Sia in "Little Black Sandals" "It's fucking amazing!"
12.02.2009, 15:02 Uhr
"Some People Have Real Problems" - davon singt sie, aber das so leicht und unbeschwert, dass man die Probleme beim Hören auf jeden Fall vergisst. n-tv.de sprach mit dem Sonnenschein aus Australien über Influenza, Irrtümer, ihre Macken und ihre Freunde.
Kennen Sie das? Sie telefonieren oder mailen mit jemandem, den Sie eigentlich nicht kennen und trotzdem fühlen Sie sich dieser Person sehr nahe und vertraut? So war das am Telefon mit der Sängerin und Künstlerin Sia.
Ein Anruf ihres freundlichen Agenten erreichte mich mitten in einer heftigen Influenza-Attacke, es ging mir gar nicht gut. Wesentlich zu meiner Rekonvaleszenz dürfte dann aber das Gespräch mit der Australierin beigetragen haben. Sie outete sich auch gleich als krank, klang im Gegensatz zu mir aber so gar nicht danach. Sie bedachte mich fortwährend mit dem Wort "Sweety" und langsam machte sich die Sonne breit - wenn auch nicht am Himmel, so doch in meinem Herzen. Und das liegt garantiert an der Sonne, die sie in ihrer australischen Heimat abbekommen hat. "Hat dich die Sonne so kreativ gemacht", frage ich sie. "Wow, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, aber das Licht, die Farben, ja, es kann schon sein, dass das so ist!"
"Please watch this, it's fucking amazing!"
Das würde mir natürlich niiie so über die Lippen kommen, aber Kanye West hat recht: Ihr Auftritt in der David Letterman Show veranlasste den Musiker, selbst Dauergast in den Charts, sich sofort die CD dieser vielfältigen Frau zu kaufen. Und das wird vielen anderen auch so gehen. Nachdem man die CD zwei, drei Mal gehört hat und schon bei "Little Black Sandals" immer wieder auf "Repeat" drücken will, geht sie einem gar nicht mehr aus dem Kopf. Ruhiger Gitarrenpop, untermalt von der kraftvollen Stimme der Sängerin, die zeitlose Musik bietet und ohne jeglichen Krach oder Krimskrams auskommt. Kein Geschrei, kein Gejodel, kein Gezwitscher - das können nur australische Wurzeln sein.
Eine Weile lebte sie in London und Los Angeles und New York. In Kalifornien hat sie sich zwar richtig wohl gefühlt und blieb deswegen dort auch ein paar Jahre, letztendlich verschlug es sie aber nach New York. Ihre drei Wohnsitze hatte sie eine Weile sogar gleichzeitig: "Das war zu einer Zeit, als ich noch dachte, ich wäre reich", erzählt sie gackernd und mit viel Selbstironie. Aber Ironie hin oder her: Das mit dem "Reichtum" könnte sich ja bald ändern, wenn ihre Musik erst einmal so richtig eingeschlagen hat. Obwohl ihr wahrer Reichtum sicher woanders liegt: in ihrer Kreativität! Allein ihre Web-Site ist so voller Witz und Ideen, dass man einfach eine Weile darauf herumsurfen muss! "Meine Managerin Jules hatte die Idee für einige Gags auf der Seite", erzählt sie. Zum Beispiel für die Rubrik, wo man Sia anklicken kann und sie sich jedes Mal in anderer Garderobe befindet und bewegt. Das ist süß!
Einfach mitreißend
Sia liebt es, sich zu verkleiden, schon als Kind in Adelaide hatte sie eine große Kiste mit Klamotten zum Umziehen. Und ihr glaubt man sofort, dass sie diese Kiste in erweiterter Form auch immer noch hat und auch, dass sie ihre Freunde dazu überreden kann, sich bei einem entspannten Dinner darin zu bedienen und sich komplett umzuziehen. Während sie erzählt, muss sie immer wieder lachen, was einfach mitreißend ist. Aber sie kann auch ernst sein. Ihr Album heißt schließlich "Some People Have Real Problems", und darauf angesprochen, was sie für richtige Probleme hält, sagt sie: "Einige Leute denken natürlich, dass es ein richtiges Problem ist, wenn man im Stau steht oder der Kaffee nur lauwarm ist. Natürlich sind aber Krieg, Krankheit, Kindesmisshandlung, Hungersnot und Vergewaltigung schlimme Probleme. Es ist kaum auszuhalten, was man in den Nachrichten alles hört. Es kann einem manchmal wirklich zu viel werden!" Was macht sie dann, wenn ihr alles zu viel wird? Sie sagt ganz offen: "Dann mache ich eine Therapie." Kurze Pause. Kleiner Lacher: "Aber vorher rede ich natürlich mit meinen Freunden oder meiner Familie." Und mit den Jungs aus ihrer Band? Klar, auch mit denen, denn die sind "just the right ones"! Was sie aber dennoch zu einer strengen Band-Leaderin macht: "Groupies im Tour-Bus sind nicht erlaubt! Ich bin die einzige Frau an Bord!" Schallendes Gelächter. Aber da dürfte etwas Wahres dran sein ...
Der Kick
Sie fühlt sich verantwortlich: für ihre Band, ihre Musik, ihre Freunde, für sich. "Ich muss gesund sein, um alles hinzubekommen, deshalb spielen Drogen auch keine Rolle (mehr) in meinem Leben." Es ist schon erstaunlich, wie offen Sia erzählt. Den "Kick" kriegt sie auch aus anderer Ecke: Sie hält sich fit mit ihren beiden Hunden, die sie auf der Tour natürlich wahnsinnig vermisst. "Sie sind wie meine Kinder, und deswegen werden sie, wenn ich weg bin, auch so gut versorgt, als wären sie echte Kinder." Tja, jetzt muss sie aber leider los, "sorry, Sweety", andere Termine warten. Sie wird sich in ihre neu erworbenen, dicken Winterklamotten verkriechen, in denen sie sich fühlt, als würde sie eine Burka tragen, aber Schnee und Eis ist die sonnenverwöhnte Australierin inzwischen ja aus New York gewöhnt.
Wer die Blondine, die so unblondinig rüberkommt, live erleben möchte, wird im Frühjahr Gelegenheit dazu haben, ihre Tour ist bereits geplant. Und: Fernsehen ist in manchen Fällen übrigens doch besser als sein Ruf: Die Songwriterin und Sängerin dürfte manchem Serien-Freak bekannt vorkommen. In "Six Feet Under" und "Grey's Anatomy" war sie zu hören - man muss aber die Ohren spitzen. Ihre Wandelbarkeit bedeutet nämlich auch, dass sie nicht immer sofort wiedererkannt wird.
Mit Sia Furler sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de