Michael Kiwanuka, Shootingstar Der Mann von morgen mit Musik von gestern
13.04.2012, 12:48 Uhr
We heard it through the grapevine ...
(Foto: Sam Butt)
Ausverkauft - alles ausverkauft. Im Internet werden Tickets angeboten, die teurer sind als die für die Shows von Madonna oder Springsteen. Die Begeisterung, die der 23-Jährige auslöst, ist kaum zu beschreiben. Er selbst fasst am wenigsten, dass aus ihm, dem Sänger, der ein bisschen wie aus einer anderen Welt erscheint, nun wohl so etwas wie ein Superstar wird.
Seine Stimme erinnert an John Legend und an Bill Withers, seine Musik an eine Reise in eine andere Zeit. Sie klingt ein bisschen nach "früher war alles besser", denn die Musik, die Michael Kiwanuka macht, hat so etwas Tröstliches, etwas Warmes, sie verspricht, dass alles wieder gut wird. Kiwanukas Stimme hat einen Wiedererkennungswert, und darüber hinaus löst sie eine schwer zu beschreibende Sehnsucht aus, die aber herrlich zum Zuhören ist. n-tv.de sprach mit dem Künstler in Berlin, wo er bereits sein Video zu "Tell Me A Tale" mit viel Super-8-Material - unter anderem im Mauerpark und im Plänterwald - gedreht hat.
n-tv.de: Hallo Michael, willkommen in Berlin.
Michael Kiwanuka: Danke, ich bin immer wieder gerne hier.
Fangen wir doch gleich mal ganz vorne an: Woher kommt denn nun diese große Liebe für die Musik aus früherer Zeit?
Ich weiß auch nicht, ich mag sie einfach. Sie hört sich für mich perfekt an. Ich finde auch, dass sich das gar nicht so sehr in "alte" und "neue" Musik aufteilen lässt, ich mag den Sound einfach. Ich habe einen ganz natürlichen Bezug dazu, ich kann es aber nicht wirklich erklären.
Bist du mit dieser Musik aufgewachsen, haben deine Eltern das vielleicht gehört?
Nein, es waren eher meine Mitschüler, die haben mir CDs ausgeborgt, als wir alle so 14, 15 waren. Wir haben das alle gehört. Und seitdem stehe ich auf diese Art von Musik.
"Diese Art von Musik" umfasst eine große Bandbreite: Kiwanukas Stil lässt sich nicht ganz einfach katalogisieren, das Repertoire von "one of the most powerful soulful voices to emerge in years", wie er bereits beschrieben wurde, umfasst den Blues, Folk oder Soul - und "das tut gar nicht so viel zur Sache, so lange die Melodie einen umhaut, “findet Kiwanuka selbst.
Und denkst du, dass diese Musik aus irgendwelchen Gründen besser ist als andere, oder ist das einfach dein Stil?
Nein, das ist natürlich nicht besser, es ist eben mein Stil, meine Art, Musik zu machen.
Der Erfolg gibt dir ja auch Recht, du schwimmt auf einer riesigen Welle des Erfolges. Hättest du dir das in deinen kühnsten Träumen so ausgemalt?
Nein! (lacht) Das war nicht so geplant. Ich habe mir natürlich gewünscht, dass sich ein paar Leute finden, die meine Musik hören wollen, aber in diesem Umfang hätte ich nie dran gedacht. Mir wurde eher gesagt, dass meine Songs nun nicht gerade die Art Musik sind, die es schafft, die Massen zu bewegen. Und mit diesem Ziel habe ich auch gar nicht angefangen, Musik zu machen, wirklich, das habe ich nicht erwartet. Aber natürlich genieß' ich das jetzt sehr!
Hast du denn an eine Karriere im Musik-Business gedacht oder wolltest du eigentlich nur so vor dich hin klimpern?
