Musik

Alles andere als "scheißlich" William Fitzsimmons fängt bei null an

Singen ist wie eine Therapie für William Fitzsimmons - und lachen! Hilft auch immer.

Singen ist wie eine Therapie für William Fitzsimmons - und lachen! Hilft auch immer.

Sie hat es getan: Sie hat ihn verarscht. Und er hat es getan - er hat ein Album darüber gemacht. So offen wie William Fitzsimmons ist schon lange keiner mehr mit der größten Pleite im Leben umgegangen: von der eigenen Frau betrogen zu werden.

Wie das Leben so spielt: Im August 2017 hatte William Fitzsimmons ein Album, das er zusammen mit einem langjährigen Freund über den Sommer hinweg aufgenommen hatte, unter Dach und Fach. Der Bandkollege kehrte heim und Fitzsimmons freute sich auf sein Familienleben. Ein paar Tage später änderte sich alles. Seine Frau, mit der er seit fast zehn Jahren verheiratet war und gemeinsame Kinder hat, eröffnete ihm, dass sie ihn nicht mehr liebe und dass sie nicht weiter mit ihm verheiratet sein wolle, weil sie nicht in der Lage sei, eine Ehe aufrechtzuerhalten, die aufgehört habe, eine echte Einheit zu sein. Dann erzählte sie ihm, dass sie mit seinem Freund und Bandkollegen während der Zeit, in der sie das Album aufgenommen hatten, eine Affäre gehabt habe. Im Laufe einer einzigen Unterhaltung hatte das Leben, das William Fitzsimmons zu haben glaubte, aufgehört zu existieren. Das galt auch für das Album, das er gerade vollendet hatte. Doch weil dieser William Fitzsimmons ein überaus feiner Kerl ist, räumt er ein, dass sein eigenes Versagen genauso viel Schuld am Scheitern der Ehe trifft wie die der anderen.

Manchmal muss unsere vertraute Welt zusammenbrechen, damit wir auf einem neuen Weg ganz von vorne anfangen können. Und das hat er getan: Viele Monate später stellte ihm sein Manager und Freund Rishon den aus Nashville stammenden Produzenten Adam Landry vor. Landry war überzeugt, dass er das Albumprojekt nicht nur retten, sondern es besser machen könne. Und da Fitzsimmons eh keine klare Richtung vor sich sah, hatte er nichts zu verlieren. Er packte Gitarren, Verstärker und seine Notizbücher ein und fuhr nach Nashville - um irgendwie von null anzufangen. Das Album "Mission Bell" ist nun also nicht nur das Resultat der Asche eines gescheiterten Albums und einer gescheiterten Beziehung, sondern auch die Wiedergeburt des Wunsches, etwas Ehrliches, Persönliches und Leidenschaftliches zu schaffen. Das Album entstand in einer Phase, in der er verletzlicher nicht hätte sein können. Er sagt: "Ich wollte diese Platte eigentlich nicht machen, aber sie ist das Beste, was mir je gelungen ist." "Mission Bell" ist ein Album voller Schmerz, aber auch voller Freude. Mit n-tv.de spricht William Fitzsimmons an einem sonnigen Spätsommertag darüber, dass durch Leiden etwas Neues, sogar Besseres, entstehen kann.

William Fitzsimmons: Hallo Sabine, wie geht es dir?

n-tv.de: Hey, dein Deutsch klingt ganz gut ...

Ich dachte, eher scheißlich? (Anm.: er spricht zwischendurch immer wieder deutsch)

Wenn, dann scheußlich, aber nein, es gibt Scheußlicheres ... und  genug, um das deutsche Publikum um den Finger zu wickeln, oder?

Das mache ich sowieso vor jedem Auftritt in jeder Stadt: Ich google die 10 Top Begriffe und dann kann ich am Anfang so Sachen wie: "Hey, Leute, was eurer Bürgermeister Müller da gerade wieder angestellt hat - also ich weiß ja nicht (lacht)". Und: "Wo sind die Toiletten?" Dann hält mich auf jedenFall schon mal jeder für witziger, als ich eigentlich bin. Ich liebe Sprachen ...

Und wo lernst du sie?

Am liebsten am Flughafen. Wenn alle anstehen und mir nicht entkommen können und ich sie vollquatschen kann. (lacht)

Fitzsimmons geht sehr weise an die Sache heran.

Fitzsimmons geht sehr weise an die Sache heran.

Hast du einen Bezug zu Deutschland?

Ja, einer meiner besten Freunde ist von hier, aus Dortmund. Er lebt inzwischen allerdings in Großbritannien. Er ist Halbmexikaner. Seine Mutter war damals beim Springbreak, als ... das führt jetzt zu weit, oder? (lacht)

Wenn sie das liest, auf jeden Fall. Aber die Mischung macht's ja ...

