Musik

Traumpaar des Jazz Gaga trägt Bennett auch unter der Haut

60 Jahre auseinander und einander doch so nah: Lady Gaga und Tony Bennett "cheek to cheek".

60 Jahre auseinander und einander doch so nah: Lady Gaga und Tony Bennett "cheek to cheek".

(Foto: REUTERS)

Lady Gaga ist im Stress: Tagsüber gibt sie die Jazz-Diva, abends wirbelt sie bei ihrer Artrave-Tour als Popstar im Oktopus-Kostüm über die Bühne. Im Interview erzählt sie von dem Album, das sie mit Crooner Tony Bennett aufnahm, und wie es ihre aktuellen Konzerte beeinflusst.

Popstar Lady Gaga, mittlerweile 28, ist bekannt für elektronische Popsongs und schrille Outfits. Der 88-jährige Crooner Tony Bennett stand schon mit Frank Sinatra auf der Bühne. Zusammen geben sie nun das ungleiche Traumpaar des Jazz. Auf ihrem gemeinsamen Album "Cheek To Cheek" interpretieren sie Songs von Cole Porter, Irving Berlin und George Gershwin und verblüffen damit. Gaga hat nebenher aber noch andere Verpflichtungen: Am Freitag startet ihre Artrave-Tour durch Deutschland. Wie die Sängerin den Stress bewältigt, erklärt sie n-tv.de im Interview.

n-tv.de: Lady Gaga, Ihr Jazz-Album mit Tony Bennett kommt ja prima an. Ist das für Sie ein Befreiungsschlag?

Lady Gaga am 12. September 2014 in Israel bei der Ankunft im Hotel: Sie trat in Tel Aviv vor 20.000 Zuschauern auf.

Lady Gaga am 12. September 2014 in Israel bei der Ankunft im Hotel: Sie trat in Tel Aviv vor 20.000 Zuschauern auf.

(Foto: AP)

Lady Gaga: Schon. Ich bin jedenfalls absolut überwältigt, weil selbst Jazz-Experten es über den grünen Klee loben. Und besonders glücklich bin ich, weil ich Mister Bennett stolz machen wollte: Er hat mich bei einem Charity-Event Jazz-Standards singen hören und mein wahres Talent erkannt. Er hat die 13-Jährige wiederbelebt, die sieben Jahre lang Jazz sang, bevor sie anfing, Popmusik zu machen.

War es Ihnen denn früher richtig ernst mit dem Jazz?

Ich habe damals an einem Jazz-Wettbewerb teilgenommen und gewonnen, das sind also meine Wurzeln. Es ist so schön, jetzt diese wundervollen Songs zu singen. Ich hoffe, dass die Platte auch meine Pop-Fans, die Little Monsters, dazu animiert, mehr über die Geschichte des Jazz und ihre Protagonisten herausfinden zu wollen.

Zuletzt sind Sie bei Kritikern nicht immer gut weggekommen. Haben Sie mit sich selbst gehadert?

Ach, so ist nun mal das Geschäft. Als ich meine erste Single "Just Dance" veröffentlichte, waren alle begeistert von der neuen Sängerin mit dem Synthesizer und dem Piano. Aber wenn du dann die Nummer 1 bist, ist das wie ein Marathon-Lauf. Du sprintest und sprintest. Ich bin so viel gesprintet, dass ich mich an die Jahre 2007 bis 2013 kaum mehr erinnern kann! Auf gewisse Weise rebelliere ich mit dem Jazz auch gegen meine eigene Popmusik. Und das ist aufregend.

Sie sagen ja auch, dass Tony Bennett Sie gerettet hätte. Wie meinen Sie das?

Wir sind beste Freunde geworden! Wir verbringen viel Zeit zusammen und führen tolle Gespräche – auch über Privates und das Leben. Gerade in meinen Karriereanfängen haben mir Männer oft ein schlechtes Gefühl gegeben. Es ist nicht einfach als junges Mädchen in diesem Business. Weil ich so schnell berühmt wurde, hatte ich nie die Zeit, die verletzenden Erfahrungen aufzuarbeiten. Aber wenn man bei Tony Bennett das Studio betritt, ist vom ersten Moment alles anders.

Inwiefern?

Das fängt schon damit an, dass Tony sich sofort von seinem Platz erhebt, wenn man den Raum betritt. Genauso wie alle Musiker, die mit uns aufgenommen haben. Tony nannte mich im Studio ständig "Lady". Er ist ein echter Gentleman. Das allein hat Jahre des Schmerzes bei mir ausradiert.

Tony Bennett tut Ihnen also gut.

Absolut! Es gab auch bei den Aufnahmen einige Tage, wo ich an einem dunklen Platz war. Als ich den Song "Lush Life" einsingen sollte, brach ich jedes Mal in Tränen aus. Das Lied ist wie ein Abziehbild meiner Vergangenheit, es beschwor alle meine Ängste herauf. Ich sagte zu Tony: "Es tut mir leid. Ich bin voll neben der Spur." Und er meinte nur: "Nein, du singst das wunderschön. Du bist eine anspruchsvolle Lady." Ich fing noch mal von vorne an und der Song war in einem Take im Kasten – so wie er jetzt auf der Platte ist. Dieses Lied aus den Dreißigern von dem genialen Komponisten Billy Strayhorn ist definitiv mein Lieblings-Jazz-Song aller Zeiten!

