Musik

Neues von Element of Crime "Trashigkeit im Sound" kann schmeicheln

Sven Regener macht keine Protestsongs - es geht ihm darum, "die Dinge einfach zu beschreiben".

Sven Regener macht keine Protestsongs - es geht ihm darum, "die Dinge einfach zu beschreiben".

(Foto: dpa)

In Sven Regeners Jobprofil steht Musiker, Schriftsteller, Drehbuchautor. Für manche ist er einer der begabtesten Lyriker Deutschlands. Kunstvoll jongliert er in Romanen wie in Songs mit Worten. In Interviews hingegen ist er vor allem der Mann der markigen Ansagen.

Sänger Sven Regener hat mal eine Regel formuliert: "Keine neuen Songs, bevor die alten nicht aufgebraucht sind." Und so müssen Fans immer vier bis fünf Jahre warten, bis der gebürtige Bremer mit seiner Band Element of Crime eine neue Platte herausbringt. Nun ist es wieder so weit: Ende September erscheint "Lieblingsfarben und Tiere" - und der Titelsong ist ein wunderbares Plädoyer für das, was auf Neudeutsch Entschleunigung heißt. Über Telefone im Kühlschrank, Schummeln in den Charts und das Märchen von der Beste-Freunde-Band sprach n-tv.de mit Regener und Schlagzeuger Richard Pappik.

n-tv.de: Element of Crime werden immer mit melancholischen Songs verbunden. Beim neuen Album empfinde ich das zum großen Teil gar nicht so. Mache ich was falsch?

Sven Regener: Die Frage ist ja immer, ob man das schön findet oder nicht. Auch das Traurige kann in der Musik unterhaltsam sein und Spaß machen. Element of Crime haben Mitte der 80er angefangen, als alle so Gute-Laune-Musik machten. Da war diese Punk- und Postpunk-Zeit, in der man gern depressive oder melancholische Musik gemacht hat, eigentlich vorbei – und da waren wir ein bisschen antizyklisch unterwegs, weil wir auch langsame und traurige Lieder hatten. Deshalb haben wir damals den Ruf bekommen, dass wir so Trauerbauer sind.

Ich weiß, dass Sie es nicht mögen, wenn man von Ihren Songs auf Ihr Leben schließt, aber in einem Fall muss das mal erlaubt sein. Darf ich aus "Lieblingsfarben und Tiere" eine gewisse Ablehnung einer Gesellschaft, die dauerhaft online ist, heraushören?

Regener: Das kann man so sehen, das wäre auch richtig, aber das wäre verkürzt. Wir machen die Lieder nicht, um eine Message abzusetzen oder etwas zu kritisieren, das sind ja keine Protestsongs. Es geht darum, die Dinge einfach zu beschreiben - Stimmungen und mögliche Arten, mit dem Leben umzugehen. Und das kennt doch jeder, dass es irgendwann auch mal reicht und man keinen Bock mehr hat. Das hat nicht immer nur was mit online und nicht online zu tun. Sondern auch damit, dass man nicht immer nur für andere Leute da sein kann, sondern einfach auch mal sagen können muss: Lasst mich alle mal in Ruhe.

Stellen Sie Ihr Handy manchmal tatsächlich für längere Zeit aus?

Richard Pappik: Natürlich. Ich habe Zeiten, wo ich das am Wochenende ganz gern mache. Und wenn ich in den Urlaub fahre, habe ich niemals einen Computer dabei, dann gehe ich auch nicht ins Internet. Ich brauche das auch, sonst drehe ich durch.

Regener: Ich glaube, dass das Handy unser Leben mehr verändert hat als das Internet. Die meisten Leute vergessen, dass das Telefon viel imperativer war. In den 70ern konnte man das Telefon nicht mal ausstöpseln. Ich kannte Leute, die haben ihr Telefon in den Kühlschrank getan, um davon verschont zu sein. Das war der schalldichteste Raum der Wohnung.

Ihr Verleger Helge Malchow schreibt über "Fehlfarben und Tiere", die Songs klängen, "als träte Bob Dylan mit Band auf einer Kleinstadtkirmes auf". Über den Dylan-Vergleich freut man sich sicher, über den mit dem Provinzrummel eher nicht, oder?

Regener: Im Grunde genommen spricht das für eine gewisse Trashigkeit im Sound. Und da ist ja was dran. Die Platten, die ich von Bob Dylan am liebsten mag, klingen auch wie Bob Dylan auf 'ner Kleinstadtkirmes. Ich finde den Vergleich sehr schmeichelhaft.

Warum schreibt überhaupt Ihr Verleger den Pressetext für Ihre Platte?

Regener: Ich habe ihn gebeten. Er hat deswegen bei mir auch noch einen gut. Und ich hab schon Angst davor, was er von mir will.

Einen neuen Roman?

Regener: Nein, nein, so etwas nicht.

Für "Mittelpunkt der Welt" (2005) und "Immer da wo du bist bin ich nie" (2009) gab es Goldene Schallplatten und Sie erreichten Ihre höchsten Chartplatzierungen.

Regener: Die Platten haben sich sehr gut verkauft, die Kriterien für eine Goldene Schallplatte sind aber auch runtergegangen. Als 1993 "Weißes Papier" rauskam, musste man für eine Goldene Schallplatte noch 250.000 LPs verkaufen, heute sind es nur 100.000. Und was die Charts angeht: Wenn wir im Frühjahr veröffentlichen würden, wären wir immer auf Eins.

Warum?

Regener: Weil im Herbst und im Weihnachtsgeschäft die ganzen Schwergewichte veröffentlicht werden. Dann ist es viel schwieriger, auf Platz eins zu kommen als in den Sommerferien. Da kann man mit ein paar tausend verkauften Platten auf Platz eins landen.

