Zwischen Muse und Musik Femme Fatale Chrysta Bell
21.02.2014, 10:40 Uhr
Sie ist ein Model und sie sieht gut aus ... Aber sie ist auch eine Muse. Dachten wir jedenfalls.
Manch einer sieht in ihr schon die neue Lana Del Rey. Doch mit ihrem Debütalbum "This Train" stellt sich Chrysta Bell aus ganz freien Stücken in den Schatten ihres berühmten Mentors David Lynch. n-tv.de begab sich bei der Sängerin auf Spurensuche.
So recht weiß man nicht, ob es eher Fluch oder Segen für Chrysta Bell ist, überall als die "Muse von David Lynch" tituliert zu werden. Schließlich hat der Begriff der "Muse" immer auch etwas Anrüchiges - zumal, wenn er für das Verhältnis zwischen einer Femme Fatale wie ihr und einem 68 Jahre alten Kultregisseur Verwendung findet. Und der Begriff birgt die Gefahr, dass man in seinem Schatten womöglich kleiner erscheint, als man tatsächlich ist. Anderseits aber öffnet ein berühmter Name, an den man sich anlehnen kann, natürlich auch Türen. Chrysta Bell scheint sich entschieden zu haben: "Produced by David Lynch" prangt groß auf dem Cover ihres Debütalbums "This Train", das vor Kurzem in Deutschland erschienen ist. Und unter ihrem Auge ist ein Herzchen auf die Wange gemalt - darunter der Schriftzug "David".
"Das ist etwas sehr Romantisches", sagt Bell, auf die Sache mit der Muse angesprochen. "Aber nein, David braucht keine Muse", fährt sie fort, um im nächsten Satz geradezu vor Ehrfurcht zu erstarren. "Er sprüht vor Kreativität - aus jeder Pore seines Körpers und in allen nur erdenklichen Ausdrucksformen." Aber muss man sich deshalb gleich seinen Namen wie tätowiert auf die Wange schreiben? "Natürlich schreckt das einige Leute ab", weiß die Sängerin. "Meine Großmutter etwa meinte: 'Wie kann er das nur mit meinem Baby machen?" Doch ich antwortete ihr: 'Oma, das ist David. Das ist etwas anderes.'"
Es sei ihre Platte, ihr Gesicht, ihre Stimme und sie wisse genau, wer sie sei und was sie repräsentiere, versichert Bell. Trotzdem ist Lynch stets allgegenwärtig. Nicht nur auf dem Plattencover, sondern offensichtlich seit vielen Jahren auch im Leben der Sängerin. Ganz zu schweigen vom Gespräch mit ihr. Immer wieder landet man über kurz oder lang bei dem Regisseur. Mit Blick auf das Bild von ihrer Wange erklärt Bell es so: "Es ist sozusagen ein Symbol dafür, wie sehr sein Einfluss in diese Musik eintätowiert ist."
Werbung und ein Kung-Fu-Film
Doch begonnen hat erst einmal alles ohne den Regisseur - mit Auftritten in Werbefilmen. Damit und mit der Mitwirkung in einem Kinostreifen verdiente sich Bell einst das nötige Kleingeld, um ihre Musikkarriere zu finanzieren. "Ich weiß nicht, ob man das Schauspielerei nennen kann", erinnert sie sich an ihre Rolle in einem Kung-Fu-Film. "Aber es war irgendetwas in der Richtung - und es war fürs Kino. Es war mit Jet Li, Regie führte Sammo Hung Kam-Bo und es war ein Blockbuster in China", blickt die Sängerin mit einem Lächeln zurück. Ihr Leben aber sei nun einmal definitiv die Musik. Nur wenn Lynch sie einmal fragen sollte, ob sie nicht in einem seiner Filme mitspielen wolle, würde sie wohl schon schwach werden. "Klar, wenn er mich in einem Film haben wollte, wäre ich dabei. Aber ich weiß nicht, ob er noch einmal einen macht", sagt Bell und fügt lachend hinzu: "Und ich weiß auch nicht, ob er fragen würde".
Aufgewachsen im texanischen San Antonio, zog es die junge Highschool-Absolventin nicht gerade in die große, weite Welt, sondern in das sogar kleinere und für US-Verhältnisse nur einen Steinwurf entfernte Austin. "Hinsichtlich der Musikszene liegen zwischen San Antonio und Austin Welten", erklärt Bell den auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so logisch wirkenden Schritt. In Austin boten sich ihr demnach ganz andere Möglichkeiten als in der von der Kultur der Hispanics geprägten Stadt ihrer Kindheit. Aber Moment mal! Austin? Texas? Gibt es da etwas anderes als Country? "Wenn Country-Musik mich interessiert hätte, hätte ich wahrscheinlich viel schneller und leichter Karriere gemacht", erklärt Bell abermals mit einem Lachen. "Und ich hätte mehr Geld verdient. Aber es hat mich nicht angezogen." Na, aber einen Squaredance könnte sie doch wohl aufs Parkett legen?! "Ich würde es schon hinkriegen", gibt sie sich überzeugt. "Doch auch das hat mich nie angemacht."
