Schnitzen, Kochen, XBox Stille Stündchen mit Paolo Nutini
13.04.2014, 17:04 Uhr
Fünf Jahre hat man ihn kaum gesehen, nun ist Paolo Nutini zurück.
Fünf Jahre mussten die Fans von Paolo Nutini auf neue Musik von ihm warten, jetzt wird ihre Geduld belohnt. "Caustic Love" ist ein Mischung aus zwölf Eigenkompositionen, in denen die soulige Stimme des Schotten mal wieder ordentlich reinhaut. Obwohl der 27-Jährige gegenüber n-tv.de mehrmals betont, sehr schlecht im Promoten seiner eigenen Musik zu sein, kommt doch ein gutes Gespräch zustande, in dem er viel über die vergangenen fünf Jahre, jenseits des Rampenlichts, spricht.
n-tv.de: Es ist fünf Jahre her, dass dein letztes Album veröffentlicht wurde. Wieso gab es so lange nichts Neues von dir zu hören?
Paolo Nutini: Ich habe einfach mein eigenes Ding gemacht, habe mein Leben gelebt. Ohne die Beobachtung durch die Öffentlichkeit. Das ist doch eigentlich normal, oder?
Ja, schon. Aber du bist ein erfolgreicher Musiker.
Ich war auch nicht komplett von der Bildfläche verschwunden. Vor drei Jahren war ich hier in Deutschland noch mal auf Tour. Dann habe ich gemerkt, dass ich den ganzen Rummel, die Öffentlichkeit nicht mehr will. Ich wollte nach Hause, um Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. Ich habe ihren Rückhalt immer als selbstverständlich angesehen, aber so ist es nicht. Man muss die Beziehungen auch pflegen. Man muss dort sein, man muss ein Teil ihres Lebens sein. Wenn man nicht dabei ist, entgehen einem sehr viele schöne Erinnerungen, da gewisse Dinge niemals stattfinden. Der Fokus lag in letzter Zeit also einfach auf meinem Privatleben.
Bist du denn kreativ geblieben während dieser Zeit?
Auf jeden Fall. Denn das ist die Essenz der Musik. Aber ich habe auch viele Bilder gemalt und Gedichte geschrieben. Außerdem auch Kurzgeschichten und ich habe mich an einer Graphic Novel versucht. Natürlich habe ich auch immer wieder Songs geschrieben, habe versucht, jede Idee, die ich hatte, aufzunehmen und einzufangen.
Wie hast du die Tage noch verbracht?
Ich habe meine Kindheit ein wenig nachgeholt. Ich habe Freunde eingeladen und mit ihnen ganze Nachmittage sinnlos auf der XBox gespielt. Ich wollte auch mal wieder Wochenenden haben, die wirklich Wochenenden sind, also komplett frei. Es war eine sehr gute Zeit.
Hast du denn auch ganz neue Dinge ausprobiert?
Ja, ich hatte das Glück, zu lernen, Holz zu schnitzen. Das war sehr gut für meinen Kopf und für meinen Verstand. Und ich habe meine Liebe zum Kochen entdeckt. Das sind alles Dinge, die man nicht im Tourbus tun kann.
Brauchtest du diese Pause, weil du deine Karriere so früh, im Alter von 17 Jahren, begonnen hast?
Ich sehe die Zeit gar nicht als Pause, ich denke, es ist normal, dass Künstler auch zeitweise mal von der Bildfläche verschwinden, um wieder neue kreative Ideen zu finden. Andere dokumentieren das nur stärker, über Social Media zum Beispiel. Sie posten sämtliche Aktivitäten auf Instagram und sind ständig in Kontakt mit den Fans, um ihnen mitzuteilen, wie sie vorankommen. Aber ich finde, das muss nicht sein, daher habe ich das nicht gemacht. Aus dem Grund sprechen alle jetzt von einer Pause. Aber ich habe einfach das gemacht, was ich gemacht habe. Ich wollte das nicht promoten oder eine große Sache daraus machen. Jetzt, wo das Album fertig ist, kann ich mich wieder an die Fans wenden und ihnen präsentieren, was ich produziert habe.
Es war also keine Zeit des Nichtstuns, sondern eine kreative Pause?
Genau, es war keine Pause im eigentlichen Sinne, sondern es fühlt sich für mich wie eine Zeit der echten Realität an. Ich habe alles sehr bewusst gemacht.
Du bist ein berühmter Musiker und bist gerade 27 geworden. Das ist ein heikles Alter in gewissen Kreisen - ich sage nur Amy Winehouse, Kurt Cobain und Jimmy Hendrix. Musst du dir deshalb irgendwelche blöden Witze anhören oder machst du dir vielleicht sogar selbst darüber Gedanken?
