifen, wenn die Miliz in den Kampf zieht. So verlangen es die Einsatzregeln, so verlangen es die Vorgesetzten. Jesper ist hin- und hergerissen zwischen Moral und Befehlen, zwischen Gewissen und Gehorsam.
Auch Tarik ist unglücklich mit der Situation. Er musste seine Schwester in Kabul zurücklassen, wo ein Anschlag auf sie verübt wird. Doch als er sich heimlich davonschleicht, um sie in das Dorf zu holen, eskaliert die Situation.
Den Finger in die offene Wunde gelegt
"Zwischen Welten" ist deshalb so sehenswert, weil er den Finger in die offene Wunde des deutschen Afghanistan-Einsatzes legt. Auf einer ganz persönlichen Ebene, aus Sicht der Protagonisten deckt der Film ein Problem nach dem anderen auf: Die Ohnmacht der Befehlshaber, die Unsicherheit in der Truppe, die verzweifelte Lage der auf sich gestellten Milizen und erst recht jener Menschen, die als Unterstützer der Deutschen um ihr Leben fürchten müssen.
Das mag thematisch stellenweise etwas viel auf einmal sein. Doch der Film hat mit Zehrfeld und dem afghanischen Debütanten Mohsin Ahmady, den Aladag zufällig in einem Dorf bei Mazar-i-Sharif entdeckte, zwei starke Figuren, die trotz ihres so unterschiedlichen Hintergrunds den Film tragen.
Den Kontrapunkt zu dieser intimen Ebene bildet die weite, schroffe, doch wunderschöne Landschaft, deren Darstellung immer wieder beeindruckt. Die Darsteller in Armee-Ausrüstung fordert sie aber - verbunden mit Hitze und Staub vor Ort - zum vollen Einsatz heraus. Diese Authentizität, auf die Aladag bei den Dreharbeiten viel Wert legte, verleiht dem Film einen dokumentarischen Anstrich. Schließlich ist dieser Krieg höchst real. Und die vielfältigen Probleme in Afghanistan werden auch nicht nach dem Abzug der deutschen Truppen gelöst sein.
"Zwischen Welten" startet am 27. März 2014 in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de