Und Sie suchen jetzt die Herausforderung und veröffentlichen im harten Herbst?

Regener: Das Thema Albumcharts ist echt fad, weil daran vorne und hinten nichts stimmt. Unterm Strich steht ja die Frage: Wie viele Platten habt ihr eigentlich verkauft? Und im Gegensatz zum Kinogeschäft sind die Zahlen in der Musikbranche quasi geheim. Ich glaube, dass man sich damit Hype-Möglichkeiten offen hält. Man behauptet einen Erfolg und niemand kann das überprüfen. Nur Brancheninsider haben Zugang zu den Zahlen. Andere wissen nur, jemand ist auf Platz eins, aber wie viele Platten er verkauft hat, wissen Sie nicht.

Ich wollte gar nicht so viel über Charts sprechen, sondern nur die Frage einleiten, ob selbst alte Hasen wie Sie bei einer Albumveröffentlichung Erfolgsdruck verspüren.

Regener: Es würde doch keiner merken, wenn wir bei dieser Platte keine Goldene Schallplatte bekommen. Dass der Erfolg einen unter Druck setzen soll, hab ich auch nie verstanden. Ich finde immer, der Misserfolg setzt einen so furchtbar unter Druck. Wie soll man denn eine neue Platte aufnehmen können, wenn man die letzte nicht refinanziert hat? Wie soll man als Profi Musik machen, wenn man nebenbei auf dem Bau Schlamm schippen muss?

Die Mitglieder von "Element of Crime": Sänger und Bandgründer Sven Regener, Gründungsmitglied und Gitarrist Jakob Ilja (vorn, v.l.), Schlagzeuger Richard Pappik und Bass-Spieler David Young (hinten, v.l.)

Die Mitglieder von "Element of Crime": Sänger und Bandgründer Sven Regener, Gründungsmitglied und Gitarrist Jakob Ilja (vorn, v.l.), Schlagzeuger Richard Pappik und Bass-Spieler David Young (hinten, v.l.)

(Foto: dpa)

2015 steht das 30. Jubiläum von Element of Crime an. Ich tippe, Sie sind keine Band, die so etwas groß zelebriert – aber der Blick zurück im kleinen Kreis steht schon an?

Pappik: Das hat für uns überhaupt keine Bedeutung - außer dass es ein großes Glück ist, dass man an etwas teilhaben kann, das in einer solchen Qualität schon so lange funktioniert.

Gibt es ganz besondere Bande, kennt man sich besser als die eigene Frau?

Pappik: Natürlich ist das irgendwie wie eine alte Ehe. Und was haben wir in dieser Zeit nicht alles gesehen an "Superbands", die heute keiner mehr mit Namen kennt.

Regener: Vielleicht wäre das ja auch schön gewesen, schnell rein, schnell raus. Irgendwie ist das ja auch geil. So von jetzt auf gleich Millionär - und zwei Jahre später Ausverkauf.

Oder zwei Jahre später "Dschungelcamp".

Regener: Ja, wer weiß. Ich glaube, so lange kann man das nur schaffen, wenn man ein wenig distanziert unterwegs ist und sich nicht zu sehr auf die Nerven geht. Und es aber auch sehr große Übereinstimmungen in Sachen Musik gibt. Bei Bands kommt es eigentlich nur auf die Musik an, der Rest ist alles Quatsch. Dieses ganze Drumherum: Vier Freunde müsst ihr sein und ordentlich auf die Kacke hauen. Was haben wir da erlebt, und was waren wir besoffen. Das gibt es auch, aber am Ende kommt es darauf an, ob es musikalisch klappt.

Stichwort Distanz: Element of Crime veröffentlichen im Rhythmus von vier bis fünf Jahren. Wie viel Zeit verbringen Sie zwischen zwei Platten miteinander? 

Regener: Wir sehen uns, wenn wir zusammen Musik machen, wenn wir Interviews geben und wenn wir auf Tournee sind. 2012 haben wir das ganze Jahr nichts gemacht, da haben wir uns kaum gesehen. Man geht sich nicht aus dem Weg, aber es ist eine Band, es geht um Musik.

Pappik: In der Zeit dazwischen ist jeder in seiner eigenen Galaxis unterwegs. Unser Gitarrist Jakob Ilja macht viel Theater- und Filmmusik, ich produziere junge Bands, unser Bassist David Young macht in England seine Sachen. Es kann passieren, dass man mal Sehnsucht hat, und sich anruft. Aber wir sind nicht die, die sich jeden Dienstag in der Kneipe treffen.

Herr Regener, 2012 nahmen Sie in einem Interview sehr heftig Stellung zum Urheberrecht. Erkennen Sie zwei Jahre nach Ihrer "Wutrede" noch Wirkungen?

Regener: Es gab damals eine Haltung zum Urheberrecht, die mich sehr geärgert hat. Es ging darum, Künstler zu enteignen. Diese Strömung ist auf dem Rückzug - dass man meint, Musiker müssten alles für Luft und Liebe tun. Das können wir nicht, weil wir weder unsere Instrumente noch unsere Wohnungen damit bezahlen können. Ich dachte damals, das kann ja wohl nicht sein, dass es in einem der reichsten Länder der Welt darum geht, 99 Cent für einen Song zu sparen. Das Internet ist keine Entschuldigung für Geiz und Gier.

"Lieblingsfarben und Tiere" erscheint am 26. September - bei Amazon bestellen

Mit Sven Regener und Richard Pappik sprach Nadine Emmerich.

Quelle: ntv.de

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