Wo hängen Sie eigentlich am liebsten mit Ihrem Kumpel Tony ab?

Tony Bennett ist laut Lady Gaga ein echter Gentleman.

Tony Bennett ist laut Lady Gaga ein echter Gentleman.

(Foto: imago/Belga)

Nun, wir beide sind New Yorker mit italienischen Wurzeln. In dem italienischen Restaurant meiner Eltern in Manhattan fühlen wir uns sehr wohl. Dort gibt es italienisch-amerikanische Hausmannskost nach den Rezepten meiner Großmutter. Es läuft viel Jazz im Hintergrund. Tony war schon ohne mich da. Meine Eltern lieben es, wenn er vorbeischaut. Ich habe ihn aber auch schon in seinem Atelier besucht. Er ist ein unglaublich guter Maler und Zeichner. Seine Skulpturen sind wunderschön.

Er hat Sie auch mal nackt gezeichnet!

Stimmt, so fing es mit uns an. Ich war damals das erste Mal in seinem Atelier. Aber es kam mir nicht komisch vor. Ich war einfach nur seine Muse in dem Moment. In Gegenwart eines Künstlers fühle ich mich automatisch wohl. Die großartige Annie Leibovitz hat uns dabei fotografiert. Es ist dennoch interessant, dass ich nackt war, als ich Tony das erste Mal besuchte. Denn diesmal mache ich mich mit ihm wieder nackig – in der Musik! Es gibt nichts Intimeres als Jazz. Insofern hat Tony jetzt jeden Teil von mir nackt gesehen! Ich trage Tony sogar unter der Haut!

Wie das?

Ich hatte ihn darum gebeten, mir einen Entwurf von der Trompete von Miles Davis zu zeichnen. Das hat er gemacht. Sie hat mir so gut gefallen, dass ich sie auf die Innenseite meines rechten Oberarms tätowieren ließ.

Hat Ihnen Mister Bennett auch Styling-Tipps geben?

(lacht) Nein! Aber ehrlich gesagt, habe ich anfangs immer darauf gewartet, dass er so was sagt wie: "Also, wenn wir zusammen singen, dann bitte nicht den durchsichtigen Fummel anziehen!" Egal, was ich trage, Tony macht mir ständig Komplimente für meine Outfits. Er liebt alles, was ich mache, und ich glaube, er meint es so. Er verurteilt mich überhaupt nicht. Für mich ist er mein Fred Astaire, in etwas schicker. So kann ich mich neben ihm wie Ginger Rogers fühlen.

Und auch mal elegante Kleider tragen!

Ich finde langsam Gefallen daran. Das Letzte, was ich anziehen möchte, wenn ich mit Tony unterwegs bin, ist etwas, in dem ich mich nicht bewegen und meinen ganzen Körper vibrieren lassen kann. Ich halte es verhältnismäßig schlicht, damit ich mich wirklich auf die Songs, die Worte und Mister Bennett konzentrieren kann. Auch mein Haar trage ich ganz simpel.

Nun ja, Ihre Haarkrause auf dem Albumcover ist ganz schön üppig!

So sieht mein Haar aus, wenn ich morgens aus der Dusche komme und ich keine Perücken trage! Ich gehe also nicht nur mit der Musik, sondern auch den Haaren zurück zu meinen Wurzeln. Meine italienischen Locken sind eine Reflektion meines wahren Ichs.

Das hat man in der Form seit der Disco-Ära nicht gesehen.

Stimmt! Solche Locken hat seit den "Studio 54"-Zeiten kaum mehr einer getragen. Mit Ausnahme vielleicht von Cher, Tina Turner und Bryan May.

Am Freitag startet Ihre "Artrave"-Tour in Deutschland. Wie legen Sie den Schalter vom Jazz zum Pop um?

Gar nicht! Ich bringe meine Jazz-Leidenschaft bei meinen Artpop-Ball einfach mit auf die Bühne! Nach meinem Auftritt mit Tony in Brüssel hatte ich zwei Shows in Holland, da habe ich das richtig gemerkt: Ich habe mehr improvisiert, ich spiele das Piano im Jazz-Stil, und dort, wo es passt, singe ich viel jazziger. Das kann nur gut sein, denn ich kann noch so viel lernen. Ich habe ja noch nicht mal richtig angefangen!

Mit Lady Gaga sprach Katja Schwemmers.

CD: Tony Bennett & Lady Gaga "Cheek To Cheek" (Interscope/Universal) - bei Amazon bestellen

Lady Gaga's artRave: The ARTPOP BALL:

3.10. Hamburg, O2 World
7.10. Köln, Lanxess Arena
9.10. Berlin, O2 World
2.11. Wien, Stadthalle

Quelle: ntv.de

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