Für Königin und Königreich So schön singt Schottland
24.09.2014, 19:16 Uhr
Diese schottische Musikikone singt auch gern für die Queen: Annie Lennox beim Konzert zum 60. Thronjubiläum 2012.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Schottland hat sich gegen die Unabhängigkeit entschieden. Damit gehört auch schottische Musik weiter zum britischen Exportgut. Dabei lohnt ein Blick auf Klassiker wie Annie Lennox, Amy MacDonald und die Newcomer Honeyblood.
Schottische Grande Dame: Annie Lennox
Annie Lennox lebt schon seit Urzeiten außerhalb von Schottland und durfte deshalb auch nicht beim Referendum wählen. Wahrscheinlich wäre es auch ein Nein geworden, denn die 59-Jährige postete im Vorfeld der Abstimmung ein Foto der britischen Flagge und wurde dafür von Unabhängigkeitsbefürwortern wüst beschimpft. Sollte sie demnächst ihr neues Cover-Album "Nostalgia" mit ihren Lieblingssongs in Schottland präsentieren, dürfte es also einen Aufruhr geben.
Bislang kann man von der neuen Produktion nur ihre Version von Screaming Jay Hawkins "I Put a Spell on You" hören, aber die ist meilenweit von ihren Anfängen entfernt, die beim Popduo Eurythmics von New Wave und Krautrockklängen geprägt waren. 1983 kommt der ganz große Durchbruch für Lennox und ihrem Musikpartner Dave Stewart mit "Sweet Dreams (Are Made of This)", das auch dank eines großartigen Videos die internationalen Charts erobert. Die wunderbare Soulstimme der Schottin steht im starken Kontrast zu ihrem androgynen Auftritt - ein Star ist geboren. In den 80ern liefern Eurythmics einen Hit nach dem anderen wie "Who's That Girl" oder "Here Comes the Rain Again".
1992 wagt sich Annie Lennox mit "Diva" erfolgreich aus dem Schatten von Stewart an ihr erstes Solo-Album und beweist mit Hits wie der Ballade "Why" oder Up-tempo-Nummern wie "Walking on Broken Glass" ihre Qualitäten als Komponistin. Beim Nachfolgeralbum "Medusa" vertraut sie 1995 hingegen auf Fremdmaterial - aber auch ihre Coverversionen will die Welt hören. Die zweifache Mutter konzentriert sich danach wieder auf ihre Familie, lässt aber 1999 mit Stewart Eurythmics auferstehen. "Peace" kann zwar an alte Erfolge nicht mehr anknüpfen, beinhaltet aber zumindest die wunderschöne Ballade "I Saved the World Tonight". Vorerst war's das dann mit dem Pop-Duo - ein letztes Lebenszeichen ist eine Tour, als 2005 ein Best-of-Album herauskommt sowie ein Auftritt während einer Grammy-Ehrung für die Beatles.
Mit "Bare" von 2003 widmet sich die Britin dann zumeist dem Liebesleid: In den Texten wird abgerechnet, in tiefste Tiefen gefallen, doch ein Fünkchen Hoffnung schimmert trotzdem hindurch. Es ist ein klassisches Trennungsalbum. In den nächsten Jahren liegt Lennox eher das Leid anderer am Herzen: 2007 erscheint "Songs of Mass Destruction". Eines dieser Lieder, "Sing", kann mit einem Chor aus 23 berühmten Sängerinnen wie Shakira, Pink, Céline Dion aufwarten, sogar Madonna trällert eine Strophe. "Sing" thematisiert Aids in Afrika, ein Thema für das sich Annie Lennox seit Jahren einsetzt und für das ihre musikalischen Ambitionen eher in den Hintergrund rücken.
Keine Rockröhre: KT Tunstall
Lennox holt für ihren "Sing"-Chor auch zwei Damen aus Schottland ans Mikro: KT Tunstall und Isobel Campbell. Erstere schafft 2004 mit dem schmissigen Song "Black Horse and the Cherry Tree" ihren Durchbruch. Das dazugehörige Album "Eye to the Telescope" ist feinster Folk-Pop, sehr eingängig und erfolgreich. Aber für den Nachfolger probierte die Musikerin etwas anderes aus: Auf "Drastic Fantastic" stimmt sie wesentlich rockigere Töne an und lässt sich als Rockröhre vermarkten - was KT Tunstall eigentlich gar nicht ist.
Behutsamer und zarter wirkt sie viel besser, da braucht man nur ihr bislang letztes Album "Invisible Empire" aus dem vergangenen Jahr hören. Wenn Rock, dann geht es hier eher in Richtung County-Rock. In eindringlichen Songs erzählt die Künstlerin von Verlust, den sie selbst erlebt hat: 2012 stirbt ihr Vater, zudem scheitert ihre Ehe. Diese Schicksalsschläge liefern ihr die Inspiration zu ihrem bislang besten Werk.