Das wurde ich in letzter Zeit extrem oft gefragt. (lacht) Abe r nein, ich habe keine Angst, das wäre ja verrückt. Man weiß nie, was passiert. Vielleicht sollte ich einfach anfangen, nur noch Ellbogen- und Knieschützer zu tragen, mich in Luftpolsterfolie zu wickeln und Helme anzuziehen. Und wenn ich mich ins Flugzeug setze, nehme ich mir am besten gleich einen Fallschirm mit. Vielleicht bleibe ich auch das gesamte Jahr, in dem ich 27 bin, in meinem Haus eingeschlossen. Dann kann nichts passieren. (lacht)
Stehst du eigentlich gerne in der Öffentlichkeit? Bist du gerne der Mittelpunkt und liest du gerne über dich in Zeitungen und Zeitschriften?
Nein, ich mag diese Aufmerksamkeit nicht gerne. Aber es gehört automatisch zu dem dazu, was ich nun mal mache. Ich finde es nicht schlimm oder lehne es ab, aber es ist einfach da und ich akzeptiere es. Natürlich ist es schön, dass es diese Plattform gibt und ich das tun kann, was ich tun will. Denn wenn es das öffentliche Interesse nicht gäbe, könnte ich von der Musik nicht leben. Aber ich habe kein Verlangen nach Aufmerksamkeit, ich suche nicht die Öffentlichkeit. Ich glaube auch, dass es gefährlich werden kann, wenn man zu sehr versucht, sich zu sehr in Szene zu setzen. Dann geht eine ordentliche Portion Authentizität verloren. Meine Privatsphäre ist mir außerdem sehr wichtig. Ich möchte leben und mich an Orten aufhalten, ohne das Gefühl zu haben, unter Beobachtung zu stehen. Aber an sich habe ich kein Problem damit. Wenn ich mir die Haare abschneide, erkennt mich sowieso niemand wieder. (lacht) Die Lösung für Privatsphäre ist also einfach: alles abrasieren.
Was kann man von deinem neuen Album "Caustic Love" erwarten? Hat deine Musik sich verändert?
Es ist sehr (lange Pause) avantgarde und sehr minimalistisch. Ich kann schlecht sagen, was zu erwarten ist. Es sind zwölf Songs. Ich sage immer das Gleiche, ich bin einfach schlecht im Promoten. (lacht) Bei einer solchen Frage bräuchte ich eigentlich eine Person neben mir, die sagt: 'Das ist das Beste, was man je von ihm gehört hat.' Für mich war das Album auf jeden Fall sehr herausfordernd, ich wollte sehen, wie weit ich gehen kann. Ich wollte mich ein wenig von der Pop-Musik entfernen und die Songs reicher machen, ihnen mehr Tiefe geben. Im Vergleich zu den anderen Alben ist in "Caustic Love" einfach mehr Platz, mehr Weite. Die Songs haben somit eine filmischere Atmosphäre. Die älteren Lieder waren kürzer, abrupter und direkter. "Caustic Love" ist voller Szenen und Durcheinander.
Du hast das Album in einem alten Polizeitrainingsgebäude aufgenommen, oder?
Ja, dieses Gebäude gehört dem Vater eines Freundes. Er bot mir an, es für die Aufnahme zu benutzen. Wir haben das dann tatsächlich in den Räumen gemacht, wo früher Gerichtsprozesse geprobt wurden. Das waren riesige Hallen mit ganz hohen Decken. Außerdem haben wir auch ganz kleine, enge Räume genutzt, die sogar an den Wänden und an der Decke Teppich hatten und wir waren in Gängen, in denen früher Schießübungen stattfanden. Es war etwas sehr Besonderes, in solchen Räumen aufzunehmen. Denn diese besondere Struktur versetzt einen in eine ganz andere, neue Stimmung. Man sieht die Einschusslöcher in den Wänden, man kann sich vorstellen, wie es dort gerochen hat, als es noch als Trainingsgebäude genutzt wurde. Wir haben dadurch immer neue Sounds gefunden. Es war wirklich eine tolle Erfahrung, ich kann es nur empfehlen.
Da das Album jetzt rauskommt, wird wieder eine Menge Stress auf dich zukommen. Was machst du, um den Kopf frei zu bekommen?
Ich mache mein Handy aus und dann gehe ich einfach irgendwo hin, wo mich niemand findet. Ich sage niemandem, wo ich bin - nur der Person, die ich dabei haben will. (lacht) Und ich spiele XBox.
Reist du denn auch?
Ja, ich bin immer viel unterwegs, auch unabhängig von meinem Job und der Musik. Ich liebe es, Eindrücke von unbekannten Orten, unbekannten Gesichtern und fremden Kulturen aufzusaugen. Jede Gesellschaft tickt ganz anders und das zu beobachten, ist wahnsinnig interessant. Man kann dabei auch viel lernen und mit seinem eigenen Leben und Verhalten vergleichen.
Gibt es ein bestimmtes Reiseziel, das dir besonders viel bedeutet, das du besonders magst?
Die Karibik - dort habe ich schon einige Länder gesehen: Jamaika, St. Lucia, Barbados. Das sind drei völlig unterschiedliche, eindrucksvolle Orte.
Mit Paolo Nutini sprach Saskia Nothofer
Das Album "Caustic Love" erschien am 11. April 2014.
Quelle: ntv.de