"Lucius" leben wild und gefährlich Fräulein Laessig und die gute Wolfe
06.04.2014, 17:43 Uhr
Lucius bewegen sich wie alte Hasen auf neuem Terrain.
Was wäre eigentlich dabei herausgekommen, wenn sich die Beatles, Arcade Fire, Haim und die B-52’s zu einer gemütlichen Jam-Session zusammengefunden hätten? Und dabei auch noch besser aussehen? Die Antwort dazu kommt aus New York.
Die beiden weiblichen Lucius-Köpfe Jess Wolfe und Holly Laessig passen eigentlich so gar nicht in die mit Samt und Federn gefüllte Indie-Pop-Schublade, die mittlerweile schon fast überquillt vor musikalisch handzahmen Gleichgesinnten. Mit dem obligatorisch schüchternem Getue und der oftmals fast schon beschämten Attitüde vieler Genre-Kolleginnen haben die beiden aus Brooklyn stammenden Blondinen nichts am Hut. Jess und Holly mögen es wild, bunt und crazy: "Wir leben und wir lieben unsere Musik. Wir wollen, dass die Leute das sehen, hören und fühlen", sagt Jess Wolfe.
In ihrer Heimat rennen Lucius mit ihrem unbekümmerten Offensiv-Charme bereits reihenweise offene Türen ein. Egal, ob der Rolling Stone, die New York Times oder Conan O'Brien: Amerika ist derzeit hin und weg, wenn es um die beiden Damen und ihre schnauzbärtigen drei Hintermänner geht.
Luftküsse im Central Park
Nun will der quirlige Fünfer auch den Rest der Welt in eine Zeitmaschine quetschen und erst dann wieder zur Landung ansetzen, wenn sich im sattgrünen New Yorker Central Park Doris Day und Rock Hudson gegenseitig Luftküsse zu werfen.
Sicher, mit aufgewärmten Retro-Wellen verdient man sich heutzutage keinen Innovationsstempel mehr. Lucius sind aber weitaus mehr als eine reine Vintage-Combo, die, wie unzählige andere vor ihnen, mal eben so auf die Schnelle im Musik-Archiv gewühlt haben, um der Fast-Forward-Gesellschaft einen weiteren Früher-war-alles-besser-Happen zu servieren: "Im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die sich gerne mit Vergangenem beschäftigen, lassen wir auch die Gegenwart in unsere Musik mit einfließen", betont Holly Laessig.
Das allein macht die Band aber noch nicht zu etwas Besonderem, sondern vielmehr die Art und Weise, wie sie Antikes mit Neuzeitlichem paaren, ohne dass sich dabei festgefahrene Dekaden-Fetischisten auf den Schlips getreten fühlen.
So vereinen sich beispielsweise süffige Singer/Songwriter-Strukturen aus den Fünfzigern mit pompösen Florence-And-The-Machine-Anleihen zu einem in sich stimmigen Harmonie-Paket deluxe ("Wildewoman"), während an anderer Stelle pikanter Piano-Pop der alten Schule mit crunchigen Britrock-Gitarren aufgepeppt wird ("Doreen").
Schublade kann geschlossen bleiben
Getreu dem Motto "Was nicht passt, wird passend gemacht" bastelt sich die Band ein melodiegeschwängertes Sound-Kartenhaus zusammen, das aufgelockert mit in Hall getränkten Chören ("Tempest"), vertrackten Percussion-Spielereien ("Nothing Ordinary") und pointierten Hand-Claps ("Monsters") jeder noch so großen Erschütterung problemlos standhält.
Schlussendlich kratzen sich selbst erfahrenste Musik-Archivare fragend am Hinterkopf: Wohin mit dem neuen Stern am Indie-Pop-Himmel? Treffen hier Arcade Fire auf die B-52's? Oder vergreifen sich die Damen von Haim am Erbe der Pilzköpfe?
Während also Schubladen-Köpfe rauchen, tanzen Freunde unbeschwerter musikalischer Brückenschläge vor Freude im Dreieck. Wie säuselte doch Jennifer Warnes anno 1987 selbstbewusst ins Mikro: "First we take Manhattan, then we take Berlin …" Auch wenn Lucius aus Brooklyn stammen – die Richtung stimmt auf jeden Fall.
Quelle: ntv.de