Ich habe schon gedacht, dass ich einen Job machen möchte, der mit Musik zu tun hat, aber ich habe dabei eher dran gedacht, Songs zu schreiben, oder Gitarre in einer Band oder bei Aufnahmen für einen anderen Künstler zu spielen. Und meine Musik wollte ich so nebenbei machen. Ich habe ja auch schon in Bands gespielt, in der Schule, an der Uni, aber ich hätte nie gedacht, dass das einmal meine eigene Karriere wird. Das war eher ein Traum, dass die Leute meine Musik mögen, und jetzt bin ich also mittendrin in diesem Traum, das ist schon verrückt.
Dein wirklicher Sprung in die eigene Karriere startete ja mit Adele, oder? Du bist bei ihr im Vorprogramm aufgetreten.
Ja, seitdem werde ich anders wahrgenommen. Aber ich habe natürlich vorher auch schon Auftritte gehabt, das haben nur nicht so viele bemerkt. (lacht)
Seid ihr jetzt Freunde?
Nein, nein. Leider nicht. Noch nicht. (lacht)
Plant ihr etwas Gemeinsames?
Nein, auch nicht. Aber ich liebe ihre Stimme!
Vielleicht wird es ja auch mal wieder Zeit für neue Männer in der Musikszene. Man hat schon den Eindruck, dass in den letzten Jahren vor allem Frauen - wie Adele, Duffy, Amy Winehouse, Katy Perry, Lana del Rey - erfolgreich waren. Wo sind denn die Männer?
Ja, das sind natürlich auch alles tolle Sängerinnen. Und ich weiß ja auch nicht, wo die Männer sind (lacht), aber ich bin hier! Männer spielen auch gerne in einer Band, oder sie rappen eben. Aber ich glaube, das ändert sich gerade. Ich denke, die Zeit für Sänger ist wieder da.
Was sind deine Pläne? Dein Album ist ja eher ruhig, können wir uns auch etwas anderes von dir erwarten?
Was Schnelleres meinst du? Das wurde ich heute schon mal gefraqt. (lacht) Hmm, ich weiß nicht. Ich singe einfach meine Songs, und da kann ich nicht sagen, ob die jetzt schneller oder langsamer werden. Ich kann nur die Musik machen, die ganz natürlich aus mir herauskommt, und wenn das nicht tanzbar ist, zum Beispiel, dann hoffe, dass die Leute einfach nur da sitzen, zuhören und im Takt mitwippen. Ich gucke einfach, was so passiert demnächst. Ich gehe ja jetzt auf Tour.
Wir haben gelesen, dass Otis Redding, Jimi Hendrix und Bob Dylan zu den Künstlern gehören, die dich beeinflusst haben. Aber wer ist dein größtes Idol?
Ja, das stimmt, das sind meine musikalischen Vorbilder. Ich stehe am meisten auf Musiker, die sich selbst treu sind. Die tun, was sie tun müssen (lacht). Die sich nicht nach Trends richten. Der Wichtigste ist aber ganz eindeutig Bob Dylan. Meine Musik ist zwar anders als seine - denn er ist einzigartig, er hat sich nie reinreden lassen, er hat immer gemacht, was seine Leidenschaft war - aber er ist meine Inspiration. Diese Art von Musik fehlt heutzutage im Musikgeschäft, und ich hoffe, dass ich diese Lücke füllen kann.
Dann ist die Singer-Songwriter-Schiene also deine?
Ja, aber ich höre natürlich auch andere Musik und mag Gitarrengötter. Und Jazz, ich liebe Jazz!
Was sagst du den Leuten, die deine Art von Musik kritisieren, weil sie sie zu "retro" finden?
Nichts! Was soll ich denen sagen? Sie müssen mich ja nicht hören. Es gibt doch niemanden, der da die Regeln macht, was Geschmack angeht, oder?
Nein, die gibt es nicht, aber wer sich live einen Eindruck verschaffen möchte, der hat leider Pech gehabt, sämtliche Tickets für die Deutschlandkonzerte im April/Mai sind ausverkauft oder nur noch für sehr überhöhte Preise zu haben. Michael hat aber versprochen, danach wiederzukommen.
Mit Michael Kiwanuka sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de