Muss man gehört haben Oasis - großspurig zum Erfolg
26.08.2014, 15:39 Uhr
Einer der fabelhaften Gallagher-Boys hat eigentlich immer ne Schraube locker ...
Vor 20 Jahren veröffentlichen Oasis ihr Debütalbum "Definitely Maybe" und verzücken nicht nur die britische Musikpresse. Die Melodien von den Beatles und Stones abgekupfert, den Brüderkampf von den Kinks - alles nicht sehr originell, aber heiß geliebt.
Als Oasis am 30. August 1994 ihr Debütalbum "Definitely Maybe" herausbringen, sind Sänger Liam Gallagher, Lead-Gitarrist Noel Gallagher, Gitarrist Paul Arthurs, Bassist Paul McGuigan und Schlagzeuger Tony McCarroll keine Unbekannten mehr. BBC Radio 1 spielt Singles wie "Supersonic" und "Shakermaker" rauf und runter. Ein Auftritt in der berühmten Chartshow "Top of the Pops" vermehrt den Bekanntheitsgrad. Die Single-Auskoppelung "Live Forever" ist noch erfolgreicher, der für die britische Musikpresse so typische Hype beginnt, Oasis werden als die musikalische Entdeckung des Jahrzehnts gefeiert und so verwundert es auch niemanden, dass sich "Definitely Maybe" wie geschnitten Brot verkauft.
"Ihr könnt mich mal"-Timbre
Aber man reibt sich schon die Augen, wie es sich verkauft. Ein neuer Rekord wird aufgestellt - so schnell ging noch nie ein Debütalbum über den Ladentresen. Es ist ein neuer, alter Sound, denn Noel Gallagher hört viel Beatles und Stones, was sich in den Melodien wiederfindet; aber es wirkt trotzdem ein wenig dreckiger, fordernder und vor allem laut. Der Sound passt hervorragend zu der Stimme seines jüngeren Bruders Liam, dessen Timbre ein leichtes "Ihr könnt mich mal" versprüht. Schaut man auf die Texte, wird auch ein Unterschied deutlich: Mögen amerikanische Bands von Weltschmerz singen oder sich als Verlierer sehen - in Oasis-Liedern heißt es großspurig und träumerisch "Heute Abend werde ich Rockstar sein". Und die Jungs aus Manchester sind der beste Beweis dafür, dass sich Träumen lohnt, denn Mitte der 90er-Jahre sind sie tatsächlich die Stars des gefeierten neuen Britpops - und sie benehmen sich auch so.
Die offen ausgetragenen Querelen zwischen Noel und Liam Gallagher sorgen für großen Unterhaltungswert, der die Band noch bekannter macht. Dann gibt es auch noch Ärger mit dem Schlagzeuger McCarroll, der kurzerhand durch Alan White ersetzt wird. Aber die Kabbeleien überschatten nicht alles, die Musik trifft trotzdem einen Nerv. Auf dem Nachfolgeralbum "(What's the Story) Morning Glory?", das 1995 erscheint, finden sich gleich zwei Hymnen für die Ewigkeit. Bei "Wonderwall" und "Don't Look Back in Anger" weicht der harsche E-Gitarrensound Streicherarrangements und Akustikgitarren - die Jungs können auch zart, was ihnen ihre beiden größten Hits verschafft. Aber das bedeutet nicht, dass Gallagher seine E-Gitarre einmottet - bei Liedern wie "Morning Glory" darf sie wieder schillern. "(What's the Story) Morning Glory" wird das erfolgreichste Album der Band und ist lange Zeit auch das meistverkaufte in Großbritannien, bis Adele mit "21" dem ein Ende setzt.
Zu überladen und zu laut
Mit dieser Produktion mutiert Oasis zu einem internationalen Phänomen und Noel Gallagher darf tönen, dass er Mitglied der größten Band der Welt ist - andere könnten widersprechen, aber dieses selbstbewusste Gehabe gehört zur Vermarktung dazu. Gallagher will die absolute kreative Kontrolle, was bei seinem Brüderchen nicht so gut ankommt. Die nachfolgenden Jahre werden auch deshalb schwierig für die Band, denn wie soll man nach so einem Riesenhit wie "(What's the Story) Morning Glory?" das Niveau halten? Oasis bringen mit "Be Here Now" ihr drittes Album heraus und brechen wieder einen Rekord: 350.000 CDs werden am Erscheinungstag im August 1997 verkauft. Vom finanziellen Standpunkt könnte es besser nicht laufen, aber musikalisch kann das Werk nicht mit seinen Vorgängern mithalten. Es fängt zwar vielversprechend mit "D'You Know What I Mean" an, aber es verpufft. Zu überladen wirken die Arrangements, zu lang und zu laut. Man merkt, dass die Herren ihre Nasen zu sehr in weißes Puder gesteckt haben. Selbst Noel Gallagher findet später, dass es sein schwächstes Album ist. Liam widerspricht, aber das scheint eh eine Reflexhaltung gegenüber dem großen Bruder zu sein.
