"Es wird mein letztes Album sein!" Fleischklops Meat Loaf tritt kürzer
11.09.2016, 18:34 Uhr
Auch mit 68 fast wie ein 19-Jähriger: Meat Loaf.
(Foto: dpa)
Meat Loaf hat ein neues Album: "Braver Than We Are" vereint ihn mit Komponist Jim Steinman, mit dem er schon die erfolgreiche "Bat Out Of Hell"-Trilogie aufnahm. Im n-tv.de-Interview erzählt er, warum das Werk aus der Zeit fällt und kündigt seine allerallerletzte Tour an.
Ein Treffen mit Meat Loaf ist immer etwas Besonderes. So erinnert sich die Autorin dieses Interviews noch belustigt an eine Begegnung im Jahr 2003 in Berlin: Erst kramte der in Dallas geborene Sänger und Schauspieler ("The Rocky Horror Picture Show", "Fight Club") seinen Führerschein hervor, um uns von seinem bürgerlichen Namen zu überzeugen - seit 1984 heißt er nämlich Michael Lee Aday. Dann sprang er auf und schrie uns fragend an: "In wie vielen Filmen habe ich mitgespielt?" Wir zuckten zusammen, aber Meat Loaf war einfach nur mal wieder in eine seiner vielen Rollen geschlüpft. "So wie auf meinen Alben", erklärte er zwei Minuten später lachend. Zum Schluss fiel im ein, dass wir doch noch mal ein paar Lieder seiner neuen Platte hören könnten. Der Fleischklops headbangte dazu mit geschlossenen Augen neben uns auf dem Sofa und es fühlte sich surreal an. Aber wie würde Meat Loaf, der mit Musikkomponist Jim Steinman die Rockoper-Trilogie "Bat Out Of Hell" aufnahm und zum Megastar wurde, diesmal drauf sein? Mitte Juni war er auf der Bühne im kanadischen Edmonton zusammengebrochen und versetzte die Musikwelt vorrübergehend in Schock. Es scheint wie ein Wunder, dass er es so rasch danach nach Berlin geschafft hat, um Rede und Antwort zu stehen. Und ein bisschen tut der 68-Jährige einem auch leid.
Meat, wie geht's Ihnen?
Ich habe einen geklemmten Nerv im Rücken und starke Schmerzen. Aber es geht schon, wenn ich sitze.
Hat das etwas damit zu tun, dass Sie jüngst auf der Bühne kollabiert sind?
Nein, gar nichts. Das war absolut nichts. Ich hatte schon die zwei Tage davor Fieber. Ich ging auf die Bühne und nach 45 Minuten bin ich dehydriert und zu Boden gesegelt. Und die Leute haben mich beinahe für tot erklärt, und die Medien einen Riesenzirkus darum veranstaltet. Lächerlich! Aber wissen Sie, was das Schlimmste daran war?
Nämlich?
Dass von meinem Sturz ein Fan-Video existierte, das blitzschnell im Internet die Runde machte. Wenn das mein Ende gewesen wäre, hätte es jeder gesehen. Das hätte es früher nicht gegeben! Aber Apple arbeitet angeblich an einer technischen Vorrichtung für Bands, die jegliches Signal blockiert, das solche Filme im Zuschauerraum ermöglicht. Da freue ich mich schon drauf. Da bin ich wie Prince.
Es ärgert Sie, und Sie versuchen, es zu unterbinden?
Ich finde es bekloppt. Da stehen Leute, die viel Geld bezahlt haben, um deine Show zu sehen. Und dann landen davon verwackelte Videos bei Youtube, das Mikrofon ist scheiße, ein Fan singt noch dazu und die Menschen denken, ich singe mies oder nicht synchron. Ein Video als Erinnerung gerne - aber warum diese Teilerei im Internet? Ich lasse davon so viel es geht löschen.
Echt jetzt?
Klar. Aber sie laden die Clips dann ja doch wieder hoch.
Wie läuft's denn mit Ihrer Diät?
Bestens, obwohl ich keinen Sport machen kann. Allein mit dem Verzicht auf Fett und Zucker habe ich seit dem Vorfall elf Kilo abgenommen. Aber ich war sowieso nie so fett wie mein Image. Früher habe ich extra weiße Klamotten getragen, um breiter auszusehen wie ich eigentlich war.
Sie haben ein neues Album draußen. Ist das jetzt ein Abschied?
Ich gehe davon aus, dass das mein letztes Album sein wird. Aber ich kann dann wenigstens sagen: Ich habe mich mit einem Knall verabschiedet!
Ihr Album klingt abermals nach Rockoper. Passt so was überhaupt noch in die Zeit?
Nein, es passt überhaupt nicht. Das hat es aber bei "Bat Out Of Hell" auch nicht getan. Das Album war von einem anderen Stern. "Bigger Than We Are" ist von einer anderen Galaxie. Aber Jim und ich finden es besser als alles, was wir gemacht haben. Lustig ist ja: Alle sagen mir heutzutage, dass "Bat ..." das beste Werk überhaupt sei. Aber als es 1977 erschien, hassten es die Kritiker. Das Album funktionierte dann im Schneeballeffekt: Wie eine Kugel rollte es den Berg runter und wurde immer größer. Das geschah nicht über Nacht, sondern bedurfte eines langen Zeitraums. Heutzutage ist alles schnelllebiger und man hat für eine Platte nicht mehr die Zeit, dass sie sich entwickeln kann.
