Grenzüberschreitungen Etheridge "will etwas Verrücktes machen"
18.01.2015, 17:09 Uhr
Melissa Etheridge hat jetzt eine eigene Plattenfirma.
(Foto: SPV Recordings)
In der Familie Etheridge gibt es eine Art Ritual: Mutter Melissa schnappt sich ihre vier Kinder und fährt mit ihnen Auto. Dabei spielt jeder die Musik vor, die er gerade hört. Ihre fast 18 Jahre alte Tochter legte dabei vor etwas längerer Zeit Macklemores "Same Love" ein. Und Melissa Etheridge war so ergriffen, dass sie am Straßenrand stoppen musste. Über den Einfluss ihrer Kinder auf ihre Musik, ihre Hochzeit mit Linda Wallem und den neuen Job als Chefin ihrer eigenen Plattenfirma sprach n-tv.de mit Melissa Etheridge.
n-tv.de: Für "This Is M.E." haben Sie mit vielen Künstlern zusammengearbeitet. Müsste der Titel nicht "This Is Us" lauten?
Melissa Etheridge: Mein erstes Album hieß bereits "Melissa Etheridge", meine vierte Platte "Yes I Am". Jetzt hatte ich das Gefühl, wieder ein persönliches Statement zu brauchen: Das bin ich, da stehe ich, das ist meine Musik. Und es ist die erste Veröffentlichung auf meinem eigenen Label. Dieses Album bin also definitiv ich. Die Songs sind Teile von mir: Country, Rock’n’Roll, Soul, R&B, sogar HipHop ist vertreten. Alle diese Einflüsse, das bin ich.
Ich hätte Sie ehrlich gesagt nicht mit all diesen Genres assoziiert.
In Kansas, wo ich aufgewachsen bin, gab es einen Radiosender. Der spielte die Beatles, Led Zeppelin, aber auch Marvin Gaye. Es gab keinerlei musikalische Schranken. Als ich in den 80ern damit begann, professionell Musik zu machen, merkte ich dagegen gleich, wie ich eingeschränkt wurde: Du bist Rock’n’Roll - und das war‘s. Auch wenn es in meiner Musik immer andere Einflüsse gab, verlasse ich nun zum ersten Mal wirklich diese Grenzlinie.
Für "This Is M.E." gab es auch mehr Kollaborationen als je zuvor.
Ohne großes Label hatte ich nicht das große Geld. Um das Album zu machen, musste ich mit verschiedenen Produzenten und Musikern zusammenarbeiten, die die Songs in ihren eigenen Studios produzierten.
Was mussten Sie als Labelchefin als Erstes lernen?
Alles rund um die Finanzen. Man muss Entscheidungen treffen, langfristig denken und gewieft sein. Aber ich mag es, die Kontrolle über alles zu haben.
Wollen Sie auch andere Musiker unter Vertrag nehmen?
Im Moment ist das Label nur für mich gedacht. Wenn es sich in einigen Jahren etabliert hat und ich mehr Zeit habe, hätte ich aber Lust, mich auch nach anderen Künstlern umzuschauen.
Sie haben "Who Are You Waiting For" für Ihre Frau geschrieben und bei Ihrer Hochzeit gesungen. In Anspielung auf die Lyrics gefragt: Brauchten Sie wirklich so viel Zeit, um zu merken, dass sie die Richtige ist?
Ja. Nach meinen beiden vorherigen Beziehungen, aus denen auch Kinder stammen, war ich mit dem Thema durch. Ich war überzeugt, mir gehe es gut so. Sie war meine beste Freundin und bereits Teil der Familie. Ich bin alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Sie half mir täglich und ich erkannte, was eine Beziehung ausmacht. Das war das, was ich immer wollte und was ich in meinen anderen Beziehungen nicht hatte. Und meine Kinder vergöttern sie.
Ihre Tochter schlug Ihnen vor, für "This Is M.E." mit der Cellistin Neyla Pekarek von The Lumineers zu arbeiten. Nimmt sie öfter die Rolle der musikalischen Beraterin ein?
Was wir als Familie sehr genießen, ist, Musik miteinander zu teilen. Wir lieben es, zusammen Auto zu fahren und dabei in die Musik von jedem zu hören. Meine fast 18 Jahre alte Tochter war es auch, die mir auf der Autobahn mal Macklemores "Same Love" vorspielte. Ich hatte damals noch nie von ihm gehört. Ich musste rechts ran fahren und halten, ich hatte Tränen in den Augen. Meine Tochter geht viel auf Festivals. Durch sie verstehe ich, wie Jugendliche ticken und welche Musik sie lieben. Und ja, es gibt da einen gewissen Einfluss auf mich.
Für Ihr neues Album haben Sie sich auch mit dem Hip-Hopper Roccstar zusammengetan – war diese ungewöhnliche Wahl ebenfalls ein Tipp der Kinder?
Das war die Wahl meines Managements, nachdem ich gesagt habe, ich will etwas so Verrücktes machen, dass sich alle Leute fragen werden: Was ist denn das jetzt? Warum tut sie das? Mit ihm entstand "Ain’t That Bad", einer meiner Lieblingssongs auf dem Album.
Sie müssen immer als Gay Ikone herhalten. Sind Sie das manchmal leid?
Wie könnte ich mich beklagen, wenn junge Frauen oder Teenager zu mir kommen und sagen: Du hast mir das Leben gerettet, du hast mir durch die Highschool geholfen? Das ist großartig.
Das andere Thema, mit dem Sie immer in Verbindung gebracht werden, ist Ihre überstandene Brustkrebserkrankung. Wird das inzwischen anstrengend?
In den USA stehe ich derzeit etwas unter Druck, weil ich gesagt habe, dass ich aufgrund meiner Ernährungsumstellung seit zehn Jahren krebsfrei sei. Viele Leute haben das Gefühl, dass ich ihnen damit Vorwürfe mache. Aber ich werde immer aussprechen, was ich denke.
Sie sind ein politisch aktiver Mensch und engagieren sich etwa für Frauenrechte. Ich tippe, es gefällt Ihnen nicht, dass die Macht der Republikaner in den USA größer wird.
Ich habe inzwischen viele Präsidenten erlebt, ihre Hochs und Tiefs und die unterschiedlichen Anschuldigungen und Vorwürfe beobachtet. Es gibt die traditionellen Hauptunterschiede zwischen Demokraten und Republikanern und ihren Themen. Aber ich bin etwas offener beiden gegenüber geworden. Ich habe nicht mehr dieses ausgeprägte Wir-gegen-sie-Denken.
Mit Melissa Etheridge sprach Nadine Emmerich
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Quelle: ntv.de