Musik

Was soll der Mist? Kiss My Ass

Gute Miene zum bösen Spiel ....

Gute Miene zum bösen Spiel ....

(Foto: REUTERS)

Endlich werden Kiss in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen. Doch während die Dinos Peter Criss und Ace Frehley begeistert sind, zeigen die beiden noch aktiven Schminke-Rocker Paul Stanley und Gene Simmons dem elitären Club ihre Mittelfinger. Zu Recht? Irgendwie schon.

Als Tom Morello im Alter von 12 Jahren das erste Mal vor einer Kiss-Bühne stand, beschlich ihn ein Gefühls-Mix aus Vorfreude und Angst, so der Rage-Against-The-Machine-Co-Founder: "Ich liebte ihre Musik, aber da war auch dieses ganze Spektakel drumherum. All der Rauch, das Feuer und das viele Blut. Das war schon ziemlich aufwühlend für einen 12-jährigen Knirps wie mich", sagt der E-Street-Band-Buddy aus New York. Auch für Lenny Kravitz gehörte der Besuch eines Kiss-Konzerts zu den Schlüsselmomenten seiner Karriere: "Ohne diese Band, wäre ich heute nicht der, der ich bin", so der Sänger.

Paul Stanley, pissed, Peter Criss, not pissed, Ace Frehley, not pissed, Gene Simmons, pissed.

Paul Stanley, pissed, Peter Criss, not pissed, Ace Frehley, not pissed, Gene Simmons, pissed.

(Foto: REUTERS)

Die Liste der Künstler, die ohne den Einfluss der vier Kabuki-Rocker aus New York höchstwahrscheinlich andere Lebenspfade eingeschlagen hätten, ist lang. Mike McCready (Pearl Jam), Dave Grohl (Foo Fighters), James Hetfield (Metallica): Sie alle gehen auf die Knie, wenn es um das Schaffen von Gene Simmons und Co geht. Dabei sind es nicht nur Hardrock-Evergreens wie "Detroit Rock City", "Rock And Roll All Night" oder "Love Gun", die dazu geführt haben, dass selbst ein Garth Brooks beide Daumen hebt, wenn der Name Kiss fällt, sondern auch das einzigartige Image der Band.

The Kisstory goes on

"Wir wollten von Beginn an anders sein. Wir wollten eine Band sein, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat", erklärt Kiss-Starchild Paul Stanley. Dafür zwängten sich der Frontmann und seine drei Kollegen Peter Criss, Ace Frehley und Gene Simmons vor vierzig Jahren in fantasievolle Ganzkörperanzüge aus Latex und Leder, stülpten sich Plateau-Boots über die Füße, in denen selbst eine Heidi Klum ins Wanken käme, und versteckten ihre Gesichter hinter geschminkten Masken. Mit reichlich Rauch, Pyro-Power, Kunstblut und Feuer obendrauf ging es dann von Brooklyn in die weite Welt hinaus. Der Rest ist Geschichte – oder "Kisstory", wie der Kenner sagt.

Selbst die größten Kritiker der Band geben nach mittlerweile über 100 Millionen verkauften Tonträgern, unzähligen ausverkauften Stadion-Tourneen und einer Sammlung von Goldenen Schallplatten, die nur noch von denen der Rolling Stones und der Beatles übertroffen wird, nicht mehr umhin, klein beizugeben, wenn es um den musikhistorischen Wert der Band geht. Nun haben sogar die Verantwortlichen der elitären Rock And Roll Hall Of Fame, die sich jahrelang mit Händen und Füßen gegen eine Aufnahme der Band gewehrt haben und stattdessen lieber "Rock-Heroen" wie Grandmaster Flash & The Furious Five, Madonna und RUN DMC mit offenen Armen empfingen, ihre Tore für die Herren Simmons, Stanley, Frehley und Criss geöffnet.