Finde ich auch! Meine Tochter ist halb schwarz, halb weiß. Leider wird sie manchmal komisch angeguckt, vor allem, wenn sie mit mir unterwegs ist. Oder mit meiner Frau, denn wir sind beide weiß. Das liegt natürlich daran, dass sie adoptiert ist.

Jetzt muss ich aber mal sehr neugierig nachfragen: Du hast eben gesagt "meine Frau" - ich dachte, ihr seid getrennt? Gibt's was Neues?

Also rein rechtlich ist sie noch meine Frau, ja. Und sie ist und bleibt natürlich die Mutter meiner Kinder. Wir sind getrennt, leben aber noch unter einem Dach.

Seid ihr noch Freunde?

Beste Freunde. Ich denke, jetzt führen wir eine richtig gute Beziehung. Wir sind eben nicht mehr zusammen (lacht). Aber es hat eine Weile gedauert. Ich war echt am Boden zerstört. In dem Moment, in dem ich herausgefunden habe, dass sie mich betrügt - wie sich das anhört - war die Schlagzeile in meinem Kopf natürlich: "Wundervoller Ehemann wird betrogen von niederträchtiger Frau!" (lacht) Das stimmt so natürlich nicht: Ich war weder wundervoll noch war sie niederträchtig.

Man sagt ja immer, dass beide schuld sind, wenn eine Beziehung scheitert ....

Ja, das ist auch richtig. Ich habe sie natürlich nicht darum gebeten oder dazu gezwungen, mich zu betrügen. Schau, ich zwinge niemanden zu irgendetwas und wir alle müssen mit unseren eigenen Entscheidungen leben. Aber bloß weil ich nicht perfekt bin, heißt das ja nicht, dass jemand anderes das Recht hat, mir wehzutun. Aber ich muss auch Verantwortung übernehmen für das, was ich getan habe. Keiner von uns kann garantieren, dass man sich immer korrekt verhalten wird. Das ist einfach so. Also fokussieren wir uns jetzt auf das Wohl der Kinder und darauf, jeder bei sich selbst aufzuräumen. Und wenn die Zeit gekommen ist, dann sehen wir weiter. Nichts ist in Stein gemeißelt.

Das klingt so, als wäre noch nicht aller Tage Abend ... und es klingt auch sehr weise und erwachsen!

(lacht) Geht so. Meine Freunde sagen mir auch immer, dass sie das nicht so könnten, wie ich es jetzt handhabe.

Es klingt auch sehr großzügig.

Wir wollen mal nicht übertreiben, ich bin wirklich kein Engel (lacht). Aber es ist besser, wenn wir versuchen, Freunde zu bleiben.

Du hattest ein Album, das fertig war. Und in dem Moment sagt deine Frau dir: "Du Schatz, ich muss dir was sagen, ich hab' was mit einem anderen."

Ich muss gestehen, das habe ich nicht kommen sehen. Ich war wirklich überrascht. Und dass es ausgerechnet mein Bandkollege war, hat die Sache nicht wirklich besser gemacht. Auf der anderen Seite war ich irgendwie auch erleichtert.

Erleichtert?

Ja, ich weiß, klingt sonderbar, aber ich dachte, es sei ein Footballplayer und das hätte mich echt fertig gemacht. Ich bin 40 und ich dachte, jetzt hätte sie vielleicht was mit einem, der nur halb so alt ist. Mit einem gutaussehenden, sportlichen, schlanken Typen, der die Haare an den richtigen Stellen und einen Waschbrettbauch hat. Du weiß, was ich meine, oder? Das hätte mehr an meinem Selbstbewusstsein gekratzt.

Erleichtert ...

Erleichtert ...

Und dass es der Drummer war, hat dich beruhigt?

Irgendwie schon, er ist ja nicht mal der Lead-Singer einer Band (lacht). Ich meine, ehrlich mal, wer nimmt Charlie Watts, wenn er Mick Jagger haben könnte? (lacht laut) Nein Quatsch, das ist Bullshit, aber ich muss ja irgendwie kompensieren. Der Grund war natürlich ein ganz anderer.

Und zwar?

Ich habe die Warnungen nicht gehört, nicht gesehen. Wie ein Warnsignal an deinem Auto: irgendwas ist kaputt, die Lampe leuchtet rot, aber du könntest es noch reparieren. Wenn du es allerdings verschlampst, dann geht alles kaputt.

Und wo seid ihr jetzt?

Naja, ich kann sie immer noch so wahnsinnig gut leiden: Sie ist klug, sie ist ehrgeizig, sie ist großzügig.

Und was sagt sie dazu, dass du jetzt quasi ein ganzes Album über sie geschrieben hast?

Sie liebt es (lacht).

Auch wenn sie gar nicht so gut dabei wegkommt?