Kammer-Pop: Isobel Campbell
Leise klingt auch Isobel Campbell, ehemaliges Mitglied der Indie-Pop-Ikonen Belle and Sebastian. Das Ende der Beziehung zu Stuart Murdoch bedeutete 2002 für die Schottin auch das Ende ihres Daseins in der Band. Doch die Cellistin bringt bereits während ihrer Zeit in der Band Solo-Alben heraus, auf denen sie wunderbar zu klassischen Instrumenten haucht.
Trotzdem sucht Campbell lieber die Kooperation und findet in Mark Lanegan die perfekte Muse. Der Amerikaner mit seiner grantigen Stimme kontrastiert grandios ihre Zartheit. Diese Glück-bringende Zusammenarbeit hält über drei Alben: "Ballad of the Broken Sea", "Sunday at Devil Work" und "Hawk". Dazwischen gibt es 2006 mit "Milkwhite Sheets" ein Solo-Werk, auf das sich Isobel Campbell zum größten Teil traditionellen Songs widmet. Mittlerweile schreibt die Komponistin lieber Bücher und erteilt in Interviews Fragen nach einer weiteren Zusammenarbeit mit Lanegan eine Absage. Schade.
Schönster Indie-Pop: Camera Obscura
Mögen Isobel Campbells Lieder eher etwas für den Abend vor dem Kamin sein, produziert Tracyanne Campbell mit ihrer Band Camera Obscura schönsten Indie-Pop für laue Sommernächte. Das ist schon eine Kunst, denn in Glasgow, der Heimat von Camera Obscura, kommt man nicht oft in den Genuss von lauen Sommernächten. Egal, dann macht man eben Sommermusik mit Geigen und dezenten Bläsern.
Das Debütalbum "Biggest Blue Hifi" wird von der Kritik als "äußerst charmant" bewertet. Den leichten Schwung behält die Band auch auf ihren weiteren Werken bei. Größeren Erfolg gibt es 2006 mit "Let's Get Out of this Country". Hollywood erkennt das Potential und benutzt das schwärmerische "Lloyd I am Ready to be Heartbroken" in der Liebesschmonzette "P.S. Ich liebe dich" (die allerdings nicht in Schottland, sondern in Irland spielt). Auf ihrem aktuellen Album "Desire Lines" schleicht sich zwar der ein oder andere Moll-Ton ein, aber grundsätzlich wippt man zu den Kompositionen von Tracyanne Campbell fröhlich mit den Füßen.
Schottin des Jahres: Amy MacDonald
Während Camera Obscura eher zu den Kritikerlieblingen gehören, gelingt Amy MacDonald ein traumhafter Einstieg in die Musikbranche. 2007 veröffentlich sie ihr Debütalbum "This is Life" und die gleichnamige Single erobert im Frühjahr 2008 die internationalen Charts. Die Musik erinnert an andere keltische Exporte wie The Corrs und die Cranberries. Die schmissige, von Country angehauchte Nummer gefällt länderübergreifend. Ihre Landsleute wissen das zu würdigen und küren sie 2008 zur "Schottin des Jahres".
Aber es geht munter weiter: Der Nachfolger "A Curious Thing" wird in Paul Wellers Studio aufgenommen und erobert besonders in Deutschland die Herzen - hier kann MacDonald einer starken Fanbasis vertrauen. Ihre Lieder interpretiert sie 2010 bei einem Konzert in Luxemburg mit dem Orchester der Deutschen Radio Philharmonie. Den Hang zur klassischen Musik darf MacDonald auch 2013 mit ihren Auftritten zu "Night of the Proms" ausleben.
2012 erscheint "Life in a Beautiful Light" und steigt in den deutschen Charts gleich auf Platz 1 ein. Mittlerweile hat die Britin über neun Millionen Platten verkauft. In heimischen Gefilden konzentriert man sich allerdings eher auf ihren Promistatus: Amy MacDonald wird 2013 und 2014 zur schottischen Fashion Icon gekürt. Und bei so vielen schottischen Ehrungen verwundert es nicht, dass die modebewusste Künstlerin bei einem Konzert zugunsten der Unabhängigkeit ihres Landes auftritt.
Die Zukunft? Honeyblood
Stina Tweedale und Shona McVicar von Honeyblood werden gerade von der britischen Musikpresse gehypt, wie es eben nur die britischen Kollegen können. Die Damen liegen im Trend des Rockduos: Die White Stripes haben es vor Jahren vorgemacht und Royal Blood sind eine weitere erfolgreiche Variante der Kombination Gitarre/Schlagzeug. Honeyblood erinnern in ihrem Sound an Throwing Muses und werfen eine Prise Velvet Underground hinein. Dazu noch rotzige Texte gegen frühere Lover, die sich nicht gerade nett benommen haben und nun die Quittung bekommen. Das gefällt nicht nur in Schottland, sondern auch in den anderen Hipster-Clubs des Vereinigten Königreichs, das Honeyblood nun weiterhin zu den coolen britischen Exporten zählen darf.
Quelle: ntv.de