Wie eine gebrauchte Rolle Klopapier

So richtig froh über die längst überfällige Ehrung ist die Band aber nicht. Vor allem die beiden Masterminds - Paul Stanley und Gene Simmons - gaben in den vergangenen Wochen des öfteren zu Protokoll, dass sie die Aufnahme in etwa so wertschätzen wie eine gebrauchte Rolle Toilettenpapier: "Ich gehe nur dahin, weil es da draußen viele Fans der Band gibt, denen es wichtig ist, dass wir endlich aufgenommen werden. Mir selbst bedeutet die Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame rein gar nichts", sagt beispielsweise ein verbitterter Paul Stanley.

Gene Simmons, Paul Stanley, Eric Singer, Tommy Thayer

Gene Simmons, Paul Stanley, Eric Singer, Tommy Thayer

(Foto: AP)

Der Grund für die "Kiss My Ass"-Attitüde des Sängers ist bei näherer Betrachtung durchaus nachvollziehbar, denn im Gegensatz zu anderen bereits aufgenommenen Bands, werden im Fall von Kiss nur die vier Original-Mitglieder aufgenommen. Das stößt auch den God Of Thunder Gene Simmons auf: "Was soll der Mist? Was ist mit Eric Carr, Tommy Thayer, Bruce Kulick und Eric Singer? Die Jungs sind oder waren alle viel länger dabei als Peter und Ace. Ohne ihre Mitwirkung würde es die Band heute wahrscheinlich gar nicht mehr geben", erzürnt sich der mittlerweile 64-jährige Zungenakrobat.

So kam es bei der Ehrung dann auch nicht zum vom Veranstalter gewünschten Reunion-Gig der Ur-Besetzung, sondern lediglich zu einer standardisierten knapp viertelstündigen Dankesrede aller Beteiligten. "Gute Miene zum bösen Spiel" nennt man das wohl, wenn sich auf einer feierlichen Bühne vier alternde Rock-Denkmäler mit einem gestellten Grinsen im Gesicht die Hände reichen. Die von dem einen oder anderen Insider erwartete Bühnen-Schlammschlacht blieb zum Glück aus. Es hätte aber durchaus auch anders kommen können; schließlich waren die Fronten der beiden Kiss-Blöcke schon lange nicht mehr so verhärtet wie dieser Tage.

Zur Not alles nachzulesen

Den Anfang machte dabei die im November 2011 erschienene Autobiografie von Gitarrist Ace Frehley ("No Regrets"), gefolgt vom nachlesbaren Lebensweg  von Drummer Peter Criss ("Makeup To Breakup"), der zwei Jahre später die Kluft zwischen den ehemaligen Band-Mitgliedern und den beiden noch aktiven Musikern noch größer werden ließ.

Seit wenigen Tagen kann man nun auch die Sicht der Dinge aus der Perspektive von Paul Stanley nachlesen ("Face The Music"). Welcher Inhalt dieser Bücher der Wahrheit über die vergangenen 40 Kiss-Jahre letztlich am nächsten kommt, wissen wohl nur die Beteiligten selbst. Inmitten eines jahrelangen Kreislaufs aus Lügen, Intrigen, Drogen und Sex ist nur eins so sicher wie das Amen in der Kirche: Im Hause Kiss ist, war und wird auch in naher Zukunft immer was los sein.

Wenn man den Worten von Paul Stanley Glauben schenken darf, dann ist ein Ende des Schmunzel-Zirkus jedenfalls noch lange nicht in Sicht: "Ich freue mich schon auf den Tag, wenn ich irgendwann vor einer Bühne stehe, auf der vier neue Persönlichkeiten in unsere Kostüme schlüpfen und die nächste Kiss-Generation einläuten. Dieser Tag wird kommen, denn bei Kiss stehen nicht die Menschen hinter der Maskerade im Vordergrund, sondern die Charaktere, die sie darstellen." In diesem Sinne: Rock And Roll All Night And Party Every Day!

Quelle: ntv.de

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