Netzstrümpfe und Stilettos
Schon eher lag ihr da die Mischung aus Swing und Jazz der Gruppe "8,5 Souvenirs", deren Frontfrau sie wurde. Das Interesse an Musik und ihr Talent waren ihr dabei offenbar schon vom Elternhaus in die Wiege gelegt worden. Schließlich besaßen ihre Mutter und ihr Stiefvater nicht nur ein Aufnahmestudio, auch anderweitig waren sie mit dem - im wahrsten Sinne des Wortes - Musikgeschäft verwoben. Bells Mutter trat mit Rocksongs auf, ehe sie sich auf musikalische Glückwünsche zu allen Gelegenheiten spezialisierte - vom Geburtstag bis zum Firmenjubiläum. Und dabei erwies sie sich schmerzfrei bis hin zum Auftritt im Hühnerkostüm. "Der Killer aber war ein Outfit mit Zylinder und Frack, nuttigen Netzstrümpfen und roten Stilettos. Damit und einem Haufen Luftballons ging sie zum Veranstaltungsort und klopfte an die Tür. Und als diese aufging, sang meine Mutter das Lied speziell für den Empfänger. Ich musste das vom Auto mit ansehen - wir hatten ja keinen Babysitter", erzählt Bell die Geschichte amüsiert. "Das war meine Mum!"

Immer umgeben von schönen Frauen: David Lynch, hier als Direktor des Filmfestivals von Cannes (2002)
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
So sah sie wohl zum Glück nicht aus, als ein Musikmanager bei einer ihrer Shows mit "8,5 Souvenirs" Ende 1999 auf sie aufmerksam wurde. Ein Manager, der zugleich den Einfall hatte, der ihr Leben für immer verändern sollte - sie mit David Lynch zusammenzubringen. "Er wusste, dass David Leute für Zusammenarbeiten sucht, aber selbst nur wenig Zeit hat, sich nach ihnen umzusehen", erläutert die Sängerin, wie es zu der schicksalhaften Begegnung kam. "Ich hingegen wusste damals gar nicht, dass David auch Musik macht. Ich kannte nur Twin Peaks, Lost Highway und einige andere seiner Filme."
Schließlich standen sie und Lynch sich in einem seiner Häuser rund um Hollywood gegenüber. Und im Studio geschah der magische Moment - gemeinsam kreierten sie den Song "Right down to you", der nun auch auf dem Album "This Train" zu finden ist. "Einen Song zu schreiben, der dich bewegt, ist ein Wunder", sagt Bell. "Aber einen solchen Song mit jemanden zu schreiben, den man derart respektiert, ist gleich ein doppeltes Wunder."
"Ich musste erst einmal leben"
Das war um die Jahrtausendwende. Obwohl der Kontakt zwischen dem ungleichen Gespann seither nie ganz abgerissen ist, dauerte es sage und schreibe mehr als zehn Jahre, ehe die musikalische Seelenverwandtschaft auch auf einem Tonträger verewigt wurde. Erst 2011 erschien "This Train" in den USA. Bis zur Veröffentlichung in Europa dauerte es nun sogar noch zwei Jahre länger. "Dafür gab es viele Gründe - pragmatische und spirituelle", erläutert Bell wieder einmal mit einem strahlenden Lachen. "Ich musste erst einmal leben, bis ich diese Musik auch live machen konnte. Als ich ihn traf, war ich doch erst 19!"
Nein, ganz vom Etikett der Muse kann und will sich die Sängerin wohl nicht lösen. "Ich habe mich in seine Persönlichkeit und das, was er mich fürs Leben gelehrt hat, verliebt", gibt sie unumwunden zu. Dabei erntet sie für ihr Debüt - mit oder ohne Lynch - auch so genügend Lob. Von Portishead über Massive Attack bis hin zu Lana Del Rey reichen die Vergleiche, die Bell allesamt schmeicheln und nicht stören. Vor allem Del Rey bewundere sie. "Sie hat einfach etwas. Etwas, das funktioniert. Das ist cool", gerät sie ins Schwärmen. Ihre "Charakterstärke" und wie sie entgegen aller Kritik ihren Weg gegangen sei, sei bewundernswert. Vielleicht tritt ja nun Bell in die Fußstapfen der "Videogames"-Sängerin. Und vielleicht tut sie das ja irgendwann auch ohne ihren übergroßen Mentor im Rücken.
Quelle: ntv.de