Im ersten Song fragen Sie "Who Needs The Young"? - "Wer braucht schon die Jugend?". Das ist mal eine andere Herangehensweise an den Jugendwahn.
Das war der allererste Song, den Jim Steinman jemals geschrieben hat. Er war damals 19 Jahre alt. Jim und ich lernten uns zu der Zeit über die Schauspielerei kennen. Der Song hat aber nichts mit seinem oder meinem Leben zu tun. Es ist einfach nur ein wütender Charakter, den er kreiert hat. Wir sind also nicht die eifersüchtigen Alten, die der Jugend hinterhertrauern.
Wie waren Sie denn als 19-Jähriger?

Meat Loaf will auch noch einmal auf Tour gehen - oder wartet doch der Schaukelstuhl?
(Foto: Reuters)
Ach, ich kann mich nicht erinnern. Vermutlich ähnlich wütend. Aber für diese Platte musste ich in jedem Song einen anderen 19-Jährigen verkörpern. Jeder Charakter der Platte ist also 19. Als wir in Nashville im Studio waren, habe ich allein sechs Tage darauf verwendet, auch die Backgroundsänger in das Alter von 19 zurückzuführen. Beim Song "Souvenirs" war das am schwierigsten. Das haben auch andere zu spüren bekommen.
Wie das?
Der Produzent stoppte irgendwann die Aufnahme und sagte zu mir: "Du hast mich gerade mit übelsten Namen beschimpft, Meat." Und ich entgegnete: "Nein, hab' ich nicht! Und wenn doch, war es nur der böse Charakter, in dem ich mich gerade befinde." Ich glaube sogar, dass ich im Studio den Geist eines 19-Jährigen aufgespürt und mich mit ihm verbunden habe. Es heißt, ein Raum wird ganz kalt, wenn ein Geist anwesend ist. Und genau so war's.
In dem Song "Skull Of Your Country" sind Versatzstücke von dem Bonnie-Tyler-Hit "Total Eclipse Of The Heart" zu hören, den Jim Steinman schrieb.
Ja, das wissen viele nicht: Er entwickelte "Total Eclipse Of The Heart" aus diesem Frühwerk. "Skull ..." war zuerst da. Sein Erfolg war also schon mit 19 besiegelt.
Ist Jim Steinman eigentlich so exzentrisch wie Sie?
Der ist viel exzentrischer! Er macht gar nichts, hängt nur zu Hause rum. Ich gehe ja wenigstens noch zum Einkaufen. Ich bewerbe meine Platte und veranstalte Shows. Aber er bleibt stumm.
Sie heißen Meat Loaf und haben kürzlich tatsächlich einem Fleischklops Ihre Stimme geliehen. Für den Film "Sausage Party - Es geht um die Wurst", der am 6. Oktober in die Kinos kommt ...
Ja, da gibt es eine Sequenz, in der ein Hackbraten "I'd Do Anything For Love" singt. Warum nicht? So bekomme ich großartige Kritiken, ohne viel getan zu haben. Seth Rogen rief mich an, während ich in Nashville im Studio war, und fragte, ob ich mir das vorstellen könnte. Ich hatte ihn davor schon einige Male getroffen. Ich bin Meat, da ist Meat - passt!
Wie sieht's denn mit Ihren eigenen Schauspielambitionen aus?
Ich werde künftig wieder mehr in Filmen zu sehen sein, so viel ist sicher. Ich musste gerade wegen der Veröffentlichung der Platte einen Film und eine Serie absagen, deren Dreharbeiten diesen Monat hätten beginnen sollen. Ich bekomme jeden Monat zwei gute Angebote auf den Tisch. Das ist für einen fast 70-Jährigen doch nicht schlecht.
Auch auf der Bühne spielen Sie eine Rolle. Ist das nicht gekünstelt?
Ich habe mich immer eher als Schauspieler verstanden als als Sänger. Rockmusiker handhaben das anders. Denen geht es viel um Authentizität. Darüber hatte ich schon hitzige Debatten mit großen Künstlern. Ich habe manchen von ihnen sogar Nachhilfe für ihre Bühnenperformance gegeben. Musik ist ja gut und schön, aber du musst auch wissen, wie du live rüberkommst.
Sie wollen ja auch noch mal auf Tour gehen im nächsten Jahr.
Ach, eigentlich sollte meine letzte Tour ja schon die letzte sein. Vielleicht setze ich mich auch einfach in den Schaukelstuhl, erfreue mich an meinem großen Haus in Austin, meiner Familie und meinem Hund Angus - und entspanne mich. Nein, jetzt mal im Ernst: Ich glaube, die Rente muss noch ein klein wenig warten.
Mit Meat Loaf sprach Katja Schwemmers.
Quelle: ntv.de