Im Jahr darauf gibt es kein neues Material, stattdessen erscheint "The Masterplan", auf dem frühere B-Seiten vorgestellt werden. Ursprünglich sollte es nur in den USA und Japan veröffentlicht werden, aber in Europa und besonders in Großbritannien hungert man nach neuem Material. Die veröffentlichten Songs belegen eher die rockige, fast punkige Vergangenheit der Band. Als Verneigung vor Gallaghers Helden findet sich auch eine Live-Fassung des Beatles-Klassikers "I Am The Walrus".
Die Alleinherrschaft hat ein Ende
Zwei Jahre nach "The Masterplan" erscheint "Standing on the Shoulders of Giants". Bei den Aufnahmen steht die Band vor einem Problem - ihnen sind der Gitarrist und der Bassist abhanden gekommen. Paul Arthurs möchte offiziell mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und auch Paul McGuigan hat keine Lust mehr. Noel Gallagher muss fast alle Instrumente selbst spielen und er tobt sich aus: Synthesizer, Samples, Sitar und Melotron sind zu hören. Oasis klingen nun ziemlich überbordend psychedelisch, was die Massen eher verschreckt. Andererseits hat die Alleinherrschaft von Noel Gallagher ein Ende, denn er lässt mit "Little James" einen von Liam komponierten Titel zu. Kommerziell reicht die Kraft von "Standing on the Shoulders of Giants" nicht an die Vorgänger heran.
2002 kommt "Heathen Chemistry" heraus. Mittlerweile sind Bassist Andy Bell und Gitarrist Gem Archer Mitglieder der Band und sie dürfen jeweils einen Song für das neue Album dazusteuern. Liam komponiert sogar drei, aber er wird von seinem älteren Bruder gescholten, die Aufnahmen unnötig verlängert zu haben, da er mit seinem Anteil nicht in die Hufe gekommen sei. "Heathen Chemistry" überzeugt durch rockigere Töne als bei seinem Vorgänger, auch wenn man bei der Ballade "Stop Crying Your Heart Out" im Geiste sein Feuerzeug schwenkt. Hymnen bleiben weiterhin im Repertoire der Band.
Geradliniger Sound
Die kreative Aufwärtskurve manifestiert sich drei Jahre später im nächsten Album: "Don't Believe the Truth" gehört zu den stärksten Produktionen der Manchester-Jungs, ihre alte Form ist zurück. Wie immer liefert Noel Gallagher mit "The Importance of Being Idle" und "Lyla" die Hits und das hypnotische "Part of the Queue" gehört zu dem besten, was der Musiker je abgeliefert hat. Die Gruppe verfügt zudem über einen neuen Schlagzeuger und was für einen - kein Geringerer als Ringo Starrs talentierter Sohn Zac Starkey ersetzt Alan White, der nicht mehr will. Und sein klares Trommeln passt wunderbar zum geradlinigeren Sound der Produktion.
Der Kreis schließt sich
"Dig Out Your Soul" erscheint 2008 und es wird das letzte Studio-Album mit neuem Material sein, das Oasis veröffentlicht. Und irgendwie schließt sich hier auch ein Kreis, denn die Stimmung der Platte erinnert an "Definitely Maybe", wummernder Rock mit psychedelischen Einsprengseln, man gönnt sich mit "Outta Time" nur eine Ballade und die stammt aus der Feder von Liam Gallagher. Hymnen hört man ebenfalls vergebens, was nicht das Schlechteste sein muss. "Dig Out Your Soul" lässt die Herren jünger wirken, als sie sind.
So hätte es weitergehen können, aber im August 2009 hat Noel Gallagher die Nase voll von seinem Bruder und steigt endgültig aus der Band aus. Nach jahrelangem Gezerre reicht es. Der Brite macht fortan mit den High Flying Birds sehr erfolgreich solo weiter, während die übrigen Mitglieder unter dem Namen Beady Eye firmieren und noch auf den großen Chart-Erfolg warten. Fans hofften bislang vergeblich, dass die zerstrittenen Brüder wieder zueinander finden - vielleicht werden die Gebrüder Gallagher altersmilde und halten es irgendwann im Studio wieder miteinander aus.
Zugabe
"Lord Don't Slow Me Down"- für alle, die Oasis noch nie live gesehen haben, ist das ein kleines Trostpflaster. Die Band spielt im Stadion von Manchester City, was sie wohl beflügelt hat. Mögen sich die Gallagher-Brüder auch in den Haaren liegen, ihre große Liebe zu Manchester City eint sie wieder. Aber was "Lord Don't Slow Me Down" richtig unterhaltsam macht, ist der Bandkommentar zu der begleitenden Dokumentation. Hier erwischt man alle in guter Form, Noel und Liam geben sich gegenseitig Saures im witzigen Geplänkel. Es ging also auch anders. Schön, dass man das auch mal hören kann.
Quelle: ntv.de