Die Leute denken sowieso, was sie denken wollen. Und - ich habe nie etwas gesagt oder geschrieben, das sie verletzten könnte, ich versuche wirklich, fair zu bleiben. Sie hat mir mit dem Album sogar geholfen. Wenn ich irgendwo hänge, nicht weiterkomme, mit dem Text oder der Melodie, dann ist sie die Erste, die ich frage. Sie hat mir auch mit dem Pressetext geholfen, denn ehrlich gesagt ist es ja auch ihre Geschichte. Ich weiß, dass es ihr auch immer wieder wehtut.

Und die Kinder?

Mit denen facetime ich, wenn ich unterwegs bin, es geht ihnen gut. Meine Frau will aber schon genau wissen, wie die Interviews so laufen und ob ich zu viel verrate (lacht). Ich denke, ich rede so über die ganze Angelegenheit, dass sie meinetwegen jedes Wort hören könnte, ohne dass es ihr unangenehm werden müsste. Ich denke schon, dass es ihr nach wie vor unangenehm ist und sie mit dem Hass derer rechnen muss, die vermeintlich auf meiner Seite stehen, aber sie kommt klar. Es ist zwar nicht mehr mein Ding, aber ich mache mir natürlich Gedanken um sie. Ich liebe sie ja noch als die Mutter meiner Kinder. Aber - und das lässt sich nun mal nicht schönreden: Sie hat es getan (lacht). Sie hat mich verarscht.

Und du bist ein Künstler und musst mit der Situation klarkommen - da liegt es nahe, ein Album drüber zu machen ...

Eines Tages wird er "ihm" vergeben ...

Eines Tages wird er "ihm" vergeben ...

(lacht) Genau. Sie ist übrigens Schriftstellerin - sie wird es irgendwann auch in einem Buch verarbeiten. Und ich befürchte, dass man mich dann auch von einer Seite kennenlernen wird, die gar nicht mal so schmeichelhaft für mich ist. Es wird mich verletzten, da bin ich mir relativ sicher.

Hast du "ihm" vergeben?

Noch nicht. Eines Tages. Aber nun, er war übrigens gerade frisch verheiratet ... Wer tut so etwas? Ich verstehe es nicht. Egal, nicht mein Bier. Manche Leute mache so etwas über Jahre, sie hat es mir relativ schnell gebeichtet. Okay, das macht sie jetzt nicht unbedingt zur Heldin, aber es macht sie auch nicht zur miesesten Schurkin aller Zeiten. Ich habe Respekt vor ihr.

Und sie ist ein Mensch - Menschen machen Fehler.

Ja. Dieser Fehler hätte es jetzt nicht unbedingt sein müssen, aber ja, irren ist menschlich.

Ich finde es dennoch erstaunlich, wie offen du darüber redest. Meist verarbeiten Musiker ihre Schmerzen in der Musik, wollen dann aber nichts weiter dazu sagen.

Mir hilft das, wenn wir jetzt zum Beispiel darüber reden. Es ist meine Art der Therapie, meine Art, damit klarzukommen und auch mal über alles zu lachen.

Dein Album kommt sehr ehrlich rüber, das ist gut. Aber auch sehr ruhig, sehr gefasst. Musst du nicht manchmal schreien?

Ich habe wahrscheinlich eine andere Art, mit meinen Ängsten umzugehen. Meine Eltern sind beide blind, sie hätten mir nicht helfen können, wenn ich jetzt losschreie, dass da irgendetwas auf uns zurollt oder uns ein böser Mensch entgegenkommt. Ich musste das selbst regeln und ich war ein kleiner, ängstlicher Junge. Damit gehe ich um, seit ich denken kann. Es hätte mir nie etwas gebracht, zu schreien.

Wollen wir noch kurz über das Album reden?

Na klar!

Du warst in Nashville im Studio - was macht diese Stadt denn eigentlich mit einem, dass alle immer nach Nashville wollen?

Es ist Country. Es ist Geschichte, Willie Nelson nimmt dort auf (lacht), er ist der Coolste, und die Stadt hat so etwas Familiäres, das mag ich.

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Du bist jetzt also genashvilled ...

Ja, kann man so sagen. Du darfst die Stadt allerdings nicht verlassen - ganz anderes Bild. Vor jedem Zaun steht einer mit 'ner Knarre, das sind die Südstaaten (lacht). Es ist ein bisschen wie in "Vom Winde verweht", aber nur das Negative.

Apropos negativ ...

Oh mein Gott, wir wollen jetzt nicht über IHN reden, oder? Es ist einfach nur schrecklich, ein Albtraum. Es tut mir so leid für meine Kinder, dass dies der erste Präsident ist, an den sie sich erinnern werden. Wir hätten den Mädchen so gern eine Präsidentin geboten! 

Mit William Fitzsimmons sprach Sabine Oelmann

William Fitzsimmons ist in Deutschland auf Tour: am 2.10. in Dresden, Beatpol, am 4.10. in München, Technikum, am 8.10. in Stuttgart, Wizemann, am 17.10. in Hamburg, Grünspan und am 24.10. in Berlin, Heimathafen Neukölln

Quelle: ntv.de

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